Elektrischer Sport Quattro mit 800 Volt

Eine Rallye-Legende aus der Zeit von verbleitem Benzin, übersetzt in die Zukunft: Der ELegend EL1 soll der neue Sport Quattro sein. Seinen Vorgänger übertrifft er in allen Belangen.

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Constantin Bergander
Zu sehen ist ein ELegend
Der EL1 ist eine Art elektrischer Sport Quattro - mit viel mehr Leistung [Bildquelle: TeamOn GmbH]

Dieses Auto balanciert zwischen Frevel und fantastisch, zwischen Schwärmerei und Sakrileg. “Retrofuturistisch” nennt der Hersteller ELegend das. Der ELegend EL1 kombiniert Gegensätze: Die wildesten Zeiten des Motorsports und die Moderne künftiger Smartphones. Schnell wie ein Rennwagen, aber sauber wie ein Gebirgsbach. Er erinnert an eine soundstarke Legende, gibt selbst aber keinen Mucks von sich. 

Zugegeben: Um ein echtes Auto geht es (noch) nicht. Denn was die junge Firma ELegend ein paar Kilometer abseits der IAA in einer Münchener Tiefgarage präsentiert, ist bisher nur eine plastisch ausgeformte Idee. Eine Studie, die nicht fahren kann, aber verdammt gut aussieht. Und andeutet, was vielleicht mal werden kann. Die Köpfe hinter der Idee trauen sich zu denken: 2022 wird er fahren. 

Sport Quattro für das 21. Jahrhundert

 

Der EL1 überträgt die Optik und Idee des Audi Sport Quattro von 1984 in das morgige Hier und Jetzt. Für alle, die zu jung sind: Der Sport Quattro markiert 1983 Audis endgültigen Wandel von Lehrers Liebling zum Spitzensport. Er war das teuerste Auto Deutschlands, mit gut 300 PS aus einem Fünfzylinder-Motor außerdem eines der stärksten. Und dank waghalsiger Helden hinterm Volant wurde er das schnellste Auto in der Rallye-Weltmeisterschaft und eine Motorsport-Legende. Form und Technik des Modells stützen heute noch das Image der Marke. Schon drei Mal wollte Audi einen Nachfolger bauen. Es klappte nie. 

Also muss es ein anderer machen. Der heißt Marcus Holzinger. Der Chef der Firma E-Legend erinnert sich: In den 1980ern arbeitete sein Vater in der Entwicklung genau jenes Sport Quattro. Audis wilde Rallye-Zeit war Teil seiner Jugend und fasziniert ihn bis heute. Deshalb will er jetzt das schaffen, was bei Audi an Geld, Strategieentscheidungen und internen Streitigkeiten scheiterte. 

Leistung: 600 kW oder 816 PS

Klar ist aber: Ein Fünfzylinder-Turbomotor wie damals passt nicht in eine Zeit, die das Ende des Verbrenners diskutiert. Ein moderner Sport Quattro muss also elektrisch fahren. Wenn der Motorsound nicht mehr die Nackenhaare bewegt, übernimmt die Leistung diese Rolle. Holzingers Studie ist an dieser Stelle mehr als eine hübsche Form: Es existieren konkrete technische Pläne, wie die Neuauflage fahren soll.  

Die Firma Roding entwickelt ein leichtes Chassis aus Karbon, das insgesamt drei Motoren aufnimmt. Einer treibt die Vorderachse an, zwei weitere die Hinterachse. Gemeinsam leisten sie 600 kW, das entspricht in alter Währung 816 PS. So stark war der alte Sport Quattro nicht einmal in seiner Rallye-Version. Mit dieser Kraft soll der EL1 in 2,8 Sekunden auf Tempo 100 und in 8,5 Sekunden auf 200 km/h sprinten. 300 km/h Höchstgeschwindigkeit peilen die Entwickler an – abgeregelt, theoretisch wäre viel mehr möglich.

Zu sehen ist das Heck des ELegend
Der EL1 wurde am Rande der IAA 2021 erstmals gezeigt [Bildquelle: TeamOn GmbH]

Gedacht für Sport und Alltag

Dass Elektroautos auf der Geraden beeindruckend schnell sein können, weiß jeder, der mal in einem Tesla gefahren ist. Echte Sportwagen beweisen sich aber in Kurven und bei der Ausdauer. Der EL1 soll da, wo es im Motorsport zählt, nicht nachlassen, sondern glänzen. Auf der Nordschleife hält er zwei Runden bei Renngeschwindigkeit durch, kündigen seine Konstrukteure an. Seine Kraft drossele er dabei nicht. 

Performance auf der Rennstrecke soll die Paradedisziplin des EL1 werden. Die Serienversion wiegt laut Datenblatt leichte 1.650 Kilogramm und verteilt ihr Gewicht beinahe gleichmäßig auf die Achsen (47:53 Prozent). Doppelquerlenkerachsen vorn und hinten führen die 19- und 20-Zoll-Räder mit 285er Bereifung. Vierkolben-Bremssättel und 36-Zentimeter-Bremsscheiben fangen die Fuhre wieder ein. 

Im Alltag soll das Modell dennoch genauso gut funktionieren. Mit 90 kWh Akkukapazität, verstaut im Mitteltunnel und hinter den Sitzen, fährt der EL1 voraussichtlich 425 Kilometer weit. Ist die Batterie leer, lädt sie mit bis zu 300 kW Ladeleistung an dafür geeigneten Schnellladesäulen – schneller als jedes andere aktuelle Auto. Der Stromverbrauch soll bei rund 21 kWh pro 100 Kilometer liegen, also auf dem Niveau eines Porsche Taycan.

Wie realistisch sind die Pläne?

Es sind beeindruckende Zahlen, die Elegend ankündigt. Einige klingen ein bisschen zu fantastisch für eine kleine Firma, zu einer Zeit, in der auch große Konzerne mit hohen Entwicklungsbudgets noch mit den Tücken der E-Mobilität kämpfen. Aber Elektromotoren aus dem Motorsport, Batterien aus der Großserie und ein Chassis eines erfahrenen Karosseriebauers rücken das Entwicklungsziel in greifbare Nähe. Auch, wenn sich die eine oder andere Ankündigung zu den Themen Ladestrom und Performanz vielleicht als zu ambitioniert herausstellt. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch bezahlbar.  

Die Finanzierung ist bereits gesichert, sagt der Hersteller. Zusätzlich zur antriebslosen Studie wird es also bald einen fahrbaren Prototyp geben. Im Herbst 2022 soll dann bereits die Kleinserienfertigung beginnen. Kein ganz billiger Spaß: Elegend plant 30 Fahrzeuge zum Preis von je 1.059.100 Euro brutto. Zum Vergleich: Ein originaler Audi Sport Quattro mit kurzem Radstand erzielt bei Autkionen Preise bis zu 500.000 Euro. Elegend will nach diesem Modell zwei weitere Neuinterpretationen von klassischen Rennautos auflegen. Die dürften dann weniger polarisieren als die elektrische Neuauflage von Audis Charakter-Verbrenner – und ähnlich schnell sein. 

Technische Daten – ELegend EL1

 

ModellELegend EL1
Motor/AntriebElektro/ Ein Motor vorn, zwei an der Hinterachse
Leistung600 kW (816 PS)
Drehmomentvorn 500 Nm, hinten 1.100 Nm
Geschwindigkeit300 km/h
0-100 km/h2,8 s
Verbrauchca. 21 kWh/100 km
Akkukapazität90 kWh
Reichweite425 km (WLTP)
Ladeleistungbis 22 kW (AC), bis 300 kW (DC)

 

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