Langstreckentest im Mercedes EQE

Der Mercedes EQE orientiert sich an der traditionellen gehobenen Mittelklasse bei Mercedes: der E-Klasse. Die große Stärke der Elektro-Limousine ist die Langstrecke. Test im Mercedes EQE 350+.

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Constantin Bergander
Mercedes EQE vonre
Gut auf der Langstrecke: Der Mercedes EQE 350+ fährt im Test von mobility.talk auf der Autobahn mehr als 400 Kilometer weit - ein tolles Ergebnis [Bildquelle: TeamOn GmbH]

Nein, wie eine E-Klasse sieht der Mercedes EQE nicht aus. Soll er auch nicht. Mercedes formt die rein elektrische Limousine betont aerodynamisch und nutzt den niedrigen cW-Wert (0,22) als optisches Stilmittel. Mit seiner tropfenförmigen, geschlossenen Nase sieht er eindeutig nach Elektroauto aus. EQE und E-Klasse ähneln sich dennoch: Bei Größe, Raum und Preisgestaltung sind sie direkte Konkurrenten. Und sonst? Das klärt der Test.

Mercedes EQE 350+ (2022): Reichweite, Verbrauch, Ladestrom

Wenn ein Auto sich an der E-Klasse misst, dann muss es die Langstrecke meistern. Bei Elektroautos ist das die Königsdisziplin. Mit der Ausdauer eines Diesels kann es heute noch kein Stromer aufnehmen. Aber der EQE schafft mit einer Akkuladung eine beachtliche Strecke. Im Test von mobility.talk fährt er am Stück 415 Kilometer Autobahn.

Dabei sind wir zügig unterwegs: Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit während dieser Fahrt beträgt 113 km/h. Als wir an der Ladesäule ankommen, errechnet der Bordcomputer eine Restreichweite von 38 Kilometern. Das ergibt einen Durchschnittsverbrauch von 19,9 kWh pro 100 Kilometer bei einer Zielgeschwindigkeit von 130 km/h. Besser können das nur wenige Elektroautos.

Beim Laden wahrt der EQE einen Abstand zum teureren EQS. Die große Elektro-Limousine lädt am Schnelllader mit gut 200 kW Ladeleistung. Dem EQE erlaubt Mercedes nur 170 kW. Schade, etwas mehr Kraft am Kabel würde den EQE zu einem der flottesten Autos im Ladepark machen. Zügig lädt er trotzdem: Unsere Fahrt von Frankfurt am Main nach Berlin (550 Kilometer) schafft er mit nur elf Minuten Ladepause.

In Stadt und Speckgürtel bewegt sich der EQE im Test mit ungefähr 16 bis 17 kWh auf 100 Kilometer. Damit rollt er für Größe und Gewicht angemessen sparsam. Neue Bestwerte stellt er allerdings nicht auf. Zumal er diese Verbräuche bei Wohlfühltemperatur abliefert: Während des Tests herrschen Temperaturen zwischen 20 bis 30° Celsius. Die Batterie arbeitet in diesem Bereich sehr effizient und das Fahrzeug verwendet wenig Strom für die Klimatisierung des Innenraumes.

Mercedes EQE Cockpit
Hoher Fußboden: Der Akku hebt den gesamten Innenraum ein Stück an - man sitzt höher, als es auf den ersten Blick wirkt [Bildquelle: TeamOn GmbH]

Kluges Infotainment und hilfreiche Assistenten im Mercedes EQE

Während der Fahrt punktet der EQE vor allem mit intelligenter Software. Er plant einen strategisch günstigen Ladestopp ein. Der befindet sich fast am Ende der Reichweite mit der vorhandenen Akkuladung. Mit dem dann fast leeren Akku lädt der EQE in hohem Tempo schnell die restlichen benötigten Kilometer nach. Wenn Reichweite und geplanter Ladepunkt nicht mehr zusammenpassen, tüftelt das Auto selbstständig eine Alternative aus – ganz ohne nervige Hinweise auf eine Änderung im Routenplan.

Außerdem toll: Der EQE rekuperiert, wann immer er kann. Seine Sensoren und die topographischen Daten beeinflussen die Verzögerung per Elektromotor, die während der Fahrt Strom erzeugt. Das verlängert die Reichweite und sorgt bei Verwendung des adpativen Tempomaten für entspanntes Mitschwimmen im Verkehr. Einziges Manko: Manchmal sieht der EQE Gespenster und passt das Tempo an ein Verkehrsschild an, das gar nicht vorhanden oder ungültig ist.

Mit der Touch-Bedienung im EQE können wir uns nicht so recht anfreunden. Vor allem das Gewische auf dem Lenkrad nervt. Das gleicht allerdings die gute Sprachsteuerung wieder aus. Sie versteht fast jeden Befehl beim ersten Mal und steht direkt nach dem Fahrzeugstart bereit. Ja, das sollte immer so sein. Aber es ist längst noch nicht bei allen Autos der Fall. Deswegen erwähnen wir es explizit.

Erhabener Fahrkomfort im Mercedes EQE

Der EQE bewegt sich in vielen Situationen ungefähr so, wie er aussieht: wie ein Raumschiff, also gefühlt ohne Bezug zum Boden. Mercedes stimmt das optionale Luftfahrwerk betont sanft und komfortabel ab. Es koppelt die Umgebung gefühlt ab und blendet sogar gröbere Querfugen aus. Kombiniert mit der präzisen Lenkung ergibt sich ein entspanntes, geschmeidiges Fahrverhalten. Ein echtes Kunststück: In manchen Situationen fühlt sich der EQE dabei federleicht an.

Ist er natürlich nicht. Die Elektro-Limousine wiegt fast 2,4 Tonnen, die selbst die geniale Luftfahrwerk-Retusche nicht wegzaubern kann. Vor ein paar Jahren sorgte ein solches Fahrzeuggewicht noch für Spott bei übergewichtigen SUV. Heute ist es bei einer Elektro-Limousine nicht mehr ungewöhnlich. Denn der Preis für hohe Reichweiten in einem Elektroauto ist nun einmal ein riesiger Akku. Im Falle des EQE speichert der 90,56 kWh Strom netto und wiegt 557 Kilogramm.

Mercedes baut den Speicherklotz in die Bodenplatte des EQE ein. Sein enormes Volumen verschiebt den Fußboden im Auto und alle Sitzplätze ein spürbares Stück nach oben. Mit einer allgemein sanft nach hinten geneigten Sitzposition gelingt es dem Auto, das Defizit in der Höhe in der Fahrzeuglänge zu verteilen. Deshalb ist der EQE nicht höher als eine E-Klasse. Im Fond hätte Mercedes ihm allerdings ein, zwei Zentimeter mehr Höhe spendieren können. Schließlich war die obere Mercedes-Mittelklasse viele Jahrzehnte der Taxi-Standard.

Schade: Im Detail hapert es

Der EQE fühlt sich solide und sauber verarbeitet an. Das darf von einem Mercedes zum Mercedes-Preis allerdings auch erwartet werden. Trotz rahmenloser Scheiben klappert und knarzt nichts, selbst auf undankbarem Kopfsteinpflaster. Dennoch finden wir etwas zum Meckern, wenn auch auf hohem Niveau: Unter den Vordersitzen werden Kabelbäume und Stecker sichtbar. Und die unlackierte, gedämmte Hutablage ist von unten nicht besonders schön anzusehen. Bei einem 100.000-Euro-Auto sollten ein paar Euro für Blenden und Farbe übrig sein.

Ebenfalls schade: Die automatisch ausfahrenden Türgriffe eignen sich zum Angeben, aber weniger für ihren eigentlichen Zweck. Denn ihre Logik ist nicht unbedingt selbsterklärend. Sie fahren aus, wenn sich der Schlüssel nähert. Das Auto ist aber dann noch abgeschlossen. Beifahrende sehen den Unterschied nicht und rammen sich im schlimmsten Fall die Tür gegen das Bein – genau so während des Tests geschehen. Klassische Türgriffe wären eine praktischere Lösung. Auch, wenn der cW-Wert dann nicht ganz so perfekt ausfällt.

Constantin Redakteur mobility.talk

Fazit:

Der Mercedes EQE ist eines der besten aktuell bestellbaren Elektroautos für die Langstrecke. Er fährt sparsam, speichert viel Energie und lädt zügig. Verglichen mit einer E-Klasse mit ähnlicher Leistung kostet das Elektroauto sogar weniger. Der Abstand zum EQS beim Ladestrom erscheint allerdings unnötig. Und die schicken Türgriffe nerven mehr, als sie helfen.

Constantin| @MobilityTalk

Technische Daten – Mercedes EQE 350+
Reichweite (WLTP)657-654 km
Reichweite (Test)ca. 450 km (Autobahn), ca. 550 km (Stadt/Pendel)
CO2-Ausstoß (WLTP)0 g/km
Ladedauer DC32 min
Ladeleistung DC170 kW
Ladedauer ACca. 8 Stunden
Ladeleistung AC11 kW, optional: 22 kW
Kofferraum430 Liter
Länge4.946 mm
Breite1.961 mm
Höhe1512 mm
Radstand3.120 mm
Gewicht2.880 kg
Zuladung525 kg
Akkukapazität90,56 kWh (netto)
0-100 km/h6,4 sek
Geschwindigkeit210 km/h
Leistung215 kW/292 PS (Spitze)
Drehmoment565 Nm
AntriebHinterrad
Verbrauch (WLTP)18,7-15,9 kWh/100 km
Verbrauch (Test)19,9 kWh/100 km (Autobahn), 16,5 kWh/100 km (Stadt/Pendel)
Basispreis Mercedes EQE 350+66.402 Euro
Testwagenpreis107.599,80 Euro

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