Studie: So kann die Schifffahrt nachhaltig werden
Fast jedes Frachtschiff fährt mit klimaschädlichem Schweröl. Ob eine Umrüstung auf alternative Kraftstoffe möglich ist, hat die ETH Zürich untersucht.
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss auch die Schifffahrt dekarbonisiert werden. Sie ist für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Forschende der ETH Zürich fanden in einer Studie heraus: Man könnte den internationalen Schiffsverkehr auf alternative Kraftstoffe umstellen – zum Preis von höheren Betriebskosten.
Welche Rolle die Schifffahrt für die weltweite Wirtschaft spielt, zeigten nicht zuletzt die Mehrkosten und Lieferengpässe des blockierten Suezkanals im März 2021. Die Weltwirtschaft ist auf die Kolosse angewiesen. Immerhin erreichen 72 Prozent des weltweiten Frachthandels ihre Destination über den Seeweg. Die restlichen 28 Prozent transportieren die Logistiker*innen auf der Straße, der Schiene und in der Luft.
In ihrer Studie untersuchten die Forschenden der ETH Zürich Massengutfrachter und Öltanker auf ihre Eignung für alternative Kraftstoffe. Konkret wurden Strom, Wasserstoff, Ammoniak, Flüssiggas, synthetisches Methanol und synthetischer Diesel als Optionen untersucht – basierend auf der Grundlage, dass alle alternativen Energieträger mit erneuerbarem Strom produziert wurden.
In die Betrachtung flossen die Energiedichte der einzelnen Kraftstoffe, der Strombedarf für deren Produktion und die Gesamtbetriebskosten, etwa für Lagerung, Transport und zusätzliche Infrastruktur ein.
Schifffahrt: Die alternativen Kraftstoffe im Vergleich
Einige wenige batteriebetriebene Schiffe existieren bereits. Doch der Strom wird in großen Batterien gespeichert. Ist sie leer, steht ein langer Ladevorgang an. Dabei ist Zeit neben dem Transportraum das höchste Gut der Logistikbranche. Deshalb finden batteriebetriebene Schiffe ihren Anwendungszweck zunächst nur im Fährbetrieb und in der Küstenschifffahrt – also auf kürzeren Distanzen.
Auch bei Wasserstoff sehen die Forschenden ein Reichweitenproblem für die Schifffahrt. Bei Reisen bis zu 10.000 Seemeilen, die etwa 84 Prozent aller Transporte ausmachen, liegt die Erreichungsrate bei Wasserstoff zwischen 58 und 81 Prozent. Es gibt also Strecken, die mit Wasserstoff nicht bewältigt werden können. Ammoniak, Methanol und Diesel kommen auf mehr als 93 Prozent Erreichungsrate.
Trotzdem sehen die Forschenden in Wasserstoff einen wichtigen maritimen Energieträger. So verweisen sie in ihrer Studie auf Erkenntnisse des International Council on Clean Transportation (ICCT). Der ICCT untersuchte die Eignung von Wasserstoff zum Antrieb von Containerschiffen im Korridor zwischen den Vereinigten Staaten und China. Demnach könnten die Reedereien auf dieser Strecke 99 Prozent aller Fahrten mit flüssigem Wasserstoff bewältigen – vorausgesetzt, in den Schiffen würden fünf Prozent des Laderaums zusätzlichem Treibstoff zugesprochen.
Die Favoriten: Ammoniak und Methanol
Synthetisch hergestelltem Diesel erteilen die Forschenden der ETH eine Abfuhr – es besitzt im Vergleich die höchsten Betriebskosten. Bleiben noch Ammoniak und Methan. Sie sind die Favoriten in der Studie. Ammoniak ist ein kohlenstofffreier Energieträger und im Vergleich zu Methan günstiger in der Produktion, weil der Aufwand zum Entnehmen von CO2 aus der Atmosphäre wegfällt. Nachteile von Ammoniak: Es ist giftig – was die Handhabung verkompliziert. Außerdem gibt es derzeit gar keine Schiffsmotoren, die mit Ammoniak fahren können.
Bei Methan sieht das etwas anders aus. Zwar fahren von den 95.000 Schiffen weltweit bislang nur rund ein Dutzend mit Methan – die Technologie ist aber zumindest am Markt. Methanol ist in der Herstellung teurer als Ammoniak, besitzt dafür aber eine höhere Energiedichte und ist somit effizienter.
200 bis 600 Prozent höhere Betriebskosten
Egal, ob man ein Schiff mit Methanol oder Ammoniak betankt – eines der Hauptprobleme sehen die Forschenden im zusätzlichen Platzbedarf der Stoffe. Da diese eine geringere Energiedichte als konventionelles Schweröl aufweisen, brauchen die alternativ-betriebenen Schiffe größere Tanks, um dieselbe Strecke zurückzulegen. Das wiederum geht zu Lasten der Transportleistung. Rund ein Fünftel weniger Waren könnten die Schiffe transportieren. Ersetzten die Reedereien jedoch drei Prozent ihres Frachtguts durch alternative Kraftstoffe, deckten sie immerhin noch 93 Prozent der Transportarbeit ab. Bei sechs Prozent Kraftstoff statt Ladung wäre die Transportleistung sogar nur um ein Prozent gemindert.
Die Forschenden der ETH Zürich schlagen daher modulare Systeme vor, um flexibel auf den Kraftstoffbedarf reagieren zu können. Zudem könnten zusätzliche Tankstopps den Platzbedarf der Treibstoffe weiter reduzieren.
Unter anderem die Anpassung der Schiffe, die Kraftstoff-Lagerung, die zusätzliche Infrastruktur und die Kosten für Elektrolyseure und Direct Air Capture-Einheiten lassen die Gesamtbetriebskosten steigen. „Die Gesamtbetriebskosten für Schiffe, die mit erneuerbaren E-Fuels betrieben werden, werden voraussichtlich etwa 2- bis 6-mal höher sein als die eines konventionellen Schiffs, das mit fossilen Brennstoffen betrieben wird“, schreiben die Autor*innen in ihrer Studie.
Ein weiterer Faktor ist der steigende Strombedarf. Ob nun Methan oder Ammoniak als alternativer Kraftstoff dient – um die Energieträger klimafreundlich herzustellen, braucht es viel Ökostrom. Laut des in der Studie analysierten Szenarios würde die Umstellung den europäischen Stromverbrauch zwischen vier und acht Prozent steigen lassen.
Schifffahrt: Neues mit Altbewährtem kombinieren
Die Studie der ETH Zürich konzentriert sich auf den Einsatz alternativer Kraftstoffe. Doch es gibt weitere Möglichkeiten den Schiffverkehr profitabler und umweltfreundlicher zu gestalten. Einige Konzepte greifen dabei auf die Anfänge der Schifffahrt – auf die Windkraft – zurück. So unterstützt beispielsweise ein 500 Quadratmeter großes Kite den Motorantrieb der 154 Meter lange Ville de Bordeaux. Der Kite setzt sich automatisch auf Knopfdruck und steigt auf rund 200 Meter Höhe auf – dort bläst der Wind stärker als direkt über dem Wasser. Die Ville de Bordeaux transportiert Teile für den Luftfahrtkonzern Airbus über den Atlantik. Derzeit befindet sich das Projekt noch in einer Testphase. Der endgültige Kite soll 1.000 Quadratmeter groß werden und rund 20 Prozent Treibstoff einsparen.
Michelin geht es klassischer an – sie entwickeln ein aufblasbares Segel. Den 100 Quadratmeter großen Prototyp brachten die Ingenieure für Tests unter Realbedingungen auf dem Containerschiff MN Pélican an. Das Schiff verkehrt zwischen Spanien und Großbritannien. Bei positiven Testergebnissen plant Michelin perspektivisch den Einsatz in der kommerziellen Schifffahrt.
Litfaßsäule an Deck
Die dänische Reederei Scandlines installierte 2020 auf dem Deck ihrer Fähre „Copenhagen“ ein 30 Meter hohes Rotorsegel. Das Rotorsegel sieht aus wie ein großer Zylinder und ist nicht starr befestig – es rotiert. Dafür sorgt ein kleiner Elektromotor. Trifft nun Wind auf den rotierenden Zylinder, wird er auf einer Seite des Zylinders beschleunigt und auf der anderen Seite des Zylinders verlangsamt. Aus dem Unterschied der Windgeschwindigkeiten entsteht ein Druckunterschied – ähnlich wie bei den Tragflächen eines Flugzeugs. Dieser Druckunterschied generiert eine Kraft senkrecht zum Wind, die das Schiff nach vorn zieht.
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