Alternativen statt Autos subventionieren
Der Koalitionsvertrag ist beim Thema Mobilität besser, als er gemacht wird. Aber nur, wenn die teilweise vagen Ziele in konkreter Politik ankommen. Ein Kommentar.
Man musste den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP nicht kennen, um die Reaktionen zu erraten. Viel zu wenig, sagt Fridays for Future. Zu liberal sagt die Linke, zu links sagt die AfD. Ein Manifest fürs Auto, sagt „Der Spiegel“. Einzig die Position der Union hätten wir uns so nicht ausgemalt: Sie freut sich, dass einige Pläne der Verkehrspolitik Bekanntes fortschreiben. Und bewertet die Weiterentwicklung ihrer 16 Jahre Regentschaft als „äußerst zurückhaltend“. Nun ja.
Wer hinter diese (überwiegend) vorhersehbaren Reaktionen blickt, erkennt im Verkehrsbereich dennoch hoffnungsvolle Signale. Die Subventionierung von Diesel soll entfallen – das ist lange überfällig. Die teuren Kaufprämien für Elektroautos erhalten klarere Anforderungen als bisher, und ein Verfallsdatum. Die Steuervorteile beim Plug-in-Hybrid kann nur noch ausnutzen, wer tatsächlich mit Strom fährt. Das sind überfällige Zeichen, dass zumindest einige der bisherigen Subventionen auf dem Prüfstand stehen.
Stärkere Einschnitte beim Verkehr sind nötig
Man hätte mehr ankündigen können, vielleicht müssen. Der Verkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten trotz aller Abgasgesetze und CO2-Flottenziele keinen Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet. Hier sind daher noch stärkere Einschnitte nötig als anderswo. Darauf weist zu Recht Christian Hochfeld von der Agora Verkehrswende hin: Es fehlen ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-Steuer oder eine Reform der Dienstwagenbesteuerung, die Verbrenner schlechter stellt als heute.
Im Grunde ist es einfach: Wer möchte, dass die Menschen Alternativen zum Auto akzeptieren, sollte keine Autos, sondern Alternativen subventionieren. Hier fehlen dem Koalitionsvertrag in der Tat plakative Schritte. Aber: Die allermeisten dieser Alternativen liegen in der Verantwortung von Ländern und Kommunen. Die sollen mehr Freiheiten bekommen und dabei auf Klima- und Gesundheitsziele verpflichtet werden. Dem Bund obliegt an dieser Stelle lediglich der große Rahmen.
Und da steht ein Paradigmenwechsel bevor. Die Schiene soll künftig der Schwerpunkt der Investitionen werden, nicht mehr die Straße. Die Kapazität auf der Schiene im Personenverkehr soll sich bis 2030 verdoppeln. Im Gegenzug geht es bei Straßen nur noch um Erhalt, mit einer Fokussierung auf „Ingenieursbauwerke“ – also Brücken zum Beispiel. Dafür sollen die Verkehrsprojekte des Bundesverkehrswegeplans überprüft werden. Das klingt abstrakt. Aber: Wenn es gut gemacht wird, bewegt es mehr als jedes Symbol wie Tempo 130 oder die oft geforderten „Enddaten“.
Das Ergebnis zählt
Andere Steuerungsinstrumente gehören nach Europa. Etwa eine möglichst einheitliche Pkw-Maut, die sich an den (entfernungsbezogenen) Systemen in Italien, Spanien und Frankreich orientiert. Oder die konkrete Ausgestaltung der Abgasnorm Euro 7 und das Festsetzen der CO2-Flottengrenzen.
In der Vergangenheit weichte Deutschland hier gern Regeln auf oder baute Schlupflöcher ein. Wenn die neue Regierung das ändert, ist viel gewonnen. Die Autoindustrie hat schließlich verstanden, dass sie vom Bremser zum Taktgeber werden muss. Die Ausführungen des Koalitionsvertrags zur Elektroauto-Prämie etwa wirken wie bei VW-Chef Diess abgeschrieben. Beide Seiten müssen nun liefern.
Zugegeben, das sind viele Wenns. Aber das ist das Wesen eines Koalitionsvertrags: Er ist eine Absichtserklärung, kein Konzept. 2009 stand im Vertrag kein Atomausstieg, 2017 keine Pandemiebekämpfung. Die neue Regierung wird sich an ihrer Politik messen lassen müssen.
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