Das muss passieren, damit Reisebusse sicherer werden

Bei einem Unfall können Reisebusse für ihre Insassen schnell zur Todesfalle werden. Eine Studie weist eklatante Schwächen nach und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf.

Zu sehen ist eine Reisebus Haltestelle
Reisebusse weisen oft eklatante Sicherheitsmängel auf [Bildquelle: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance]

Das Szenario, das die Forscher mit Probanden im Versuchsaufbau grob nachbilden, ist schaurig: Ein voll besetzter Reisebus ist von der Fahrbahn abgekommen und umgekippt, die Türen sind versperrt. Er könnte in Brand geraten, dichter Qualm könnte die Orientierung in dem ohnehin aus dem Lot geratenen Innenraum zusätzlich erschweren. Es könnte Verletzte geben, Menschen die in Panik geraten. „Wenn ein Bus von der Fahrbahn abkommt, macht das irre Lärm“, sagt UDV-Forschungsleiter Siegfried Brockmann.

Nur Turner kommen aus Unfall-Bussen

All das gibt es im Simulator auf dem Crashtest-Gelände nicht – und doch stehen die Testpersonen erheblichen Problemen gegenüber: „Das sind schon enorme Kräfte, die da wirken“, beschreibt Angelika Laumann, 51 Jahre, das Gefühl, das sich einstellt, wenn der Bus erst ein wenig, später um volle 90 Grad auf die Seite gekippt wird – und das viel langsamer als beim echten Crash. „Beklemmend und beängstigend“, sagt Bianca Ruhoff, 32, nachdem sie sich durchaus mühevoll durch die Dachluke nach draußen gekämpft hat. Viele beklagen, wie schwer es gewesen sei, den gestrafften Beckengurt zu lösen, wenn das eigene Gewicht auf dem Gurtschloss liege.

 

Zu sehen ist ein Manöver in einem Reisebus-Sicherheitstraining
Bei den Tests wurden Busse gezielt auf die Seite gekippt [Bildquelle: Guido Kirchner/Picture-Alliance]

Weitere Versuchsreihen, technische Analysen und Befragungen zeichnen ein ganz ähnliches Bild: So habe sich gezeigt, dass Dachluken oder Seitenscheiben oft nur mit „großen turnerischen Qualitäten“ nutzbar seien, sagt Unfallforscher Brockmann. Splitterreste, wenn der Nothammer zum Einsatz kommen muss, erschweren den Ausstieg. Hinzu kommen große Höhen, die beim Ausstieg überwunden werden müssen. Heckscheiben seien in der Realität häufig durch Fahrradträger oder Skiboxen versperrt. Deswegen schlagen die Experten den Einbau von Frontscheiben vor, die sich im Notfall von innen entfernen lassen. „Das ist kein Hexenwerk: Es genügt ein kleiner Druckschlauch entlang der Klebenaht, um die Scheibe splitterfrei herauszusprengen“, sagt Brockmann. Bei einer serienmäßigen Konstruktion sei das eine kleine Investition für ein großes Mehr an Sicherheit.

Brandschutz muss verbessert werden

Dreipunktgurte wie im Auto statt der bisher üblichen Beckengurte bringen laut UDV ein zusätzliches Maß an Sicherheit. Lichtleisten zu den nächstgelegenen Notausstiegen könnten helfen, die Orientierung zurückzugewinnen. Eine schon ältere Forderung wiederholen die Unfallforscher auch: Die Brandschutzanforderungen für die Innenraummaterialien müssten endlich besser werden, „um Zeit zu gewinnen, die wir für die Evakuierung einfach brauchen“, sagt Brockmann.

Grundsätzlich kritisiert er, dass der Reisebus das einzige Massenverkehrsmittel sei, für das der Gesetzgeber keine maximalen Evakuierungszeiten vorschreibe. Während ein Passagierflugzeug keine Zulassung bekommen würde, wenn es nicht binnen 90 Sekunden geräumt werden kann, fehlt eine solche Vorschrift beim Reisebus. Ohne eine solche Regelung würden die Busunternehmen die Bequemlichkeit vor die Sicherheit stellen, glaubt Brockmann. Er hält drei Minuten für die Evakuierung eines aufrecht stehenden Busses durch die Tür für realistisch. Ein Problem: Die Gänge seien derart eng, dass korpulente Menschen sich häufig nur seitlich bewegen könnten. Hier dürften verschiebbare Sitze oder Griffe an den Kopfstützen nicht zusätzlich Bewegungsraum verringern.

Reisebusse gelten zwar als vergleichsweise sicheres Verkehrsmittel; betrachtet man das Unglücksrisiko jedoch pro gefahrenem Fahrzeug-Kilometer, ist es den Unfallforschern zufolge etwa vierfach höher als beim Auto. Bei allen Arten von Unfällen und auf alle Arten von Bussen bezogen werden in Deutschland jährlich etwa 6000 Buspassagiere verletzt, davon rund 500 schwer. Todesfälle sind selten und ihre Zahl schwankt von Jahr zu Jahr stark. „Es geht um die seltenen, aber dann doch die gravierenden Fälle und um die Möglichkeiten, die Evakuierung ohne große Schwierigkeiten zu verbessern“, sagt Brockmann.

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