Hat das eigene Auto 2030 in der Stadt ausgedient?
VW lädt zum Expertentalk: Trendforscher, Mobilitäts-Blogger und Designer sprechen über die Zukunft der urbanen Mobilität – Das Ende des eigenen Autos scheint nah.
Volkswagen lädt zu Kaffee, Kuchen und Zukunft. Kaffee wird getrunken, Kuchen gegessen, über Zukunft wird diskutiert. Unter besorgniserregenden Vorzeichen: „Hat das eigene Auto 2030 in der Stadt ausgedient?“ steht in großen Buchstaben über der Bühne in der Berliner Dependance von VW, dem „Drive“. Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Mobilität sind geladen. Moderatorin Tania Higgins verliest zu Anfang eine Prognose, nach der im Jahr 2030 etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Rund 700 Millionen mehr Menschen als heute. Als wäre es nicht schon eng genug.
Der Verteilungskampf um den wertvollen Raum in den Städten ist längst entbrannt. Fahrradverbände bringen ihn über Volksbegehren in die Landesparlamente. Fridays for Future bringt ihn regelmäßig mit Tausenden Jugendlichen auf die Straße. Das horchende Publikum im Drive ist im Durchschnitt etwas älter, eher 55-plus. Ein gutes Zeichen: Dass der Wandel Herausforderungen mit sich bringt, erkennen eben alle Altersgruppen.
Die adaptive Evolution des Autos
Vor allem für das Auto wird es künftig schwer im urbanen Raum. Da sind sich die Panel-Gäste einig. Peter Wouda, Design-Director der Volkswagen Group Future Center Europe, rechnet vor: 1,3 Millionen Pkw gibt es Berlin. Jedes davon verbraucht beim Parken etwa 12 m² Raum. Damit seien rund 80 Prozent der ebenen Fläche der Hauptstadt für das Auto reserviert. Also muss die Anzahl der Fahrzeuge sinken. Nicht auf Null, aber auf die „notwendige“ Anzahl.
Der Trendforscher und Publizist Matthias Horx geht einen Schritt weiter: „Wir hatten eine 50 Jahre lange Totaldominanz des Autos“, diese gehe jetzt zu Ende, so Horx. Designer werden in Zukunft Autos nicht mehr so bauen können, wie sie wollen. Der Trendforscher spricht von einer „adaptiven Evolution des Autos“. Gemeint sind damit modulare Konzepte – also wenige Fahrzeuge, die – von vielen genutzt – über ihre Flexibilität gleich mehrere Mobilitätsbedürfnisse abdecken. Er und die anderen Gäste sind sich einig, dass der Wunsch nach dem eigenen Pkw zunehmend zurückgehen werde.
Das Auto darf kein Statussymbol mehr sein
Das sieht auch der Mobilitäts-Blogger Sascha Pallenberg so. Er ist dem Panel-Talk per Video zugeschaltet. Pallenberg lebt und arbeitet in Taiwans Hauptstadt Taipeh: „die Zukunft der Mobilität wird nicht von dem bestimmt was wir fahren, sondern wo wir leben“, beschreibt Pallenberg die Herausforderungen an künftige Mobilität in Städten.
In Peking etwa fuhren die Einwohner vor 30 Jahren hauptsächlich mit dem Fahrrad. Heute hingegen würden Kennzeichen verlost, um den Andrang nach Neuzulassungen Herr zu werden. Um Menschen den Umstieg auf andere Verkehrsmittel zu erleichtern, hilft laut dem ehemaligen Daimler-Mitarbeiter, schon ein einheitliches Bezahlsystem. Doch den Umstieg möglichst bequem zu gestalten, reiche alleine nicht aus. Auch am Stellenwert des Autos in Deutschland müsse sich etwas ändern. Er berichtet von einem Deutschland-Touristen, der ihn fragte, ob in Deutschland Busfahren „uncool“ sei und deshalb so viele lieber das Auto wählten.
Auch Horx sieht in Deutschland psychologische Hürden bei den Autofahrern: „Wenn ein Großteil der deutschen Männer das Lenkrad aus der Hand legt, bekommen sie einen Schwächeanfall.“ Das Auto sei in Deutschland ein Machtinstrument. Für die Zukunft der Mobilität in Innenstädten utopiert der 66-Jährige eine „dörflichere Lebensart“. Dazu könnten auch neue Mobilitätskonzepte beitragen, die auf den Menschen zentriert seien und Begegnungsräume böten.
So individuell wie wir selbst
Laut Pallenberg werde sich die Mobilität bis 2030 und darüber hinaus nah am Menschen bewegen: „So individuell wie wir uns entwickeln, wird sich auch die Mobilität entwickeln.“ Er sieht in der Zukunft der urbanen Mobilität eine Vielzahl an günstigen Angeboten – für jeden erschwinglich.
Für Peter Wouda ist die Mobilität 2030 auf jeden Fall elektrisch, teil-autonom und klein. Über Kleinstfahrzeuge könnte viel unnötig verschwendeter Raum zurückgebracht werden: „Warum schleppen wir diese zwei Tonnen Blech mit uns rum?“. Darüber hinaus müsse das Auto als soziokultureller Raum neu gedacht werden: wer von der Arbeit gestresst die Heimfahrt antritt könnte etwa in einer Art autonomen Schlafwagen fahren. Wer an der Spielekonsole spielen möchte – ein dementsprechendes Angebot wählen. Die Zeit müsse für die Menschen nutzbar gemacht werden. „Mobilität als Kulturtechnik“, wirft Wouda am Ende ein.
Fazit:
Damit das Auto weiterhin Teil städtischer Mobilität sein kann, wird es sich deutlich verändern müssen. 2,5-Tonnen-SUVs, die 23 Stunden des Tages am Straßenrand parken verschlingen nicht nur Parkraum, sondern auch Lebensqualität. Darin, dass sich hier etwas ändern muss, sind sich die Diskutanten im Drive einig. Beim Wie besteht Unsicherheit: Ob neue Technologien wie das autonomen Fahren, Kleinstfahrzeuge, oder ein besserer ÖPNV das Leben in den Städten lebenswerter machen? Vermutlich wird es eine Mischung aus all dem und noch mehr. Bis 2030 sind es noch knapp acht Jahre.
Dennis | @MobilityTalk
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