Der Kia EV6 im Test: Auf bestem Wege

Der Kia EV6 fährt weiter als der Bruder Ioniq 5 und lädt schneller. Dafür hat er (noch) zwei Schwächen. Reicht das, um auf der Langstrecke zum Tesla-Killer zu werden? Der Kia EV6 im Test.

Heiko Dilk
Heiko Dilk
Ein silberner Kia EV6 in der dreiviertel Frontansicht
Man sieht dem Kia EV6 die enge Verwandtschaft zum Hyundai Ioniq 5 nicht an. Unter der Hülle steckt ein etwas größerer Akku und ein Onboard-Lader mit maximal 240 kW [Bildquelle: TeamOn GmbH/Simon Odigie]

Die Prioritäten scheinen auf den ersten Blick klar verteilt: Bei der Hyundai Motor Group darf die namensgebende Hyundai Motor Company gerne zuerst zugreifen. Als 2021 die neue Elektroplattform E-GMP vorgestellt wurde, kam der Ioniq 5 von Hyundai vor dem Kia EV6. Er folgte nicht viel später, aber die Verzögerung ist nicht unerheblich. Schließlich konnte der Ioniq 5 so ordentlich von der großen Aufmerksamkeit um die zeitgleich vorgestellten Elektro-Plattform profitieren. Das 800-Volt-Netz und die Ladeleistungen von mehr als 200 kW sorgten für Aufsehen. Als der Kia EV6 vorgestellt wurde, war die Aufregung nicht mehr so groß.

Pro

Das gefällt uns
am Kia EV6
  • Hohe Ladeleistung
  • Effizient in der Stadt
  • Viele Assistenten
  • Gutes Platzangebot hinten

Contra

Das gefällt uns weniger
am Kia EV6
  • Keine dyn. Routenplanung
  • Straffe Federung
  • Schlechte Rundumsicht
  • Keine Akku-Vorkonditionierung

Doch der Kia EV6 geht nicht leer aus. Zwar steckt im Prinzip die gleiche Technik unter dem deutlich anderen Blech, doch im Grunde ist der EV6 sowas wie eine leichte Weiterentwicklung des Ioniq 5. Er verfügt zum Beispiel über einen etwas größeren Akku und eine höhere Ladeleistung. Was das bringt und was er sonst noch drauf hat, steht im Test des Kia EV6 von mobility.talk.

So (weit) fährt der Kia EV6

Gleich zum Wesentlichen: Der größere der beiden Akkus des Kia EV6 fasst 77,4 kWh, nicht 72,6 kWh wie beim Ioniq 5. (Einen kleineren Akku mit 58 kWh gibt es für beide Modelle.) Das mehr an Kapazität zeigt sich an der Reichweite. Laut WLTP kommt das Allradmodell im Test mit seinen zwei 239 kW (325 PS) starken Elektromotoren bis zu 506 Kilometer weit. Der Ioniq 5 schafft trotz etwas geringerer Leistung (225 kW/305 PS) nur 460 Kilometer. Logisch, dass das nicht nur am etwas größeren Akku liegt, der EV6 ist etwas aerodynamischer und verbraucht etwas weniger (17,2 kWh/100 km vs. 17,7 kWh/100 km).

Soweit die Theorie. In der Praxis schaffen wir das, wie üblich, nicht ganz. Schon allein, weil der EV6 mit Design-Paket zum Test rollt. Teil davon sind 20-Zoll-Felgen, die den Verbrauch treiben. Damit bleiben laut Norm „nur“ 484 Kilometer. In der Praxis werden es bei optimalen Witterungsbedingungen tatsächlich fast so viele. Vor allem in der Stadt und im gemütlichen Pendelverkehr fährt der EV6 erstaunlich sparsam. Werte zwischen 12 und 13 kWh/100 km lassen sich da locker erreichen. Auf der Autobahn wird es leider deutlich mehr. Bei Zielgeschwindigkeit 130 km/h muss man mit etwa 23 kWh rechnen. Ein Ladestopp mit 10 Prozent Sicherheitsreserve steht also nach rund 300 Kilometern an.

Der EV6 fährt sportlich – zumindest in Relation zur Konkurrenz. Er federt deutlich straffer als der Ioniq 5. Die beiden differenzieren sich also gut voneinander, etwas mehr Nachgiebigkeit bei scharfen Kanten und Buckeln wäre im Kia aber schön. Das muss ja nicht auf Kosten der sportlichen Qualitäten gehen, die er mit seinen kräftigen E-Motoren und der präzisen und direkten Lenkung hat.

Stromzähler

0 km
Reichweite
0 min
Ladezeit 10-80 %
0 h
Ladezeit bei 11 kW

So schnell lädt der Kia EV6

Zum Glück muss der Stopp nicht allzu lang ausfallen. Kia verspricht eine Ladeleistung von bis zu 240 kW, was im Wettbewerbsumfeld ein Topwert ist. Damit lädt er sogar 20 kW schneller als der Ioniq 5. Bei dem waren wir im Test zudem etwas enttäuscht von den tatsächlich erreichten Werten. Beim EV6 nicht. Zwar erreichte auch der nicht die versprochenen 240 kW, die mehr als 220 kW sind dennoch ein Spitzenwert. Zumal: Er hält die Ladeleistung bis deutlich über 50 Prozent Akkufüllstand, erst knapp unter 60 Prozent sank die Ladeleistung unter 200 kW. Bei 80 Prozent lagen noch gute 120 bis 130 kW an.

Klar, der EV6 profitierte von Außentemperaturen von mehr als 20 Grad. Doch wer in einer guten Viertelstunde von 17 auf 80 Prozent lädt, macht Eindruck. Andere Tests zeigen allerdings, dass er bei Kälte längst nicht so viel Spaß an der Ladesäule macht. Zumindest nicht, bis die ersehnte Vorkonditionierung des Akkus möglich ist. Kia hat sie bereits angekündigt, mit Glück kommt sie noch rechtzeitig zum Winter 22/23. An Wechselstrom schafft der EV6 leider nur 11 kW, von 10 auf 100 Prozent vergehen so deutlich mehr als sieben Stunden.

Daneben lässt sich der EV6 übrigens nicht nur laden, er lädt auch selbst. Mit einem optionalen Adapter können Elektrogeräte per „Vehicle to Device“ (V2D), wie Kia das nennt, betrieben oder beispielsweise E-Bikes mit bis zu 3,6 kW aufgeladen werden. Ist der Akku voll genug, kann man sogar anderen E-Autos Pannenhilfe geben. Bei geringem Akkustand hatten wir hatten im Test mit Toaster und Wasserkocher keine Probleme.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

So unterhält und informiert der Niro EV

Kia packt schon serienmäßig viel Infotainment in den EV6. Das Navi mit 12,3 Zoll großem Bildschirm ist immer an Bord, Die Menüführung ist intuitiv, der Funktionsumfang üppig. Online-Dienste wie Echtzeit-Verkehrsinformationen oder die Fernsteuerung über die Kia Connect-App sind inklusive. Allerdings läuft der Datenverkehr stets übers eigene Smartphone. Apple Carplay und Android Auto sind ebenfalls Standard. Dazu kommen diverse Assistenten. Serienmäßig hält der EV6 die Spur sowie den Abstand zum Vordermann, er bremst im Notfall für Fußgänger und Fahrradfahrer. Weitere Assistenten gibt es im Paket für 2.700 Euro.

Im Testwagen war alles verbaut, was Kia im Angebot hat. Der automatische Spurhalter reagiert etwas übervorsichtig und ermahnt dazu, das Lenkrad zu übernehmen, obwohl die Hand leicht auf demselben ruht. Ansonsten funktioniert der Autobahn-Assistent gut. Er lenkt nicht zu aufdringlich, passt das Tempo nachvollziehbar an und beschleunigt netterweise schon beim Blinkersetzen.

Nervig: Das Navi beherrscht keine dynamische Routenplanung inklusive Ladestopps. Soll kommen, sagt Kia, verrät aber nicht genau wann. Es wäre ohnehin schöner, wenn es von Anfang an da gewesen wäre.

So viel passt rein in den Kia EV6

Der Kia EV6 ist kürzer als er aussieht. 4,68 Meter misst er von Stoßstange zu Stoßstange, rund fünf Zentimeter mehr als der Ioniq 5. Die Breite beträgt 1,88 Meter. Mit 1,55 Metern fällt er gut fünf Zentimeter niedriger aus als der Bruder. Das und die flach stehende Heckscheibe zeigen sich beim Kofferraumvolumen. Mit 490 bis 1.300 Litern lädt er nicht besonders viel ein für seine Länge. Doch der Kofferraum verfügt über eine große Grundfläche, so dass sich auch größeres Gut transportieren lässt. Einen Frunk hat der EV6 übrigens auch, der fasst beim Allradler allerdings nur sparsame 20 Liter. Das genügt gerade für ein Ladekabel.

Auf der Rückbank gibt es reichlich Platz. Den um 10 Millimeter geringeren Radstand im Vergleich zum Ioniq 5 spüren Passagiere nicht, selbst lange Beine finden bequem Platz. Die Kopffreiheit leidet allerdings etwas unter der niedrigen Dachlinie. Außerdem ist es wegen der kleinen Fensterflächen ziemlich dunkel. Die erschweren außerdem deutlich die Übersicht nach hinten.

Ein silberner Kia EV6 in der Seitenansicht
Der Kia EV6 wirkt länger, als er ist. Er misst 4,68 Meter in der Länge, das Kofferraumvolumen fällt mit maximal 1.300 Litern trotzdem recht knapp aus [Bildquelle: TeamOn GmbH/Simon Odigie]

Kia EV6 Preis: Das kostet er

Kia verlangt mindestens 46.990 Euro für den EV6. Das klingt viel, zumal es dafür nur den kleinen EV6 mit 58-kWh-Batterie gibt. Der verfügt über eine Reichweite von knapp 400 Kilometern laut Norm. Die große Batterie kostet 4.000 Euro extra, die Allradversion im Test weitere 3.900 Euro. Macht also 56.990 Euro. Inklusive GT-Line-Ausstattung und weiteren Extras wie dem Assistenzpaket landet der Testwagen bei 63.790 Euro. Die gute Ausstattung relativiert den Preis, die 9.000 Euro Elektroprämie kommen noch on top. Dennoch, eine Günstigmarke ist Kia längst nicht mehr. Doch immerhin bekommt man eine Menge Elektroauto fürs Geld.

Fazit:

Kia hat mit dem EV6 ein feines Elektroauto im Programm, das den Ioniq 5 von Hyundai sogar in einigen Punkten übertrifft. Ladegeschwindigkeit und Reichweite sind voll alltagstauglich und machen den EV6 zu einem Langläufer. Voraussetzung: Das Autobahntempo bleibt moderat. Denn bei höheren Geschwindigkeiten enttäuscht der Verbrauch etwas. Zum Glücklichsein fehlt noch eine dynamische Ladestopp-Routenplanung und die Akku-Vorkonditionierung. Zum Glück ist beides ist in Arbeit.

Heiko | @MobilityTalk

Technische Daten – Kia EV6 AWD
ModellKia EV6 AWD, 77,4 kWh
Reichweite WLTP484-506 km
Reichweite Testca. 450 km
Ladedauer DC18 min (10-80 %)
Ladeleistung DC240 kW
Ladedauer AC7 h 20 min (10-100 %)
Ladeleistung AC11 kW
Kofferraum490-1300 Liter
Länge4.680 mm
Breite1.880 mm
Höhe1.550 mm
Radstand2.900 mm
Gewicht2.090-2.190 kg
Zuladungmax. 440 kg
Akkukapazität77,4 kWh
0-100 km/h5,2 s
Geschwindigkeit185 km/h
Leistung239 kW (325 PS)
Drehmoment605 Nm
AntriebElektrisch/Vorder- und Hinterachse
Verbrauch (WLTP)17,2-18,0 kWh/100 km
Verbrauch (Test)17,5 kWh/100 km
Basispreis Kia EV646.990 Euro
Testwagenpreis63.790 Euro

Weiterführende Artikel

Strom lohnt sich: CO2-Bilanz der Antriebsarten

Strom, Wasserstoff, E-Fuels oder doch Diesel und Benzin? Die CO2-Bilanz von Elektroautos wird immer besser. Selbst in der Kompaktklasse fahren sie schon nach wenigen

Update: Keine Neuauflage der Wallbox-Förderung geplant

Update: Die Wallbox-Förderung der KfW für Privatleute erhält keine Neuauflage. Gefördert werden nur noch öffentlich zugängliche Ladepunkte. Dennoch gibt es Möglichkeiten, an Subventionen zu

So fährt der Audi Q4 E-Tron (2021)

Kurze Nase, großer Körper und ein Pfeil, der auf der Straße tanzt: Der Audi Q4 E-Tron startet mit viel Platz und innovativer Navigation.

bild-der-woche-2021-10-01

Diese Titanic sinkt garantiert nicht In China wird gerade eine 1:1 Kopie der Titanic gebaut. Sie soll der Höhepunkt eines Freizeitparks werden [Bildquelle: Picture

Immer informiert sein?

Abonniere unseren Newsletter!