Was bringt ein generelles Tempolimit?

Über ein Tempolimit auf Autobahnen wird in Deutschland seit Jahrzehnten diskutiert. Nutzen für Sicherheit und Umwelt sind einerseits unumstritten. Andererseits zeigt eine Studie: Nur eine Minderheit wäre überhaupt betroffen.

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Dennis Merla
Verkehrsschild Tempo 130
Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wird seit Jahrzehnten heftig diskutiert [Quelle: picture alliance /Bildagentur-online/Ohde]

Das Tempolimit wird in Deutschland kontrovers diskutiert: Senkt es das Unfallrisiko? Wenn ja, in welchem Maße? Welchen Beitrag zum Klimaschutz leisten langsamere Geschwindigkeiten? Und räumt die Elektromobilität das Thema Tempolimit nicht sowieso in naher Zukunft ab, weil mit 180 km/h auf der Autobahn die Akkuladung nicht bis zum Zielort reicht?

In den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl beziehen die Parteien klar Stellung zum Thema Tempolimit in Deutschland. SPD, Grüne und Linke sind für eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. CDU/CSU, FDP und AfD sind dagegen. Unter den Bürgern verteilen sich die Meinungen ähnlich paritätisch. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „infratest dimap“ im Oktober 2019 sprachen sich von 1.062 Befragten 53 Prozent für ein Tempolimit aus. 45 Prozent lehnten die Idee ab.

Welchen Nutzen bringt ein Tempolimit für den Umweltschutz?

In einer Studie von Anfang 2020 analysierte das Umweltbundesamt den Beitrag einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen zum Umweltschutz. Demnach könne ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen den Ausstoß von Treibhausgasen, darunter hauptsächlich CO2, im Verkehr jährlich um 1,9 Millionen Tonnen reduzieren.

Das Reduktions-Potenzial von Treibhausgassen durch ein generelles Tempolimit:

  • 130 km/h: 1,9 Millionen Tonnen
  • 120 km/h: 2,6 Millionen Tonnen
  • 100 km/h: 5,4 Millionen Tonnen

Dass niedrigere Geschwindigkeiten den CO2-Ausstoß senken, stimmt zwar. Der Effekt insgesamt fällt jedoch gering aus. Die Gesamtheit aller in Deutschland gefahrenen Fahrzeuge stieß im Jahr 2018 157,7 Millionen Tonnen Treibhausgase aus. Laut dem Umweltbundesamt entfiel auf die Autobahnfahrten mit 39,1 Millionen Tonnen etwa ein Viertel davon. Mit Tempolimit 130 stießen die Fahrzeuge dann immer noch 37,2 Millionen Tonnen pro Jahr aus. Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen im Verkehrssektor um 80 Millionen Tonnen zu senken. Darauf hätte eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahn demnach nur einen geringen Einfluss.

Mehr Potenzial bergen die indirekten Effekte eines Geschwindigkeitslimits. Dürfen Autofahrer auf der Autobahn nur noch 100 km/h fahren, gewinnt die Bahn beispielsweise plötzlich an Attraktivität. Wer sein Auto stehen lässt, trägt am effektivsten zum Klimaschutz bei.

Tempolimit: Laut Studie kaum jemand betroffen

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat sich die gefahrenen Geschwindigkeiten in NRW genauer angeschaut. Dazu wertete das Institut über vier Monate hinweg die Daten von Autobahnzählstellen aus: 1,2 Milliarden Fahrten auf 1.762 Fahrstreifen. Gemessen wurden Autobahn-Abschnitte ohne Tempolimit. Das Ergebnis überrascht: 77 Prozent der Fahrer waren ohnehin mit weniger als 130 km/h unterwegs. Sie wären von einem etwaigen Tempolimit also gar nicht betroffen.

Zwölf Prozent fuhren bei den Messungen zwischen 130 und 140 Kilometer pro Stunde schnell und nur etwa zwei Prozent fuhren schneller als 160. Selbst nachts bei „freier Bahn“ stieg dieser Anteil auf nicht mehr als vier Prozent.

Angesichts der wachsenden Zahl von Elektroautos auf den Straßen stellt sich ohnehin die Frage, wer der Freiheit der „offenen Autobahn“ künftig noch hinterher trauert. Denn viele E-Auto-Fahrer sparen sich die Action zugunsten der Reichweite und fahren etwa mit ihrem leistungsstarken Tesla Model 3 häufig sowieso kaum schneller als 130 Kilometer pro Stunde. 

DUH fordert Tempolimit-Light

Das Tempolimit soll helfen die Klimaschutz-Ziele zu erreichen. Weil die CO2-Emissionen des Verkehrssektors durch die Elektrifizierung ohnehin perspektivisch sinken werden, fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein temporäres Tempolimit.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH sagt dazu: „Es soll so lange gelten, bis andere Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr ausreichend Wirkung entfalten und auch der besonders klimaschädliche Verkehrssektor seinen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele erfüllt. Vorerst auf drei Jahre beschränkt, steht es nicht im Widerspruch zum Ergebnis der Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP. Im ersten Sondierungspapier von SPD, Grüne und FDP wurde das Thema abgeräumt: „Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben.“

Laut Resch seien zeitlich befristete Tempolimits wegen Frostschäden, Bauarbeiten oder Starkwetterereignissen gängige Praxis. Die wachsenden CO2-Emissionen im Verkehrsbereich und das vollständige Fehlen anderer sofort wirksamer Maßnahmen zur Reduktion der Klimagase reichten als Grund für ein temporäres Tempolimit aus. Zudem würde eine Geschwindigkeitsbeschränkung über den Zeitraum der drei Jahre tausende tödliche Unfälle vermeiden.

Rettet ein Tempolimit wirklich Menschenleben?

2.719 Menschen verloren in Deutschland im Jahr 2020 im Verkehr ihr Leben. Davon 317 auf der Autobahn. Wie viele tödliche Unfälle auf Fahrfehler, Ablenkung oder überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind, ist nicht aussagekräftig ermittelbar.

Weil jedoch laut Statistik in Deutschland jeder dritte gefahrene Kilometer auf einer Autobahn stattfindet, zeigt die Verkehrstotenzahl, dass die Autobahnen relativ sicher sind. Anders verhält es sich übrigens bei Landstraßen. Hier werden rund 60 Prozent  aller Verkehrstoten registriert. Das waren im vergangenen Jahr etwa 1.631 Personen. Zudem bleibt die Frage, ob sich notorische Raser durch ein generelles Tempolimit aufhalten lassen.

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