SoH: Akkugesundheit bei gebrauchten Elektroautos

Ohne gebrauchte Elektroautos gibt es keine Antriebswende. Dabei ist die Batteriegesundheit, SoH genannt, ein wichtiger Punkt. Analyse und Verbesserungsmöglichkeiten.

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
Tesla Akku
Wie viel seiner ursprünglichen Kapazität besitzt der Akku noch? Das ist bei gebrauchten Elektroautos eine der entscheidenden Fragen bei Begehrlichkeit und Wertfindung. Hersteller und Prüfverbände arbeiten mit Hochdruck daran, diese Information verfügbar zu machen [Bildquelle: picture alliance/dpa | Patrick Pleul]

Die Förderung und Debatte rund um das Elektroauto konzentriert sich häufig auf Neuwagen.  Dabei werden in Deutschland sieben von zehn Autos gebraucht verkauft, und zwar zu 95 Prozent an Privatpersonen. Die weitaus meisten Haushalte, die sich ein Auto anschaffen, kaufen also einen Gebrauchtwagen.

Der Hauptgrund sind die Kosten. Nach drei Jahren haben Autos im Schnitt fast die Hälfte des Neuwerts verloren, gemessen am Listenpreis. Für die Antriebswende zum E-Auto heißt das: Ohne einen großen Gebrauchtmarkt für Elektroautos wird die überwiegende Mehrzahl der autofahrenden Bevölkerung nicht zum Elektroantrieb wechseln. Im Jahr 2020 kam auf 10 Neuzulassungen ein gebraucht gehandeltes Elektroauto. Daher muss sich die Förderung auf Neuwagen konzentrieren. Sie sind die Gebrauchtwagen von morgen.

So altern Elektroauto-Akkus

Das entscheidende Thema bei gebrauchten Elektroautos ist der Akku, das teuerste Bauteil im Fahrzeug. Die Batterie geht zwar selten kaputt, aber: Lithium-Ionen-Akkus verschleißen nach und nach. Dies geschieht vor allem durch regelmäßiges Be- und Entladen. Man nennt dies auch „zyklische Alterung“. Wie schnell sie fortschreitet, liegt an verschiedenen Faktoren: Wie stark sind die Be- und Entladeströme? Wie viele komplette Ladezyklen hat die Batterie durchlaufen?

Durch Schwankungen der Umgebungstemperatur altern Akkus über mehrere Jahre sogar, wenn das Auto gar nicht gefahren wird. Um die Alterung auszuschließen, müsste die Batterie bei konstanter Temperatur und konstanter Ladung gelagert sein – im Alltag kaum möglich. Aber der Verschleiß lässt sich reduzieren. Beim Laden und Entladen „stressen“ den Akku besonders hohe und besonders niedrige Ladestände. Wer seinen Akku überwiegend zwischen 30 und 70 Prozent Ladestand hält und nur selten die volle Leistung abfordert, hält ihn länger frisch.

Gebrauchte E-Auto-Akku: State of Health (SoH)

Die Alterung gibt man mit dem Wert der Batteriegesundheit an, dem sogenannten „State of Health“ (SoH). Dabei handelt es sich um einen Prozentwert: Ein SoH von 80 Prozent bedeutet, dass die Batterie noch 80 Prozent ihrer Nennkapazität hat. Viele Hersteller knüpfen daran Garantien. So garantiert Toyota, dass der Akku des Toyota bZ4X nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern noch einen SoH von mindestens 70 Prozent aufweist.

Ein weiterer Wert, der bei gebrauchten Elektroautos wichtig ist: Wie lange kann die Traktionsbatterie bei Fortschreiten der Alterung noch sinnvoll betrieben werden? Die verbleibende Nutzungszeit nennen Experten „Remaining Useful Life“ (RUL). Der Wert bezieht sich auf den Einsatz im Auto. In anderen, weniger fordernden Anwendungen kann die Batterie auch danach gut funktionieren. Etwa als Speicher im Hausnetz.

My Renault App
Bei Renault lässt sich der SoH des Akkus direkt in der My Renault App auslesen. Ein Zertifikat lässt sich ebenfalls herunterladen [Bildquelle: Renault]

Gebrauchte E-Autos: SoH bestimmen

Der Akku eines Elektroautos kostet als Ersatzteil je nach Marke und Modell schnell 10.000 oder 15.000 Euro. Klar, dass die Batteriegesundheit bei einem gebrauchten Elektroauto den Restwert stark beeinflusst. Lässt sich beim gebrauchten Elektroauto der SoH-Wert belegen, erzielt das Auto einen besseren Preis. Allerdings: Bisher berücksichtigen Fahrzeugbewertungen meist Schätzwerte auf Basis von Alter und Laufleistung. Einen Rückschluss auf die tatsächliche Restkapazität der Batterie lässt das nicht zu.  

SoH: Nachweis über Autohersteller

Autohersteller und ihre Vertragswerkstätten können den SoH auf verschiedenen Wegen ermitteln. Das funktioniert (vereinfacht ausgedrückt) so: Das Batteriemanagement einer neuen Batterie speichert ein Datenmodell, das verschiedene technische Werte des Akkus enthält. Beim Auslesen werden die Messwerte damit verglichen. Gegebenenfalls werden auch Ströme zu Messzwecken zugeführt und entnommen, um die Kapazität zu errechnen. Neue, schnellere Verfahren arbeiten nach der sogenannten Impedanzspektroskopie. Dabei wird die Batterie mit verschiedenen Strömen angeregt und aus ihrer Reaktionsfähigkeit ihr Zustand berechnet. Die dazu nötige Messtechnik lässt sich direkt im Auto einbauen, was das Auslesen der Batteriegesundheit mit einer App ermöglicht.

Die Strategien der Hersteller unterscheiden sich. Volkswagen gibt an, den SoH anlassbezogen zu prüfen, zum Beispiel bei Verdacht auf einen Batteriefehler oder auf Wunsch des Kunden. Der Wert kann von der Werkstatt bescheinigt werden. Für Elektro-Modelle von Renault und Dacia lässt sich der SoH-Wert direkt in der „My Renault“-App auslesen. Ein Zertifikat kann über die App erstellt und heruntergeladen werden. BMW lässt beim i3 das Auslesen der aktuellen Netto-Batteriekapazität über ein verstecktes Menu zu. Anleitungen, wie das funktioniert, finden sich online.

BMW i3 gebraucht
Gebrauchte Elektroautos vom Typ BMW i3: Ein Markt für gebrauchte Elektroautos entsteht nur langsam. Er ist aber die Voraussetzung für die Antriebswende [Bildquelle: picture alliance / Sven Simon]

TÜV plant unabhängige Zertifizierung

Mit etwas technischem Geschick lässt sich der SoH bei vielen Modellen über die OBD-Schnittstelle, einen Dongle und spezielle Apps auslesen. Anleitungen finden sich im Internet beispielsweise für BMW- und Mini-Modelle, aber auch für Tesla-Fahrzeuge. Allerdings: Dazu ist nicht jeder in der Lage. Fraglich ist außerdem, ob ein so ermittelter SoH beim Gebrauchtwagenkauf als gutes Argument durchgeht. Ein Zertifikat der Vertragswerkstatt dürfte mehr Vertrauen schaffen.

Deshalb möchte nun der TÜV Rheinland ein standardisiertes, unabhängiges Zertifikat anbieten: Der „Battery Quick Check“ richtet sich an gewerbliche Kunden, neben Werkstätten und Autohandel also auch an Flotten und Leasinggesellschaften. Die Software stammt von der Firma Twaice und soll ein standardisiertes und marktfähiges Messverfahren erlauben. Gemessen wird an der OBD-Schnittstelle, der Vorgang dauert ungefähr 60 Minuten. Zum Angebot gehört ein Zertifikat der Prüforganisation.

Der TÜV Rheinland betont, dass seine Diagnose unabhängig von hinterlegten Algorithmen der Autohersteller erfolgt. Das ermöglicht eine Vergleichbarkeit von Autos verschiedener Marken, und eben einen unabhängigen Prüfwert. Die von TÜV und Twaice gegründete Battery Quick Check GmbH kalkuliert schon 2023 mit rund 150.000 Aufträgen allein in Deutschland.

VW MEB Akku
Akku eines VW ID.3: Im Fall einer verschlechterten Batteriegesundheit lassen sich häufig einzelne Module tauschen. Dies kostet in der Regel deutlich weniger als ein neuer Akku [Bildquelle. Volkswagen]

Privatpersonen können den „Quick Check“ nicht beauftragen, aber ihre Werkstatt darum bitten. Etwa vor einem geplanten Verkauf des Elektroautos. Eine Prognose der verbleibenden Lebensdauer des Akkus (RUL) gibt der Check allerdings nicht ab. Dies hänge „vom künftigen individuellen Umgang mit der Batterie ab“, so der TÜV Rheinland.

Kann man den SoH verbessern?

Eine entscheidende Frage in diesem Zusammenhang: Ist es möglich, die Batteriegesundheit zu verbessern? Die Antwort lautet: ja. Vor allem dann, wenn einzelne Zellen schneller gealtert sind als andere. Fahrzeugakkus funktionieren vereinfacht dargestellt wie eine Kette: Das schwächste Glied, in dem Fall die schwächste Batteriezelle, bestimmt die Leistungsfähigkeit des Systems. Ist nur ein Modul stark gealtert, genügt es, dieses Modul auszutauschen und auf die Leistungsfähigkeit der übrigen Module einzustellen. Die dafür erforderliche Analyse auf Zell- oder Modulebene ist jedoch aufwendig. Sie lohnt sich vor allem dann, wenn anderenfalls der gesamte Akku getauscht werden muss.

Faustregel: Bei einem Akku mit 70 Prozent oder mehr Restkapazität lohnt sich der Tausch von einem oder zwei Modulen. Ein einzelnes Modul als Ersatzteil kostet nach Angaben von „auto, motor und sport“ für den VW ID.3 beispielsweise 1.410 Euro,  den gesamten Tausch veranschlagt der Hersteller mit rund 2.000 Euro. Beim BMW i3 liegen die Kosten etwas darunter, beim Renault Zoe etwas darüber. Audi gibt an: Fällt die Kapazität des Akkus im Garantiezeitraum unter 70 Prozent, wird sie wieder „angehoben“ auf mindestens 74 Prozent. Auch Tesla kann nach eigenen Aussagen den Akku bei einer Restkapazität von weniger als 70 Prozent in vielen Fällen reparieren. Dabei müssen nicht immer neue Module verwendet werden. Günstigere aufbereitete Module funktionieren häufig genauso gut.

In der Praxis halten E-Auto-Batterien ohnehin länger als vielfach angenommen. Unabhängig vom Fabrikat finden sich nur wenige Berichte über aus Altersgründen getauschte oder reparierte Lithium-Ionen-Akkus in aktuellen Elektroautos. Viel häufiger geschieht das nach einem Unfall. Auch deshalb kommen sogenannte Second-Life- und Recycling-Ansätze nur langsam in Fahrt: Bisher erhalten die meisten Autohersteller nur wenig Rücklauf in Form ausrangierter E-Auto-Akkus.

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Fazit:

Der Zustand gebrauchter Elektroauto-Batterien ist zwar mit Apps erfassbar. Aber eine Zertifizierung durch TÜV oder den Hersteller schafft das nötige Vertrauen in gebrauchte Elektroautos in der Breite der Gesellschaft. Die Lebensdauer von E-Auto-Akkus ist zudem besser ist als ihr Ruf, und sie lässt sich mit zeitwertgerechten Reparaturen verlängern.

Björn | @MobilityTalk

Tesla Model 3
Ein Tesla Model 3 lädt: In der Praxis halten Akkus erheblich länger als vielfach befürchtet. Häufigster Tausch- oder Reparaturgrund: ein Unfall [Bildquelle: picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow]

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