Mit Kamera und Knopf im Ohr zum Führerschein
Kamera in der FFP2-Maske und Knopf im Ohr: Die Corona-Pandemie führt zu neuen Betrugsmaschen bei Führerscheinprüfungen.
Marcellus Kaup von TÜV Süd sagt: „Es gibt nichts, was es nicht gibt“ . Er meint damit einen neuen Trend: Die Versuche, auf illegalem Wege den theoretischen Teil der Führerscheinprüfung zu bestehen, werden vielfältiger. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie stecken immer wieder Prüflinge neben Mund und Nase auch Mini-Kameras in die vorgeschriebene FFP2-Maske.
Es sei zwar immer schon versucht worden, auf illegale Weise an den Führerschein und hinter’s Steuer zu gelangen. „Aber für diese Leute, die nicht lernen wollen oder zu viel Geld haben, ist die Pandemie zumindest bei der Prüfung geradezu ein Vorteil“, sagt der Leiter der Technischen TÜV-Prüfstelle Baden-Württemberg in Filderstadt bei Stuttgart.
Auch beim TÜV Rheinland ist die Masche aus den vergangenen Jahren bereits gut bekannt. 2021 erwischten die Prüfer*innen in Rheinland-Pfalz 134 Prüflinge beim Betrugs-Versuch mit einer Kamera. Im Jahr davor waren es nach TÜV-Angaben 96. Auch beim TÜV Nord ist die Zahl gestiegen. „Wie viele allerdings Jahr für Jahr mit dem Kamera-Betrug durchkommen, ist schwer einzuschätzen: „Die Prüfer sind mittlerweile geschult darauf, aber einen 100-prozentigen Erfolg gibt es sicherlich nicht. Weder für uns noch für die Betrüger in den Prüfungen“, sagt Kaup.
Der Betrug ist nicht kostenlos
Mogeln statt Büffeln, das hat durchaus Kosten: Eine in die Maske eingenähte Kamera leihen sich Prüflinge über Kontaktbörsen oder die illegalen Ecken des Internets – inklusive einer Person als Kompliz*in. Denn irgendjemand muss ja die korrekten Antworten vorgeben. Diese Person sitzt dann meist vor der Fahrschule im Auto und liest über das Kamerabild auf dem Laptop die Fragen mit. Wenn es heißt „Kamera ab, Ton läuft“, flüstert sie die richtigen Antworten über einen kleinen Kopfhörer, der im Ohr der Führerscheinanwärter*innen versteckt ist. Der kabellose Kopfhörer ist dabei kleiner als ein 1-Cent-Stück und im Ohr kaum zu sehen. In einigen Fällen tragen die Prüflinge auch Impulsgeber – kleine technische Geräte etwa am Oberschenkel oder am Bauch, die per Fernsteuerung auf Knopfdruck vibrieren. Bewegt der Prüfling den Mauszeiger am Bildschirm über die richtige Antwort, lässt der Komplize einfach das Gerät vibrieren.
Neu ist die Betrugsmasche mit einer Kamera bei der Führerscheinprüfung übrigens nicht. „Früher war es die Knopfkamera, jetzt ist es die FFP2-Maske.“, sagt ein Sprecher des TÜV Rheinland. Auch in Brillengestellen, Krawatten und Haarspangen fanden die Prüfer bereits kleine Kameras.
„Es gibt sogar Fälle, da wird versucht, die Prüf-Software zu hacken“, sagt TÜV-Experte Kaup. Nach bestandener Prüfung wird das Honorar gezahlt und man geht wieder getrennte Wege. „Es gibt richtige Banden, die das organisieren“, berichtet er weiter. „Da kaufen Sie den Betrug quasi im Paket.“ Auch Sicherheitsbehörden sprechen von einem „Rundum-Service“ organisierter Banden.
Detektoren sollen verbotene Gerät aufspüren
Aber nicht nur die Betrüger*innen sind kreativ, auch die Prüfenden lassen sich etwas einfallen. Derzeit prüft der TÜV die rechtliche Zulässigkeit, über der FFP2-Maske das Tragen einer weiteren, vom TÜV ausgegebenen medizinischen Maske zu verlangen. So könnte das Kamera-Loch der FFP2-Maske verdeckt werden. Die Masken der Prüflinge vorab kontrollieren darf der TÜV nicht. Doch auch technisch rüsten die Prüfenden auf. Dazu nutzt die Prüforganisation nach eigenen Angaben unter anderem bestimmte Sensoren. Die Prüfenden laufen während der Prüfung mit ihnen durch den Raum. Entdeckt der Sensor ein technisches Gerät, schlägt der Detektor an und gibt ein lautes Geräusch aus. Außerdem sensibilisiert der TÜV seine Prüfer*innen dafür, auf auffälliges Verhalten der Fahrschüler zu achten.
Prüflinge haben wenig zu befürchten
Die Täuschungen bei der Führerscheinprüfung sind zwar verboten – aber nicht strafbar. Nach aktueller Rechtslage darf der erwischte Prüfling den Test nach Freigabe durch die Führerscheinstelle bei der nächsten Prüfung sechs Wochen später wieder versuchen. „Völlig unzureichend“, ein „Sicherheitsrisiko“, moniert der Fahrlehrerverband. Daher will der Gesetzgeber nachbessern. Der Bundesrat stimmte kürzlich einem Gesetz zu nach dem Fahrschüler*innen, die erwischt werden, künftig bis zu neun Monate für eine neue Prüfung gesperrt werden können. Nach Meinung von Marc-Philipp Waschke vom TÜV-Dachverband, müsse zudem geprüft werden, ob die erwischten Prüflinge überhaupt zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf den Straßen geeignet seien. „In vielen Fällen stellt sich die Frage, ob die Personen überhaupt die erforderliche Eignung für das Führen eines Kraftfahrzeugs haben. Wir müssen davon ausgehen, dass Fahranfänger, die in Prüfungen betrügen, wichtige Verkehrsregeln nicht kennen und Regeln bewusst missachten.“
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