Studie: E-Autos auf dem Land sparen bis zu 79 Prozent CO2
Auf dem Land geht nichts ohne eigenes Auto. Was aber, wenn es elektrisch fährt? Das CO2-Sparpotenzial wäre groß, sagt eine Studie. Am größten wäre es, wenn nicht zuhause geladen wird.
Es ist ein häufig gehörter Vorwurf gegenüber der Mobilitätswende: Sie betrifft meist nur Ballungsräume. Hier gibt es Alternativen zum Auto, etwa Sharing-Dienste und den öffentlichen Nahverkehr. Hier erreichen neue Mobilitätskonzepte genug Menschen, um im besten Fall wirtschaftlich arbeiten zu können. Im ländlichen Raum sieht die Sache anders aus, auch wenn dort fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung lebt. Wenig Nahverkehr, noch weniger Nutzende. Dafür viel Fläche, die überwunden werden will. Und viele Autos, die das ermöglichen. Mobilitätswende zwischen Anger und Scholle? Das ist eine „große Herausforderung“, wie auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) feststellt.
Weil das so ist, wird „das Auto noch etliche Jahre eine zentrale Funktion bei der Mobilität in ländlichen Räumen spielen“, glaubt die Naturschutz-Organisation. Aber: Die Elektromobilität könne dazu beitragen, die Emissionen des Verkehrs dort stark zu senken. Wie das funktionieren kann, hat eine Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag des NABU ermittelt. Erkenntnisziele: Wie viel CO2 lässt sich damit überhaupt einsparen, und: Wie stellt man das am besten an?
Gute Voraussetzungen: Eigene Garage, eigenes Dach
Grundsätzlich bieten ländliche und vorstädtische Siedlungen gute Voraussetzungen für die Nutzung elektrischer Fahrzeuge. Ein Großteil der Haushalte verfügt über einen eigenen Stellplatz, an dem sich eine Lademöglichkeit (Wallbox) installieren ließe. Ein Großteil der Haushalte könnte auch eine eigene Solaranlage auf dem Dach betreiben. Das passt laut Fraunhofer zum „typischen“ E-Auto-Fahrer: Der ist im Schnitt 35-59 Jahre alt, verheiratet mit Kindern und lebt in einem Ein- oder Zweifamilienhaus. Und: Er verdient meistens gut und bezieht Ökostrom. Je ländlicher er lebt, desto öfter trifft dieses Stereotyp zu, so die Studie.
Trotzdem kommt sie zu dem Schluss, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur in ländlichen Gebieten nicht vernachlässigt werden darf.
Schließlich pendeln die meisten Menschen von hier aus zur Arbeit, wo sie ebenso problemlos laden könnten wie daheim. Auch öffentliche Lademöglichkeiten seien darüber hinaus wichtig, allein schon für den in vielen Regionen wirtschaftlich bedeutenden Tagestourismus. Als wichtigen Bestandteil dieser Infrastruktur sehen die Forschenden erneuerbare Energien, da nur so ein maximaler Einspareffekt bei der Produktion von Klimagasen erreicht wird. Im Jahr 2020 nutzten rund 11 Prozent der Haushalte, die dafür in Frage kommen, Strom aus Photovoltaik.
Hier besteht also noch viel Potenzial, allerdings: Da das Stromaufkommen dieser Anlagen witterungs- und jahreszeitbedingt schwankt, und damit auch ihr Anteil am Strommix, spielt die Uhrzeit, zu der ein Elektroauto lädt, eine wichtige Rolle bei der Klimabilanz. Daher, so die Studie, wäre eine Nutzung von Elektroautos als Pufferspeicher sinnvoll. Stichwort: bidirektionales Laden. Schließlich werde sonst der energieintensivste Bestandteil eines Autos gleich zweimal benötigt: Einmal im Auto und einmal im Hausnetz. Ein weiterer Punkt: Das Stromnetz ist bisher auf die schwankende Leistung erneuerbarer Energien noch nicht umfänglich ausgelegt. Autos sollten also dann laden, wenn viel Strom vorhanden ist – bei der Nutzung von Solarstrom also tagsüber.
Am besten am Arbeitsplatz laden
So kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass sich im Schnitt mit Elektroautos die besten Klimaeffekte erreichen ließen, wenn im ländlichen Raum Wohnende ihr Elektroauto während der Arbeitszeit aufladen würden. Das bedeutet vor allem für die Arbeitgeber erhebliche zusätzliche Investitionen. Jedoch könnte dies, wäre der gesamte Fahrzeugbestand in Deutschland batterieelektrisch, wöchentliche CO2-Einsparungen zwischen 157.000 Tonnen und 215.000 Tonnen CO2-Äquivalent gegenüber dem Laden zuhause bringen.
An Tagen mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien im Netz gehen die Forschenden dabei von geringeren Effekten des Ladeorts und vor allem der Lade-Uhrzeit aus. Der Klimavorteil der Elektrifizierung privater Pkw insgesamt im ländlichen Raum scheint ebenfalls attraktiv.
Er liegt je nach zugrundeliegendem Strommix bei 69-79 Prozent im Vergleich zu Benzinern oder bei 66-76 Prozent im Vergleich zu Diesel-Pkw. Mit stetig grünerem Strommix ließe sich dieser Vorteil in Zukunft weiter steigern. Obwohl die meisten Elektroauto-Nutzenden nicht täglich laden müssten, empfehlen die Fraunhofer-Forschenden für eine maximale CO2-Effizienz tägliches Nachladen. Dies könne dazu beitragen, den negativen Effekt von Tagen mit niedrigerem Grünstrom-Anteil im Netz besser auszugleichen.
Empfehlung: Unternehmen sollen Ladepunkte schaffen
Unterm Strich bedeutet das: Das eigene Auto wird auf dem Land noch sehr lange das wichtigste Verkehrsmittel bleiben. Deshalb sieht das Fraunhofer-Institut in Elektroautos einen wichtigen Hebel, der die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Mobilität mit den Zielen des Klimaschutzes in Einklang bringen könnte. Wer auf dem Land lebt, hat meist Platz und Möglichkeiten, dort ein Elektroauto zu laden. Er könnte es sogar häufig mit selbst produziertem Ökostrom laden. Maximale Einspareffekte im Hinblick auf den Klimaschutz ergeben sich obendrein, wenn tagsüber mit einem hohen Anteil an Solarstrom geladen wird. Das wäre vor allem am Arbeitsplatz oder am Ausbildungsort möglich, wo das Auto tagsüber viele Stunden ungenutzt herumsteht. Dafür bräuchte es aber entsprechende Angebote, und die benötigen voraussichtlich staatliche Förderung.
Mit Blick auf die langfristige Zukunft, also die 2030er-Jahre, wird das jedoch nicht reichen. Um dann die Treibhausgas-Emissionen weiter zu senken, muss der Studie zufolge das Verhältnis zwischen hergestellten Fahrzeugen und ihrer Nutzungshäufigkeit besser werden. Daher seien auch im ländlichen Raum langfristig alternative Mobilitätskonzepte wie Linien-Taxis, Sharing oder On-Demand-Dienste sinnvoll. Dies ließe sich heute bereits anschieben – man sollte davon jedoch keinen kurzfristigen Effekt erwarten.
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