Bei der Elektro-Rallye E-Cannonball geht es ums Ankommen
Zum vierten Mal startet morgen die E-Cannonball – eine Elektroauto-Rallye. Statt von der US-West- zur Ostküste geht es 2021 von Berlin nach München.
Cannonball bedeutet auf Deutsch Kanonenkugel. Die gleichnamige Rallye aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfte Enthusiasten schneller Autos ein Begriff sein. In den USA treten jedes Jahr Rennsport-Boliden auf öffentlichen Straßen gegeneinander an. Mit einem ganz klassischen sportlichen Ziel: Sie fahren bei A los, und wollen vor allen anderen bei B ankommen.
Deutschland ist in den USA eher als Land der unbegrenzten Autobahn bekannt. Hier startete am Samstag eine Veranstaltung, die genau diese unbegrenzte Möglichkeit nicht braucht: Die „E-Cannonball“. V8-Geknatter und Benzingeruch liegen hier nicht in der Luft – es ist eine Rallye für Elektroautos. Mit anarchischen Regeln: Die Route und die Ladestopps können die Teams frei wählen. Nur Start und Ziel stehen fest. Die Teilnehmer fahren vom Berliner Vorort Mahlow ins rund 600 Kilometer entfernte München.
Unter den Teilnehmern befindet sich ein Team der Hochschule Bochum. Mit Reichweite kennen sie sich aus, 2012 sind sie mit ihrem Solarauto „SolarWorld GT“ bereits einmal um den ganzen Erdball gefahren. Die nur 600 Rallye-Kilometer bilden da im Vergleich ein eher bescheidenes Vorhaben. 320 Kilogramm wiegt das Gefährt, das seit 2012 mehrere Updates erfuhr. Das Solarpanel gehört nicht dazu. Das bemerken die Fans, die sich das Auto anschauen, sofort. Es ist nicht mehr das neueste. Ein neues kostet aber eben auch 150.000 Euro.
Opel und Ford: Altes Blech, neuer Antrieb
Auffällig ist ein knallgelber Opel Manta. Das betagte Fahrzeug wirkt erstaunlich modern, denn es wurde von Opels Klassik-Abteilung zum Show-Elektroauto umgebaut. zurück. Darin steckt ein Elektromotor mit 148 PS und 225 Newtonmeter Drehmoment. Für ein Elektroauto ungewöhnlich: Zwischen Motor und Achse sitzt ein Viergang-Schaltgetriebe. Die Basis des Einzelstücks ist ein Opel Manta A aus den 1970ern. Opel zählt neben dem chinesischen Elektroautobauer Aiways zu den wenigen Autoherstellern, die an der Rallye teilnehmen.
Dieses Jahr nehmen auch wieder Mathieu Rech mit Sohn Pax teil. Mit ihrem Elektroauto-Umbau eines Ford Mustang Baujahr 1966 belegten sie im vergangenen Jahr den ersten Platz. Beim Umbau half der YouTuber und Elektroauto-Spezialist Ove Kröger. Mit Blick auf den knallgelben, vom Hersteller umgebauten Manta lässt Mathieu mit verschmitzem Grinsen durchblicken: „Man munkelt, dass in beiden Fahrzeuge der gleiche Motor eingebaut ist.“ Aus den ersten Testfahrten resultierende Tipps möchte er der Konkurrenz aus Rüsselsheim nicht geben. Einen Anfängerfehler verrät der Elektrorallye-Veteran dann doch noch: „Die meisten machen den Fehler, auf den ersten Kilometern zu schnell zu fahren.“ 120 km/h sei schon zu viel, sagt Mathieu.
Strafpunkte für Mehr-Kilometer
Schnell muss man auf der E-Cannonball nun wirklich nicht sein, dafür belohnt das Reglement niemanden. Ankommen ist wichtiger. Damit es am Ende trotzdem ein Gewinner-Team gibt, haben sich die Organisatoren ein Punktesystem ausgedacht. Es funktioniert ähnlich wie bei Kraftfahrt-Bundesamt über Strafpunkte. Wer die wenigsten Punkte kassiert, hat gewonnen. So erhalten die Teilnehmer etwa einen Punkt für jeden gefahrenen Kilometer. Wer die besten Abkürzungen kennt, kann hier schon einmal sparen.
Jeder Ladestopp kostet zusätzliche Punkte. Man kommt also besser mit einer Ladung möglichst weit – das bedeutet vor allem, nicht zu schnell zu fahren. Weitere Minuspunkte vermeiden die Teams über einen möglichst niedrigen Durchschnittsverbrauch. Schließlich soll die Elektroauto-Rallye ja etwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Wer 20 Kilowattstunden auf 100 Kilometern verbraucht, bekommt dies eins zu eins gutgeschrieben, 20 Punkte also.
Aber: Ganz so ernst nimmt das alles hier niemand. Im Starterfeld befinden sich Teams mit Spaß-Namen wie Wattn Glück, Zellengenossen, Die E-nthusiasten, HandWashOnly, Tronity – Rotkäppchen & die Datenzwerge, oder die enercab Selbsthilf E-Gruppe. An Automodellen findet sich alles, was der Elektroauto-Markt hergibt. Von Renault Zoe und VW ID.3 über Hyundai Ioniq bis zu Ford Mustang Mach-E und Porsche Taycan Turbo S. Allerdings: Wer den Tross auf dem Weg nach München sehen will, hat es vermutlich schwer. Schließlich darf jeder da fahren, wo er möchte.
Bochumer Solarauto räumt in der Hero-Gruppe ab
In der „Hero-Gruppe“, zu der neben dem Mustang, dem Solar-Auto unter anderem auch ein zum E-Auto umgebauter T2 Bulli gehören, gewann das „BOSolar Car“ der Hochschule Bochum. Matthieu und Pax (579 Punkte) konnten demnach im Ford Mustang ihren Titel aus dem Vorjahr nicht verteidigen und landeten auf dem zweiten Platz. Der VW T2-Umbau belegte den dritten Platz mit 600 Punkten. Am effizientesten waren laut Punkteauszählung die Bochumer Studenten mit ihrem solar-betriebenen Eigenbau unterwegs, mit einer Punktzahl von 546 Punkten.
Hier sind die Erst-, Zweit-, und Drittplatzierten aus den weiteren Gruppen:
Gruppe 1
Platz | Team | Fahrzeug | Punkte |
1 | Nordlichter | Polestar 2 | 771 |
2 | Cat with a Dog | Jaguar I-Pace | 774 |
3 | Berlin Brandenburg Electric | Ioniq 5 LR RWD | 800 |
Gruppe 2
Platz | Team | Fahrzeug | Punkte |
1 | EQ Travel | Mercedes EQB 350 4Matic | 786 |
2 | Store + Charge | Kia e-Niro | 804 |
3 | Fear the ID | VW ID.4 First | 807 |
Gruppe 3
Platz | Team | Fahrzeug | Punkte |
1 | Gewaltig Nachhaltig | Renault ZOE R110 | 659 |
2 | Stefan 2 | Hyundai Ioniq 31 kWh | 662 |
3 | Electric Brothers | Hyundai Ioniq 31 kWh | 666 |
Fazit:
Braucht die Welt Elektro-Rallyes? Eher nicht. Dass Elektroautos mit passender Infrastruktur auch weite Strecken schaffen, ist so neu nicht mehr. Die Verknüpfung von Spaß und Strom darf aber ruhig in mehr Köpfen ankommen.
Dennis | @MobilityTalk
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