So weit kommen Elektroautos im Winter

Endgegner Minusgrade: Der Winter geht bei Elektroautos auf die Reichweite. Wie viel im echten Leben übrig bleibt, haben norwegische Experten getestet. Die Ergebnisse von 2022 und 2023.

Constantin Bergander
Constantin Bergander
Skoda Enyqa dynamisch
Der Skoda Enyaq schlägt sich im norwegischen Wintertest mit Allradantrieb gut, mit Heckantrieb patzt er [Bildquelle: Skoda]

In der Regel stimmt das, was drauf steht: Viele Elektroautos schaffen ihre angegebene Reichweite im Alltag. Das gilt allerdings nicht pauschal. Denn was in der Stadt oder im Umland bei warmen Temperaturen klappt, funktioniert nicht bei hohem Tempo auf der Autobahn. Und schon gar nicht im Winter. Denn unterhalb von 10° Celsius Außentemperatur sinkt die Reichweite der meisten Stromer spürbar. Der Grund: Sie müssen ihren Akku und den Innenraum auf Wohlfühltemperatur heizen. Dafür verwenden sie Energie, die eigentlich fürs Vorankommen gedacht ist.

Wie viel Energie verloren geht, hat das norwegische Magazin Motor.no in Zusammenarbeit mit dem Autoclub NAF getestet. Für den Vergleich schaffen die Experten möglichst ähnliche Bedingungen: Die Autos starten mit vollen Akkus in einer beheizten Garage (Innentemperatur 10 bis 15° C) in Norwegens Hauptstadt Oslo. Von dort aus fahren sie bei Temperaturen zwischen 0 und -10° C auf Landstraßen in Richtung Norden, um dort den Rondane Nasjionalpark zu umrunden. Bei leerem Akku kümmert sich der Autoclub um den Rücktransport.

So weit fahren Elektroautos im Winter

Wie zu erwarten, weichen die Ergebnisse aller getesteten Fahrzeuge von den Norm-Reichweiten ab. Keines schafft seine angegebene Strecke. Der prozentuale Sieger im Jahr 2022 heißt BYD Tang: Die rein elektrische Variante des chinesischen SUV büßt in der Kälte nur 11 Prozent ihrer Reichweite ein. Das genügt auf dem Papier für einen Vorsprung vor Teslas Model Y (11,05 Prozent Defizit). Die Tester merken an, dass beim Tesla Topografie und Wetter das Ergebnis eventuell verzerren: Er hatte zum Ende der Fahrt mit Steigungen und besonders niedrigen Temperaturen zu kämpfen. Auf Platz drei landet der Porsche Taycan Cross Turismo mit einer Abweichung von 11,84 Prozent. Bei der Neuauflage des Tests im Jahr 2023 liefert das chinesische SUV Maxus Euniq6 mit 10,45 Prozent Abweichung ein besonders kleines Kälte-Defizit.

Die größte Abweichung zwischen Norm und Winter stellen die Norweger während des 2022er Tests beim Skoda Enyaq iV80 fest. Das elektrische Kompakt-SUV verfehlt sein Ziel um 31,83 Prozent. Kurios: Die Allrad-Version Enyaq iV80X mit zwei Motoren wich nur um 15,51 Prozent ab. Einen Grund für das Ergebnis finden die Experten nicht. Ebenfalls weit neben der Norm fahren Peugeot e-2008 (Minus 28,75 Prozent) und Polestar 2 LR (Minus 28,57 Prozent). 2023 verfehlt Toyota mit dem BZ4X das Reichweitenziel im Winter um fast 36 Prozent.

Beim Thema Reichweite führt Tesla das Feld an. Die Long-Range-Version des Model 3 schafft 2022 im Test immerhin 521 von 614 angegebenen Kilometern. Das Model S fährt ein Jahr später 530 von 634 Norm-Kilometern Weiter fährt keiner, nicht einmal Mercedes‘ Elektro-Limousine EQS 580 4Matic. Sie rollt nach 513 Kilometern aus. Der BMW iX XDrive50 schafft ebenfalls eine Distanz von mehr als 500 Kilometern bei Minusgraden: Sein Akku gibt nach 503 Kilometern auf.

Elektroauto-Reichweiten im Winter: Die Testergebnisse im Überblick

ModellWLTP-WerteGemessene ReichweiteAbweichungGetestet im Jahr
Tesla Model S Standard Range634 km / 17,5 kWh530 km-16,40 %2023
Tesla Model 3 LR614 km / 14,7 kWh521 km-15,15 %2022
Mercedes-Benz EQS 580 4matic645 km / 18,3 kWh513 km-20,47 %2022
BMW iX xDrive50591 km / 21,4 kWh503 km-14,89 %2022
Tesla Model Y LR507 km / 16,9 kWh451 km-11,05 %2022
Tesla Model X Plaid543 km / 20,8 kWh444 km-18,23 %2023
Volkswagen ID.3 PRO S539 km / 16,3 kWh435 km-19,29 %2022
BMW i4 eDrive40565 km / 16,3 kWh434 km-23,19 %2023
Nio ET7580 km / 19,3 kWh434 km-23,19 %2023
Kia EV6 2WD528 km / 16,5 kWh429 km-18,75 %2022
NIO ES8 LR 7-Sitzer488 km / 21,5 kWh425 km-12,91 %2022
BMW i7 xDrive60595 km / 18,4 kWh424 km-28,74 %2023
Kia EV6 4WD484 km / 18,0 kWh423 km-12,60 %2022
Volkswagen ID.4 Pro485 km / 18,4 kWh414 km-14,64 %2022
Mercedes EQE 300614 km / 16,3 kWh409 km-33,39 %2023
Hyundai Ioniq 5 2WD481 km / 16,8 kWh408 km-15,18 %2022
BMW i4 M50497 km / 19,0 kWh406 km-18,31 %2022
Skoda Enyaq iV80X477 km / 18,2 kWh403 km-15,51 %2022
Porsche Taycan 4 Cross Turismo456 km / 22,4 kWh402 km-11,84 %2022
Polestar 2 LR517 km / 18,6 kWh400 km-22,63 %2022
Nissan Ariya 2WD533 km / 18,1 kWh400 km-24,95 %2023
Audi e-tron GT463 km / 21,1 kWh392 km-15,33 %2022
Voyah Free501 km / – kWh391 km-21,96 %2023
XPeng P7470 km / 19,4 kWh383 km-18,51 %2022
Audi e-tron Q4 40485 km / 18,6 kWh380 km-21,65 %2022
Hyundai Ioniq 5 4WD460 km / 17,7 kWh369 km-19,78 %2022
BYD Tang400 km / 21,6 kWh356 km-11,00 %2022
Volkswagen ID.4 GTX466 km / 18,6 kWh353 km-24,20 %2022
MG ZS LR440 km / 17,8 kWh352 km-20,00 %2023
Audi e-tron Q4 50 Quattro459 km / 19,1 kWh349 km-23,97 %2022
Kia EV6 GT424 km / 21,9 kWh349 km-17,69 %2023
Skoda Enyaq iV80509 km / 17,7 kWh347 km-31,83 %2022
Tesla Model 3 SR448 km / 14,0 kWh346 km-22,87 %2022
Hyundai Ioniq5 4WD454 km / 17,9 kWh345 km-24,01 %2023
Kia Niro EV460 km / 16,2 kWh343 km-25,43 %2023
Polestar 2 LR476 km / 20,2 kWh340 km-28,57 %2022
Cupra Born395 km / 15,4 kWh339 km-14,18 %2022
MG4425 km / 16,6 kWh338 km-20,47 %2023
Tesla Model Y 2WD455 km / 15,7 kWh337 km-25,93 %2022
BMW iX1428 km / 16,8 kWh337 km-21,26 %2023
Mercedes EQB 250452 km / 16,3 kWh334 km-26,11 %2023
Volvo C40 Recharge437 km / 21,1 kWh333 km-23,80%2022
Mercedes-Benz EQA 250401 km / 17,7 kWh331 km-17,46 %2022
JAC e-JS4433 km / 18,0 kWh323 km-25,40 %2023
Renault Mégane E-Tech428 km / 16,1 kWh318 km-25,70 %2023
Maxus Euniq6354 km / – kWh317 km-10,45 %2023
BMW iX xDrive40402 km / 20,7 kWh316 km-21,39 %2022
Mercedes-Benz EQB 350 4matic407 km / 18,1 kWh315 km-22,60 %2022
MG5380 km / 17,9 kWh313 km-17,63 %2023
BYD Atto 3420 km / 16,0 kWh311 km-25,95 %2023
VW ID. Buzz408 km / 20,6 kWh310 km-24,02 %2023
MG Marvel R370 km / 20,9 kWh308 km-16,76 %2023
Hongqi E-HS9465 km / – kWh303 km-34,84 %2023
Opel Mokka-e338 km / 16,2 kWh263 km-22,19 %2022
Peugeot e-2008320 km / 15,6 kWh228 km-28,75 %2022

Quelle: motor.no

Anmerkung der Tester: Der Opel Mokka-e startete die Fahrt direkt nach dem Beenden des Ladevorganges. Das könnte ihm einen Vorteil gegenüber den Kontrahenten verschafft haben, weil sein Akku bereits temperiert war.

Das bedeuten die Testergebnisse für Deutschland

Die Ergebnisse des Tests zeigen gut, wie effizient Hersteller ihre Fahrzeuge heizen und wie gut ihre Akkuzellen mit eisigen Temperaturen umgehen. Zudem zeigen sie, dass technisch ähnliche Modelle unterschiedlich weit fahren. Die absoluten Zahlen lassen sich nicht auf den deutschen Straßenverkehr übertragen. In Norwegen gilt auf Landstraßen ein Tempolimit von 80 km/h. Auf Autobahnen sind maximal 100 km/h erlaubt. Wer sich in Deutschland in den fließenden Verkehr einordnet, fährt in der Regel schneller und im dichteren Verkehr. Das erhöht den Stromverbrauch und drückt die Reichweite. Zum Ausgleich ist es hierzulande selten so kalt wie in Norwegen.

Verbrenner machen ihre Sache übrigens nicht besser. Auch sie verbrauchen im Winter mehr Kraftstoff. Zum einen, weil sie in der längeren Warmlaufphase mehr davon einspritzen. Zum anderen, weil elektrische Verbraucher, zum Beispiel die Sitzheizung, ebenfalls den Verbrauch erhöhen.100 Wattstunden bedeuten ungefähr 0,1 Liter Mehrverbrauch pro 100 Kilometer. Bei einem älteren Auto entspricht das ungefähr einer Stunde Fahrt mit angeschalteten Nebelscheinwerfern. Oder zehn Minuten lang die Frontscheibenheizung aktivieren. All das summiert sich auf Werte, die erfahrungsgemäß denen von Elektroautos stark ähneln.

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