Kerosin aus Solarenergie ab 2023 bei Swiss im Einsatz

Synthetische Kraftstoffe aus Luft und Sonne: Die Schweizer Fluggesellschaft Swiss will ab 2023 CO2-neutrales Kerosin aus Solarenergie einsetzen. Die Technik stammt von der ETH Zürich. Wie schnell kann sie das Klima entlasten?

Redaktion
Ein Airbus A220-100 der Swiss: Fliegen die ersten Jets der Lufthansa-Tochter 2023 mit CO2-neutralem Kerosin? [Bildquelle: Swiss]

Das Fliegen ist mit Abstand die klimaschädlichste Art, zu reisen. Aber auch die Art zu reisen, die die Welt einander am nächsten bringt. Deshalb arbeiten Wissenschaft und Fluggesellschaften an Möglichkeiten, den Klimaschaden des Flugverkehrs zu senken. Dafür gibt es verschiedene Ansätze: Flugzeuge können mit Strom, Wasserstoff oder mit CO2-neutralem Kraftstoff betrieben werden. Man spricht hier von „Sustainable Aviation Fuel“ (SAF). Bei letzterem Ansatz ist es eine Option, Kerosin aus Solarenergie zu gewinnen.

Hier kommt nach erfolgversprechenden Forschungsprojekten jetzt Bewegung ins Thema. Die Lufthansa-Tochter Swiss Airlines hat angekündigt, mit Sonnenenergie erzeugtes synthetisches Kerosin ab 2023 in ihren Maschinen nutzen zu wollen. Swiss wäre die erste Airline, die diesen Kraftstoff nutzt. Liefern soll das Solarkerosin die Firma Synhelion, eine Ausgründung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Die Hochschule forscht bereits seit einiger Zeit an der Technologie.

Synhelion-Chef Philipp Furler lässt sich mit den Worten zitieren: „Das Engagement von Swiss und Lufthansa Group zeigt das grosse Interesse der Luftfahrtbranche an unseren Solartreibstoffen.“ Die erste Anlage, die das Solar-Kerosin in industriellem Maßstab produzieren soll, entsteht noch 2022 in Jülich (Deutschland). Außerdem soll in Zusammenarbeit mit dem Lufthansa-Konzern eine weitere Anlage im sonnenverwöhnten Spanien entstehen. Ab 2025 will Synhelion jährlich 500.000 Liter Solarkerosin herstellen, 2030 schon 875 Millionen Liter. Mit der Menge von 875 Millionen Litern Kerosin könnte Swiss Airlines im Jahr 2030 die Hälfte seines derzeitigen Kerosinbedarfs decken.

So funktioniert das Gas-to-Liquid-Verfahren

Bis dahin dauert es noch, denn: Bisher betreibt Synhelion lediglich eine Forschungs-Raffinerie auf dem Dach der ETH. Diese Solar-Raffinerie testet das sogenannte „Gas-to-Liquid“-Verfahren, in dem ein Gas in eine Flüssigkeit (Kerosin) umgewandelt wird. Die Anlage ist in drei Segmente unterteilt. Das erste Segment ist die Luftabscheidungseinheit. Sie zieht Kohlendioxid und Wasser aus der Umgebungsluft.

Darauf folgt eine solare Redox-Einheit. In ihr spaltet fokussiertes Sonnenlicht aus einem großen Parabolspiegel CO2 und H2O zu Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2) auf. Dazu bündelt ein großer Parabolspiegel Sonnenstrahlen und erzeugt die für die Spaltung notwendige Temperatur von 1.500 Grad Celsius. Im dritten Teil der Anlage wird dieses Gas-Gemisch in flüssige Kohlenwasserstoffe, etwa Methan oder Kerosin, umgewandelt.

Der Kraftstoff aus der Gas-to-Liquid- Anlage ist CO2-neutral, weil er bei seiner Verbrennung nur so viel Kohlenstoffdioxid freisetzt, wie zuvor aus der Luft entnommen wurde.

ETH Zürich Solar Raffinerie
Die Solar-Raffinerie auf dem Dach der ETH Zürich stellt mit Hilfe von Sonnenstahlen und Luft synthetisches, CO2-neutrales Kerosin her [Bildquelle: ALESSANDRO DELLA BELLA/Picture-Alliance]

Laut Aldo Steinfeld, Professor für erneuerbare Energieträger der ETH Zürich, ist mit dem Verfahren eine emissions-neutrale Produktionskette möglich: „Die Ökobilanz der Produktionskette von solaren Treibstoffen zeigt, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin zu 80 Prozent vermieden werden können und dass sie gegen Null gehen, wenn die Materialien für den Bau der Produktionsanlagen wie Glas und Stahl mit erneuerbaren Energien hergestellt werden.“

Besonders interessant für die Fluggesellschaften: Sie können das Solar-Kerosin in ihren vorhandenen Flugzeugen nutzen und sogar mit anderen Kraftstoffen mischen. Mit fossilem Kerosin, mit synthetischem Kerosin aus Biomasse oder mit anderen Kerosin-Arten. Diese Art Treibstoffe nennt man „Drop-in-Treibstoffe“. Damit gemeint sind Treibstoffe, die konventionelle Kraftstoffe direkt ersetzten können. Anders als bei der Umstellung auf Wasserstoff  sind für den Einsatz von Drop-in-Kraftstoffen keine Änderungen an der Infrastruktur für Lagerung, Transport und Anwendung notwendig. Flugzeuge können sofort damit fliegen.

Vorerst geringer Klimanutzen

So positiv es ist, dass mit der Swiss die erste Fluglinie diese Technologie nutzt: Der Klimanutzen bleibt vorerst überschaubar. Zunächst stehen nur kleine Mengen des Solar-Kerosins zur Verfügung, und: Will der Hersteller die Produktionstechnik in die genannten Größenordnungen skalieren, muss die Technik sich weiterentwickeln. Gänzlich marktreif ist das Verfahren nach Aussagen der Züricher Wissenschaftler*innen noch nicht. Der Wirkungsgrad ist mit 5,6 Prozent deutlich zu gering. Der Wert bedeutet, dass die Anlage nur 5,6 Prozent der einfallenden Sonnenenergie nutzt. Für die solare thermochemische Spaltung stellt dieser Wert laut der ETH Zürich zwar einen neuen Weltrekord dar, für die praktische Anwendung ist er zu gering. Laut Steinfeld sind daher noch Prozessoptimierungen notwendig.

Zudem: Selbst 100 Prozent CO2-neutraler Kraftstoff würde das Klimaproblem der Luftfahrt nicht lösen. Umweltverbände wie Greenpeace geben an, dass zwei Drittel der schädlichen Effekte durch Kondensstreifen in großer Höhe entstehen. Diese entstehen aus Rußpartikeln aus der Kerosinverbrennung und aus Wasserdampf – ein Effekt, der sich allein mit der Verbrennung CO2-neutraler Kraftstoffe nicht deutlich verändert.

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