Höher Gebildete fahren häufiger Fahrrad
Menschen mit Abitur fahren häufiger Fahrrad. Das ergibt die Studie eines Kölner Soziologen. Der auch eine Idee hat, was sie damit über sich aussagen wollen.
Radeln gebildete Menschen häufiger? „Es gibt immer mehr Menschen mit höherer Bildung, und die fahren immer mehr Fahrrad. Beide Trends setzen sich aktuell ungebremst fort“, erklärt der Soziologe Dr. Ansgar Hudde von der Universität Köln. Der Wissenschaftler untersuchte in zwei Studien den Fahrradboom der vergangenen Jahre – vor Corona. Denn schon in der Vor-Pandemie-Zeit erlebte das Fahrrad einen Boom in Deutschland. Zwischen 1996 und 2018 nahm der Radverkehr in der Bundesrepublik um 40 Prozent zu. Laut den neuesten Erkenntnissen Huddes treten heute häufiger höher gebildete Bürger*innen in die Pedale.
In den neunziger Jahren waren laut Hudde die Milieuunterschiede noch nicht so stark ausgeprägt wie heute. Seither haben gerade in mittleren und großen Städten gut ausgebildete Bürger*innen ihre Fahrrad-Nutzungszeit verdoppelt. 2018 waren demzufolge Stadtbewohner*innen mit Abitur durchschnittlich 70 Minuten pro Woche mit dem Rad unterwegs, Stadtbewohner ohne Abitur dagegen nur 42 Minuten. Zwar fielen die Unterschiede auf dem Land nicht so groß aus, wie in der Stadt. Doch auch dort entschieden sich Menschen mit höherem Bildungsgrad häufiger für das Rad.
55.000 Befragte und 800.000 Wegstrecken
Als Grundlage für seine Auswertungen nutzt Hudde repräsentative Daten aus dem deutschen Mobilitätspanel für die Jahre 1996 bis 2018. Das Mobilitätspanel ist eine regelmäßige Erhebung zum Mobilitätsverhalten der Deutschen. Darüber hinaus zog er für seine Untersuchung die Studie „Mobilität in Deutschland 2017“ des Bundesverkehrsministeriums heran. In den Datensätzen werden sämtliche Wege samt genutzter Verkehrsmittel von mehr als 55.000 Befragten aufgeführt. Insgesamt betrachtet Hudde in seiner Studie etwa 800.000 Wegstrecken.
Um zu überprüfen, ob der Zusammenhang zwischen Bildung und Fahrradfahren möglicherweise nur eine Scheinkorrelation sei, habe er in seine Analysen Hintergrundinformationen zu den Befragten mit eingeschlossen, sagte Hudde. „Wer im Schichtdienst ist, fährt vielleicht nur deshalb seltener mit dem Fahrrad, weil das nachts zu ungemütlich ist. Aber auch wenn ich solche Faktoren wie zum Beispiel Weglänge, Alter, Einkommen und Wohnort statistisch berücksichtige, bleibt der Bildungsunterschied bestehen.“
„Cool, die ist umweltbewusst“
Laut Hudde ist das Auto für Menschen mit niedrigerem Bildungsstatus häufiger wichtig, um beruflichen Erfolg zu zeigen. Doch „Beim Fahrrad ist es genau umgekehrt. Personen mit höheren Bildungsabschlüssen laufen meist nicht Gefahr, dass sie als arm oder beruflich erfolglos wahrgenommen werden – selbst dann, wenn sie mit einem günstigen Rad unterwegs sind“, so Hudde. Das Fahrrad impliziert heute andere wichtige gesellschaftliche Kennzahlen – wie etwa Modernität oder Gesundheits- und Umweltbewusstsein.
„Wenn eine Professorin mit dem Fahrrad zur Uni kommt, denkt niemand ‚Oh, die kann sich wohl kein Auto leisten‘. Sondern man denkt: ‚Cool, die ist umweltbewusst.‘“ Als weiteres Beispiel nennt Hudde Cem Özdemir, der mit dem Fahrrad zu seiner Vereidigung als Minister zum Bundespräsidenten gefahren war. „Jeder weiß, dass der S-Klasse fahren könnte“, sagt Hudde. „Es geht ihm aber um die Botschaft. Und die wird verstanden.“
Weiterführende Artikel
Zahl der E-Bikes in deutschen Haushalten steigt
- Fuß, Fahrrad, Roller & Co.
Vorbild Straßburg? Kostenloser ÖPNV für Jugendliche
- Bus, Bahn, Ridepooling & Co.
Autofahrer sollen für ÖPNV-Ausbau zahlen
- Bus, Bahn, Ridepooling & Co., Politik und Wissenschaft