Elektro-Umbau für olle Trekker

Was sich mit einem Verbrenner bewegt, kann elektrisch werden: Die Firma Electrified Classics rüstet Boote, Autos und Traktoren auf Strom um.
Constantin Bergander
Constantin Bergander
Holder A12 mit Elektro-Umbau im Sonnenaufgang
Dieser Holder A12 fährt jetzt mit Strom. Die Nachbarn des Besitzers danken es ihm [Bildquelle: Electrified Classics]

Oldtimer mit Elektroantrieb? Alter Hut: Mehrere Betriebe haben sich auf den Umbau klassischer Fahrzeugmodelle zum Elektroauto spezialisiert. Mittlerweile gibt es für das Entstinken sogar Werksunterstützung. Bei solchen Projekten geht es bisher aber stets um Autos. Eine Firma aus dem bayerischen Valley möchte sich um die anderen Verbrenner kümmern.

Neu mit dabei: elektrische Traktoren. Electrified Classics hat die deutschlandweit ersten Trekker mit einer Zulassung als Elektrofahrzeug gebaut. In Dezember 2021 und Februar 2022 erhielten ein Schmotzer Rekord (Baujahr: 1962) und ein Holder A12 (Baujahr: 1966) ihre E-Kennzeichen. Was in diesen Maschinen steckt, passt in viele andere Traktoren.

Elektrischer Schmotzer Rekord mit Musik statt Lärm

Electrified Classics hat seinen Ursprung auf dem Wasser. Strenge Abgasgrenzwerte für Boote auf Binnenseen veranlasste die Gründer Achim Schöffel und Andreas Greifelt dazu, in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für elektrische Antriebstechnik und Aktorik München (FEAAM) passende Elektromotoren zu konstruieren. Sie lassen Motorboote leise übers Wasser säuseln.

Diese Systeme arbeiten je nach Leistung mit einer Spannung von 48 oder 96 Volt. Je nach Anspruch und Verwendungszweck bietet Electrified Classics fertige Systeme mit Leistungen von 11 bis 150 kW und mit Akkugrößen von 15 bis 120 kWh an. Die passen nicht nur in Boote: Sie treiben bereits einen Pkw an – und eben zwei Landmaschinen. Auf die Idee mit dem Elektro-Trekker kam Peter Häußler, Traktor-Sammler und Besitzer des Schmotzer. Den benutzt er nicht als Arbeitsgerät, sondern für den Spaß. Er hat ein Sofa und eine Musikanlage installiert.

Von dieser Musik kam vor dem Umbau wegen des laut stampfenden Verbrenners nichts bei den Passagieren an. In seinem Schmotzer steckt deshalb jetzt kein Dieselmotor mehr, sondern ein kleines Elektrosystem mit 31,2 kWh Akkukapazität und 15 kW Motorleistung. Damit könnte der Zweitonner 37 km/h schnell fahren – wenn das erlaubt wäre. Stattdessen regelt der Anbieter bei 25 km/h ab. Und ermöglicht bei einem Verbrauch von etwas weniger als 30 kWh pro Stunde drei bis fünf Stunden Fahrzeit. Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er nach vier Sekunden.

Schmotzer Rekord mit Elektro-Umbau
Dieser Schmotzer Rekord muss nicht mehr arbeiten. Aber für den Spaß war sein Diesel zu laut. Jetzt fährt er mit Strom [Bildquelle: Electrified Classics]

Arbeitstier: Holder A12 mit Elektro-Umbau als Schneeschieber

Bei den Elektro-Traktoren geht es aber nicht nur um Hobby und Spielerei. Das beweist der zweite Umbau: Dem grünen Holder genügen 8 kW Motorleistung und 10,5 kWh Akkukapazität. Er wiegt kaum mehr als 800 Kilogramm und verbraucht rund 20 kWh pro 100 Kilometer, also so viel wie ein zügig bewegter kompakter Elektro-Pkw. Aber er lädt deutlich langsamer. Nicht, weil es nicht anders geht – Ladegeräte mit 11 oder 22 kW lassen sich problemlos installieren. Bei dem verbauten Akku ist das einfach nicht nötig. Über Nacht lädt er an der Schuko-Steckdose locker voll.

In seinem Arbeitsalltag schiebt der Holder Schnee oder transportiert Holz. Das funktioniert zwar problemlos mit dem alten Diesel – allerdings sind die Nachbarn des Besitzers genervt, wenn sich das antike Arbeitstier auf Drehzahl hustet, bevor der erste Hahn kräht. Der Einzylinder-Zweitakter fliegt deshalb aus dem Traktor. Ihn ersetzt jetzt ein Elektromotor. Der arbeite genauso problemlos und zuverlässig wie das Original, verspricht Gründer Andreas Greifelt im Gespräch mit mobility.talk.

Nach dem Umbau steckt die neue Elektrotechnik dort, wo der Verbrenner Platz macht. Die Systeme unterscheiden sich deutlich von dem, was in modernen Elektroautos steckt. Electrified Classics verzichtet bewusst auf Hochvoltsysteme mit 400 oder 800 Volt Spannung. „Aus Sicherheitsgründen“, erklärt Greifelt. „Mit 48 Volt kann jeder Retter umgehen. Und man kann zur Not selbst daran schrauben.“ Dafür nehmen die Hersteller hohe Kabelquerschnitte in Kauf. Damit das Gewicht niedrig bleibt, setzen sie auf Aluminium.

Schmotzer Rekord und Holder A12 mit Elektro-Umbau
Die ersten Traktoren mit Elektro-Kennzeichen in Deutschland: Die Landmaschinen tauschen Diesel gegen Strom [Bildquelle: Electrified Classics]

Internationales Interesse an Elektro-Umbauten

Der Großteil des Geschäfts machen bei Electrified Classics die Boote aus. Aber die Firma verzeichnet einen Anstieg der Anfragen für Traktoren – besonders für die Typen, die bereits ein E-Kennzeichen tragen. Das Material für die Umrüstung kostet je nach Spezifikation mindestens 15.000 Euro. Hinzu kommen die Arbeitskosten. Für die Summe gibt es bereits fertige Elektro-Pkw. Aber das sind dann keine Einzelanfertigungen. Und für den Acker sind sie erst recht nicht gemacht.

Die Idee der elektrisch angetriebenen Traktoren findet in Zeiten teurer Kraftstoffe international Anklang. Greifelt deutet an, dass aus mehreren Ländern konkrete Anfragen zu den Umrüstsets kommen. Möglicherweise starte deshalb bald eine Kleinserienproduktion.

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