ADAC-Pannenhilfe für das Fahrrad
2021 testete der ADAC in Berlin und Brandenburg eine Fahrrad-Pannenhilfe. Nun kommt sie bundesweit. Eine Idee, die überfällig war. So funkioniert der Service.
Wenn die Luft raus ist, wird die grüne und gesunde Mobilität auf zwei Rädern schnell zum Nervenkrieg. Eine Fahrradpanne auf dem Weg zur Arbeit oder auf der Fahrradtour ins Grüne, weit entfernt vom nächsten Bahnhof? Darauf kann wohl jede*r verzichten. Denn Hilfe bedeutet in dem Fall meist: Selbsthilfe, vorausgesetzt man hat das nötige Equipment zur Fahrrad-Reparatur dabei.
Abhilfe schaffen ab Juni 2022 deutschlandweit die „gelben Engel“ des ADAC. Dem ging 2021 ein Test in Berlin und Brandenburg voran, wo Deutschlands größter Autoclub Erfahrungen mit der Pannenhilfe fürs Fahrrad sammelte. Mit dem Ziel, den Dienst in der Praxis zu erproben und ihn nun deutschlandweit den rund 21 Millionen ADAC-Mitglieder*innen anzubieten. Denn wie dem Auto, droht auch dem ADAC eine Sinnkrise: Viele größere Städte wollen den Fahrzeugbestand und den Autoverkehr reduzieren.
So funktioniert die Fahrrad-Pannenhilfe
Notrufnummer: 030 86 86 86 86
- Fahrt mit dem privaten Fahrrad
- Fahrrad nach Unfall oder Panne nicht mehr fahrtüchtig
- E-Bike: Akku defekt oder leer
- Ort sicher und legal per Auto erreichbar
- ADAC-Mitgliedschaft
- Ab Juni 2022 bundesweit
In diesen Fällen hilft der ADAC nicht
- Gewerbliche Fahrradnutzung
- Bei fahrlässiger Beschädigung
- Bei Fahrraddiebstahl (kein reiner Personentransfer)
- An Stellen, die nicht per Auto erreichbar sind
- Fahrradpanne im Ausland
Damit sinkt mittelfristig der Bedarf an ADAC-Mitgliedschaften – wenn sich der Verein nicht als Mobilitätsclub versteht, der seinen Mitglieder*innen auch dann hilft, wenn sie nicht mit dem Auto unterwegs sind. Denn der Service richtet sich an ADAC-Mitglieder*innen. Die Mitgliedschaft lässt sich jedoch, wie bisher auch bei Autopannen, vor Ort beantragen.
Beim Pilotversuch fuhren 150 auf Fahrrad-Reparaturen geschulte „Gelbe Engel“ in Berlin und Brandenburg, ausgerüstet mit einer breiten Palette an Fahrradersatzteilen. Bis Anfang Oktober 2021 zählte der Club gut 250 Einsätze. Dabei entfielen vier von fünf auf das Berliner Stadtgebiet. Der Rest verteilte sich auf das umgebende Flächenland Brandenburg.
Die häufigsten Fahrrad-Pannen
Die große Mehrheit der Radfahrenden, die den ADAC wegen einer Panne riefen, hat Probleme mit den Reifen. 75 Prozent der Notrufe entfielen in der Pilotphase auf diese Pannenart. Zumeist handelte es sich um den klassischen „Platten“: „Nicht jeder hat das passende Werkzeug und einen Ersatzschlauch oder Flickzeug dabei, manche sind auch mit dem Ausbau des Rades überfordert“, sagt ein ADAC-Sprecher auf Anfrage von mobility.talk. Bei manchen Schaltungen oder bei aufwendig konstruierten E-Bikes sei dies keine Kleinigkeit.
Die Pannenhelfer*innen sparen sich diese Arbeit ebenfalls, soweit möglich. Sie verwenden für Pannenreparaturen Fahrradschläuche der Firma Gaadi aus Mönchengladbach. Deren Schläuche lassen sich dank ihrer freien Enden ohne Radausbau montieren. Sie werden einfach zwischen Felge und Mantel geschoben.
Die zweithäufigste Pannenart bilden mit 9 Prozent Probleme an der Fahrradkette. In der Regel handelt es sich dabei um abgesprungene Ketten – nicht jeder Radfahrende fühlt sich sicher dabei, sie selbst wieder aufzulegen – und nicht jede*r will sich dies eingestehen. „Häufig war es so, dass Männer versucht haben, das selbst zu reparieren, wenn der Defekt beim Rad ihrer Partnerin auftrat“, sagt ein ADAC-Mitarbeiter. „Die sagten dann oft: ‚Das hätte ich mit dem richtigen Werkzeug jetzt aber auch geschafft‘“. Die übrigen Notrufe verteilten sich auf Bremse und Schaltung (je 3%), Elektrik und Schloss (je 2%) sowie sonstige Defekte und Probleme am Fahrrad.
Fahrrad-Pannenhilfe bundesweit ab Juni 2022
Wer mit dem Auto unterwegs ist, kennt die Pannenhilfe der Autoclubs schon lange. Für Fahrradfahrende dagegen ist der Gedanke, dass da ein Pannendienst existiert, ungewohnt und keineswegs gelernt: „Die allermeisten haben sich sehr gefreut und waren sehr glücklich, vor allem, weil sie im ersten Moment nicht mit der Hilfe gerechnet hatten“, sagt der ADAC-Mitarbeiter im Gespräch.
Diese und weitere Erkenntnisse ließ der ADAC nun in das bundesweite Programm für die Fahrrad-Pannenhilfe einfließen. Optimierungsbedarf gab es zum Beispiel beim Transport, wenn das Fahrrad nicht vor Ort repariert werden kann. Dann transportierte es der ADAC bisher mit einem Abschleppwagen ab. Auch gaben die Erkenntnisse der Pilotphase den Ausschlag, welche Ersatzteile in welcher Menge an Bord sein werden und an welchen Stellen „Gelbe Engel“ noch nachgeschult wurden.
Fahrrad-Pannenhilfe: Eine so schlichte wie naheliegende Idee, dass man sich fragt, ob noch kein Fahrradclub darauf gekommen ist? Doch. Seit 2016 bietet der ADFC seinen Mitgliedern bereits eine Pannenhilfe an. In der Bevölkerung verankert ist der Gedanke, in solchen Fällen Hilfe zu rufen, jedoch nicht. Ob sich das bald ändert? Der ADFC hat deutschlandweit rund 200.000 Mitglieder – der ADAC rund einhundertmal so viele.
Fazit:
Nicht nur die Autohersteller wollen Mobilitätsanbieter werden – offenbar gilt das auch für Autoclubs. Gut so. Eine funktionierende und allgemein bekannte Fahrrad-Pannenhilfe erhöht ganz praktisch die Zuverlässigkeit und Krisenfestigkeit des Radfahrens. Und hat das Potenzial, das Vertrauen ins Verkehrsmittel Fahrrad deutlich zu steigern. Je mehr und je größere Anbieter es gibt, umso besser.
Björn | @MobilityTalk
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