Wasserstoff-Autos: Technik, Modelle, Tankstellen
Der Kompromiss aus Elektroauto und Verbrenner: Wasserstoff-Autos tanken in wenigen Minuten und fahren lokal emissionsfrei. So funktionieren sie.
Auf den ersten Blick wirkt Wasserstoff wie die ideale Lösung für die meisten Mobilitätsprobleme. Wasserstoffautos stoßen kein CO2 aus, nehmen schnell neuen Kraftstoff auf und können liebgewonnene Verbrenner-Charakteristiken bieten, wenn sie entsprechende Technik an Bord haben. Warum scheitert die Umsetzung also bisher? Um das zu verstehen, muss man die Technik von Wassserstoff-Autos kennen. Wir erklären, wie sie funktionieren, was sie können und warum sich die Technik bisher nicht durchsetzt.
So funktioniert das Wasserstoff-Auto
Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein Auto mit Wasserstoff zu betreiben. Im Pkw-Bereich kommen zwei Varianten infrage. Zum einen die Brennstoffzelle – ein Gerät, das mit Wasserstoff Strom erzeugt. Das Brennstoffzellenauto selbst fährt rein elektrisch. Zum anderen der Wasserstoffverbrenner – ein Verbrennungsmotor, der Wasserstoff statt Benzin verarbeitet.
Brennstoffzellenautos: Funktionsweise
Im kleinen Segment der Wasserstoffautos sind derzeit (Stand: November 2021) nur Fahrzeuge mit Brennstoffzelle unterwegs. Technisch handelt es sich um Elektroautos. Statt eines großen Akkus verfügen sie über einen anderen Kraftstoffspeicher: Die Energie befindet sich im Wasserstoff, gelagert in einem stabilen Tank. Eine Brennstoffzelle erzeugt aus dem Wasserstoff Strom. Und eine kleine Batterie puffert den Strom, falls der Fahrer mehr Energie abruft, als die Brennstoffzelle herstellen kann.
Ein elementarer Bestandteil der Brennstoffzelle ist die sogenannte Polymer-Elektrolyt-Membran. Klingt kompliziert, lässt sich aber einfach erklären: Sie trennt den Wasserstoff vom Luftsauerstoff. Dabei funktioniert sie ungefähr wie ein Sieb mit winzigen Löchern. Bildlich gesprochen ist sie so feinmaschig, dass nicht einmal Wasserstoffmoleküle auf die andere Seite gelangen können. Chemisch haben sie das Bestreben, genau das zu tun, denn sie wollen mit dem dort befindlichen Sauerstoff reagieren. Dafür trennen sich die Moleküle von ihren Elektronen, werden damit zu Wasserstoffionen und schlüpfen durch die Membran.
Die Elektronen können die Membran nicht überwinden und müssen sich einen anderen Weg suchen. Sie wandern von einer dafür installierten Anode zur Kathode auf der anderen Membranseite. An dieser Stelle entsteht der Strom. Der kann nun direkt den Elektromotor versorgen oder zeitweise in der Batterie lagern. Einziges Abfallprodukt dieser Reaktion: Wasser.
Brennstoffzellenautos werden bereits in Serie produziert, aber nur in winzigen Stückzahlen. Aktuell bieten nur zwei Hersteller Brennstoffzellenautos regulär zum Kauf an. Auf dem Markt erhältlich sind:
- Toyota Mirai (zweite Generation)
- Hyundai Nexo
Mercedes testete eine B-Klasse mit Brennstoffzellenantrieb mit Kund*innen vor allem in Kalifornien, stoppte aber das Projekt. BMW will Ende 2022 den iX5 Hydrogen auf die Straße bringen. Audi investierte in Prototypen, setzt jetzt aber lieber auf Elektro. Das Segment bleibt dünn besetzt. Gründe dafür sind unter anderem die Preise für Brennstoffzellen und die daraus resultierenden Fahrzeugkosten, der Platzbedarf der Technik im Auto und ihre Effizienz.
Wasserstoffverbrenner: Funktionsweise
Eine günstige Alternative zur Brennstoffzelle könnte der Wasserstoffverbrenner sein. Er war ungefähr ein Jahrzehnt lang der Star der emissionsfreien Verbrennung: BMW rüstete den 7er mit Zwölfzylinder auf Wasserstoff um und ließ eine Kleinserie medienwirksam auftreten. Mazda trieb den Wankelmotor des RX-8 mit Wasserstoff an. Beide Versuche endeten bisher ohne Erfolg.
Dabei klingt die Idee dahinter so genial wie simpel. Bei Wasserstoffverbrennern handelt es sich im Prinzip um normale Benzinmotoren, die mit Modifikationen Wasserstoff als Kraftstoff akzeptieren. Beim Verbrennungsvorgang passiert das, was wir aus dem Chemieunterricht als Knallgasprobe kennen: Wasserstoff und Sauerstoff plus Zündfunken ergeben eine hörbare Explosion – und, richtig dosiert, genug Druck, um einen Kolben nach unten zu schleudern. Wichtiger psychologischer Nebeneffekt: Die Wasserstoffmobilität muss nicht still sein, sie kann kernig klingen.
Bald könnte eine Neuauflage dieser Technik starten. Medienberichten zufolge will Toyota seine Kompaktmodelle Corolla und Prius in der nächsten Generation mit Wasserstoffverbrennern ausrüsten. Toyota könnte so bereits weitgehend verfügbare Technik nutzen und die teure Brennstoffzelle umgehen. Gelingt es, wird der Kraftstoff für das preissensible Kompaktsegment interessant. Dennoch bleiben Nachteile. Die haben vor allem mit dem Kraftstoff selbst zu tun.
Wasserstoff: Herstellung, Transport und Lagerung
Denn Wasserstoff kommt einzeln in der Natur nicht vor. Er ist stets Teil von etwas – zum Beispiel von Wasser. Das bedeutet, dass Wasserstoff stets erzeugt werden muss. Dafür gibt es verschiedene Wege. Einige von ihnen erzeugen CO2, sind also einer umweltfreundliche Mobilität nicht förderlich. Dennoch wird der Großteil des Wasserstoffs weltweit so gewonnen. Es gibt allerdings auch CO2-neutrale Alternativen.
Grüner Wasserstoff
Dazu gehört der sogenannte Grüne Wasserstoff. Er entsteht durch Elektrolyse. Die Kurzfassung: Wasser wird unter Strom gesetzt und spaltet sich dabei in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff auf. Stammt der Strom aus erneuerbaren Energien, entsteht bei der Produktion kein CO2. Der Vorgang hat jedoch nur einen Wirkungsgrad von 60 bis 70 Prozent. Bedeutet: Der gewonnene Wasserstoff verfügt nur über rund zwei Drittel der eingesetzten Energie.
Eine neue Art der Produktion von Grünem Wasserstoff stammt von der TU Graz. Dort haben Forschende ein Verfahren entwickelt, das mit Hilfe von Methan aus Schweinegülle und Getreideresten sowie Eisenerz Wasserstoff herstellt. Wie genau das funktioniert, haben wir hier detailliert aufgeschrieben. Gut: Der Wirkungsgrad liegt bei 75 Prozent, also deutlich höher. CO2 wird nicht freigesetzt.
Grauer Wasserstoff
Die wirtschaftlichste Art der Wasserstoffherstellung – aber auch die schädlichste. Denn Grauer Wasserstoff entsteht bei der Reaktion von Methan und Wasserdampf. Üblicherweise stammt das Methan aus Erdgas, einem fossilen Brennstoff. Bei der Reaktion wird CO2 frei und entweicht in die Umgebungsluft – genau das, was durch das Wasserstoffauto vermieden werden soll.
Ein leicht abgewandelter Prozess sammelt und speichert das entweichende CO2. Weil es nicht in die Umgebungsluft gelangt, suggeriert die Bezeichnung Blauer Wasserstoff eine gute Umweltverträglichkeit. Tatsächlich ist das aber Augenwischerei.
Türkiser Wasserstoff
Etwas besser gerät die Bilanz beim Türkisen Wasserstoff: Hier entsteht bei der Verarbeitung von Methan kein CO2, sondern fester Kohlenstoff. Der beeinflusst das Klima nicht, der Prozess geht also als umweltfreundlicher durch.
Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland
Ist der Wasserstoff hergestellt, muss er im Auto gespeichert werden. Das funktioniert ähnlich wie beim Verbrenner: An speziellen Zapfsäulen können Wasserstoffautos ihren Kraftstoff tanken. Allerdings gibt es deutschlandweit nur ein geringes Angebot. Nach Angaben von statista.com bieten in Deutschland im Jahr 2021 92 Tankstellen Wasserstoff an. Im Vorjahr waren es 87 Tankstellen. Nicht alle sind jederzeit öffentlich zugänglich oder halten durchgängig Wasserstoff vor. Hinzu kommt: Die Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland verteilen sich vor allem auf mittelgroße und große Städte. Im Ruhrgebiet, Rhein-Main-Gebiet, München, Dresden, Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover und Rostock ist der Kraftstoff verfügbar. Außerdem existieren Wasserstoff-Tankstellen an wichtigen Verbindungsstrecken. Damit eignen sich Wasserstoffautos für längere Strecken. Trotzdem sollten die Touren gut geplant sein. So komfortabel wie mit fossilen Brennstoffen (14.459 Tankstellen in Deutschland) fährt es sich mit Wasserstoff nicht.
Die Speicherung von Wasserstoff
Wasserstofftanks hatten lange einen schlechten Ruf. Der Kraftstoff diffundierte durch den Tank, er verflüchtigte sich mit der Zeit, ähnlich wie bei einem undichten Benzintank. Mittlerweile gilt dieses Problem als gelöst.
Moderne Wasserstofftanks in Autos speichern den Wasserstoff mit einem Druck von 700 bis 800 bar. Auf diese Weise lassen sich mit überschaubaren Platzaufwand etwa fünf Kilogramm Wasserstoff in einem Pkw unterbringen. Daraus ergibt sich eine realistische Reichweite von etwa 400 bis 500 Kilometern.
Fazit:
In der Energiebilanz ist das Wasserstoffauto einem Elektroauto unterlegen: Bei der Herstellung des Treibstoffs und bei der Rückwandlung in Strom (oder Bewegungsenergie) geht Energie verloren. Der Komfortvorteil und das Vorhandensein der Technik könnten ihm dennoch eine Chance geben. Vorausgesetzt, der Preis für ein Kilo Wasserstoff bleibt langfristig unter der Zehn-Euro-Grenze und der Ausbau der Tankstellen geht schneller voran. Außerdem müssen Brennstoffzellen günstiger werden. Die verfügbaren Brennstoffzellenautos kosten derzeit rund 64.000 Euro (Toyota Mirai) bzw. 77.300 Euro (Hyundai Nexo).
Constantin | @MobilityTalk
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