VW ID.4 Pro Performance im Test: Der Elektro-Tiguan

Der VW ID.4 ist die elektrische Alternative zum VW Tiguan: ein kompaktes SUV mit viel Beinfreiheit, aber Schwächen im Detail. Das Elektro-SUV im Test.
Constantin Bergander
Constantin Bergander
VW ID.4 Dreiviertel-Front
Der VW ID.4 Pro Performance im Test: Das erste Elektro-SUV von VW glänzt mit Ruhe, aber patzt bei der Bedienung [Bildquelle: TeamOn]

VW versteht die Elektromobilität als Neustart. Nicht die alten Größen bewegen sich künftig rein elektrisch, sondern neue Spieler auf dem Feld. Sie orientieren sich nur an der klassischen Modellpalette: Der VW ID.4 spiegelt den VW Tiguan in die Elektromobilität. Er ähnelt dem traditionellen Kompakt-SUV in Größe, Platz, Leistungsstufen und Preisgestaltung. Bei den Themen Antrieb, Innenraum, Materialien und Software setzt er sich ab.

Der ID.4 ist der zweite VW, der als Elektroauto konstruiert wurde. Er startete im Jahr 2021, einige Monate nach der kleineren Golf-Alternative VW ID.3.

Pro

Das gefällt uns am VW ID.4
  • Gutes Platzangebot
  • Geräuschkomfort
  • Updatefähigkeit
  • Kleiner Wendekreis
  • Langstreckentauglichkeit

Kontra

Das gefällt uns weniger am VW ID.4
  • Langsames Infotainment
  • Bedienung
  • Kein Frunk

 Beide Modelle verfügen über den gleichen Radstand und eine sehr ähnliche Cockpit-Gestaltung. Sie unterscheiden sich bei Gesamtlänge (deutlich), Höhe (kaum), Kofferraumvolumen (spürbar) und Antriebsoptionen. Im Gesamtjahr 2021 überbietet der Tiguan den ID.4 in der deutschen Zulassungsstatistik um den Faktor 4,4. Tendenz: fallend, das Elektroauto holt auf. Aber hat der ID.4 das Zeug zum Bestseller? Passt seine Reichweite ins Segment? Was kann er gut und wo fehlt es ihm an Kompetenz? Das klärt unser Test.

Maße, Platzangebot und Innenraum des VW ID.4 Pro Performance

VW ordnet den ID.4 genau zwischen den Modellen Tiguan und Tiguan Allspace ein. Mit einer Länge von knapp 4,60 Metern baut er zehn Zentimeter länger als das Kompakt-SUV in seiner klassischen Form und 15 Zentimeter kürzer als die gestreckte Variante. Der ID.4 sortiert sich also in das Segment der Kompakt-SUVs ein – aktuell eine der beliebtesten Fahrzeugklassen.

Gemessen an seiner Konkurrenz bietet VWs Elektro-SUV viel Platz. Der vollständige Verzicht auf Bauraum für Verbrenner ermöglicht einen großzügigen Radstand von 2,77 Metern. Darauf baut der Hersteller einen geräumigen Innenraum auf: Vorn sitzt es sich bequem und hoch, dahinter entspannt mit viel Platz an den Knien. Der ID.4 verzichtet auf einen Mitteltunnel und schafft damit Raum für ein drittes Paar Füße im Fond. Ähnlich gemütlich sitzt es sich in keinem vergleichbaren Verbrenner.

Für eine dritte Sitzreihe findet VW allerdings keinen Platz. Der Motor des ID.4 befindet sich auf der Hinterachse – also dort, wo ein Siebensitzer eine Aussparung für Beine und Schuhe bieten müsste. Mehr als fünf Sitze gibt es im ID.4 also nicht für Geld und gute Worte. Dafür aber einen anständigen Kofferraum: 543 Liter Gepäck passen hinter die Rückenlehne. Klappt man sie um, lädt das Auto 1.575 Liter Ladung ein. Das ist mehr, als manch ein Mittelklasse-Kombi verstaut – aber jeweils rund 100 Liter weniger, als ein Tiguan bietet.

Ärgerlich: Das Fach für die Ladekabel befindet sich unter der Bodenplatte zwischen Achse und Stoßstange. Ist das Auto beladen, lässt es sich nur schwer erreichen. Die Konkurrenz nutzt dafür lieber den ungenutzten Raum unter der Fronthaube (neudeutsch: „Frunk“). VW verstaut dort die Kühlaggregate und optional einen zweiten Motor. Platz für Gepäck bleibt nicht. Findige Bastler bieten Eigenbau-Lösungen („Frunk Kit“) im Internet an. Erstaunlich, dass VW diese Chance auslässt.

VW ID.4: Fahrersitz
Vorn bietet der ID.4 viel Platz und bequeme Stühle [Bildquelle: TeamOn]

VW ID.4 Pro Performance (2021): Reichweite, Akku, Langstrecke

Den getesteten ID.4 Pro Performance bietet VW ausschließlich mit dem größten verfügbaren Akku an. Der speichert 82 kWh (brutto), wovon 77 kWh für den Vortrieb verfügbar sind. Laut Hersteller reicht diese Kapazität für eine Reichweite von 522 Kilometern – theoretisch genug, um in einem Rutsch von Berlin nach Dortmund zu fahren.

Praktisch schafft der ID.4 diese Distanz nur im urbanen Raum. In der Stadt kratzt das Elektroauto im Test am Normwert, beim Pendeln auf der Landstraße unterbietet der ID.4 sogar den angegebenen Verbrauch. Bei warmen Temperaturen misst der Bordcomputer einen Wert von 13,8 kWh pro 100 Kilometer. Rechnerisch ergibt das eine mögliche Reichweite von fast 560 Kilometern. Auf der Landstraße könnte es der ID.4 also womöglich mit einer Akkuladung bis nach Dortmund schaffen.

Auf der Autobahn steigt der Stromverbrauch deutlich. Auf der Langstrecke bewegen wir den ID.4 mit einer Zielgeschwindigkeit von 130 km/h. Trotz einer vorsichtigen Fahrweise steigt der Verbrauch auf angezeigte 24,2 kWh. Der erste Ladestopp steht nach etwa 300 Kilometern an – der ID.4 schafft es mit einer Akkuladung also immerhin von Berlin nach Hannover. Für unser theoretisches Ziel benötigen wir also einen Ladestopp.

Nach dem Update auf Software 3.0: Bis zu 170 kW Ladeleistung im VW ID.4

Zum Testzeitpunkt lädt der VW ID.4 flink, aber nicht rekordverdächtig. Die maximale Ladeleistung beträgt 125 kW. An der Schnellladesäule hält das Auto diese Leistung bis zu einem Ladestand von ungefähr einem Drittel. Danach lädt das Auto langsamer. Es empfiehlt sich, bei spätestens 80 Prozent den Stecker zu ziehen.

Im Test lädt der ID.4 in 34 Minuten von 13 auf 82 Prozent. Wer zeiteffizient laden möchte, fährt das Auto möglichst leer und nutzt das Tempo mit geringem Ladestand aus. Bisher verhindern Infrastruktur und mangelnde Erfahrung Punktlandungen im niedrigen einstelligen Bereich – zumal der ID.4 ab 20 Prozent Ladestand Strom fordert und bei der Routenplanung die Ladestopps konservativ einplant.

Mittlerweile bietet VW Besserung an: Ein Software-Update, das automatisch kabellos im Auto ankommt, erhöht den Ladestrom an Schnellladesäulen. Je nach verbauten Zelltyp lädt der ID.4 dann mit einem langen, flachen Plateau bei etwa 140 kW, oder mit einer Spitzenleistung von bis zu 170 kW. VW nennt zurückhaltend eine maximale Ladeleistung von 135 KW und gibt an, dass der Akku innerhalb von einer halben Stunde von fünf auf 80 Prozent lädt. Ebenfalls dabei: Eine klügere Ladepausenplanung.

VW ID.4 im Profil
Der ID.4 ist etwas länger als ein VW Tiguan und etwas kürzer als ein VW Tiguan Allspace [Bildquelle: TeamOn]

Fahrwerk, Lenkung und Federung im VW ID.4 (2021)

Am Fahrverhalten gibt es derweil nur wenig zu verbessern. Der ID.4 rollt sanft und besonders leise ab. Im Kontext wirkt der Blinker unverhältnismäßig laut. Querfugen und Straßenschäden dämpft das Fahrwerk angenehm weg und schafft es sogar, den schweren Aufbau gerade zu halten. Allerdings kann es das hohe Gewicht von mehr als zwei Tonnen nicht verbergen. In zügigen Kurven drängt es den schmal bereiften ID.4 spürbar nach außen. Die Assistenz hält ihn allerdings stets in einem stabilen Zustand.

VW ID.4 Pro Performance: Fahrleistungen, Antrieb, Motor

Generell erhebt der ID.4 nicht den Anspruch, ein Sportler zu sein – obwohl er in seiner zweitstärksten Form zum Test antritt. In der Variante Pro Performance leistet sein Heckmotor 150 kW (204 PS). Vor einigen Jahren war das noch das Niveau eines Golf GTI. Bei einer Masse von 2,1 Tonnen bleibt gefühlt die Kraft eines soliden Volumenmotors übrig.

Der ID.4 liefert sein komplettes Drehmoment ab der ersten Kurbelwellenumdrehung und reagiert spontaner auf Befehle des Fahrpedals, als es jeder Verbrenner vermag. Dennoch fühlt er sich nicht so spritzig an wie SUVs, die mit Benzin oder Diesel fahren. Bei 160 km/h regelt VW ab – Reichweite schlägt Höchstgeschwindigkeit. Das unterstreicht den vernünftigen Charakter des Autos.

Assistenz, Infotainment, Connectivity im VW ID.4

Im Innenraum soll er derweil vor allem eins sein: anders. Genau wie der ID.3 vor ihm bekommt der ID.4 ein betont aufgeräumtes Cockpit. Echte Tasten und Knöpfe fehlen fast vollständig. Der ID.4 lässt sich am liebsten mit Berührungen bedienen. An manchen Stellen funktioniert das gut – aber längst nicht an allen. Bei der Bedienung erlaubt sich der ID.4 seine größten Schwächen.

Ein paar Beispiele: Das Infotainmentsystem benötigt teilweise viel Zeit zum Hochfahren. In dieser Zeit funktionieren Navigation, Rückfahrkamera und Sprachbedienung nicht. Die Touchflächen am Lenkrad führen zu Fehlbedienungen bei Lenkbewegungen. Die Touch-Leiste für Lautstärke und Temperatur ist nicht beleuchtet und lässt sich nachts deshalb nicht bedienen. Und die reduzierten Fensterheber-Schalter sind einfach nur unnötig: Anstatt vier Schalter für vier Fenster in die Fahrertürverkleidung zu bauen, setzt VW zwei Knöpfe und einen Umschalter (vorn – hinten) ein. Wer blind nach den Knöpfen tastet, schaltet versehentlich um und öffnet dann das falsche Fenster. Das ist anstrengend und auf Dauer unangenehm.

Ebenfalls schade: Das Tacho-Display geizt mit Informationen. Fahrdaten wie Verbrauch und absolvierte Distanz zeigt nur der Bordcomputer an. Dafür bietet VW im ID.4 ein Head-up-Display an, das Navigationsdaten gefühlt auf die Straße projiziert. Mangels Augen-Tracking sitzen die Pfeile nicht immer perfekt, insgesamt helfen sie aber, besonders an unbekannten Orten.

Die wichtigsten Assistenten baut VW serienmäßig in den ID.4. Spurhalteassistent, automatische Notbremse, Verkehrszeichenerkennung und die digitale Kommunikation mit anderen Fahrzeugen und Gegenständen („Car-to-X“) gehören zur Standardausstattung. Abstandstempomat, aktive Spurführung und Rückfahrkamera kosten extra. Ist das große Assistenzpaket installiert, übernimmt das Auto erkannte Tempolimits automatisch im Tempomat. Achtung: Bereits gebaute Modelle verfügen noch nicht über seitliche Parksensoren. Eine Querverkehrswarnung und eine Parkautomatik lassen sich in ihnen deshalb technisch nicht umsetzen. Mittlerweile baut VW diese Sensoren ein.

VW ID.4: Armaturenbrett
VW verzichtet im ID.4 auf die meisten Tasten und Knöpfe [Bildquelle: TeamOn]

Das kostet der VW ID.4 Pro Performance

Der ID.4 bedeutet Umgewöhnen – auch beim Kauf: Eine Preisliste als PDF bietet VW nicht mehr zum Download an, nur noch den Konfigurator. Dort startet der ID.4 derzeit bei 38.915 Euro. Dafür gibt es das Modell Pure mit 52 kWh Akkukapazität und 109 kW Motorleistung. Die Testwagenkonfiguration ist aktuell nicht verfügbar. Mangels Preisliste lassen sich keine aktuellen Preise nachvollziehen.

Zum Testzeitpunkt kostet der ID.4 Pro Performance mindestens 44.915 Euro. Mit der umfangreichen Testausstattung steigt der Preis auf 62.840 Euro. Wer einen ID.4 als Dienstwagen einplant, sollte also auf ein paar Extras verzichten – den vollen Steuervorteil gibt es nur für Fahrzeuge, die laut Liste weniger kosten als 60.000 Euro.

Der ökologische Fußabdruck des VW ID.4

Ein Elektroauto ist während der Fahrt nur so sauber wie sein Kraftstoff. Lädt der ID.4 ausschließlich an Ökostrom, fährt er mit einer idealen Umweltbilanz. Mit dem üblichen deutschen Strommix (Stand: 2020; 360 g/kWh; Quelle: Statista) stößt der ID.4 mit einem gemittelten Testverbrauch von 17,6 kWh im Test bilanziell 63,4 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Das ist das CO2-Äquivalent zu einem Verbrauch von 2,4 Litern Diesel pro 100 Kilometer.

VW gibt an, seine Elektroautos (ebenfalls bilanziell) CO2-neutral zu bauen. Theoretisch entsteht also bei der Fertigung des ID.4 kein Kohlendioxid. Die Umweltorganisation Greenpeace wirft dem Hersteller allerdings vor, „unvermeidbaren“ CO2-Ausstoß nicht angemessen zu vermeiden oder zu kompensieren.

Constantin Redakteur mobility.talk

Fazit:

Der ID.4 macht viel richtig: Er fährt komfortabel, bietet viel Platz und funktioniert auf der (gelegentlichen) Langstrecke. Allerdings muss VW bei den Punkten Rechenleistung und Software nachbessern. Diese Punkte entscheiden langfristig über die Wettbewerbsfähigkeit von Auto und Marke.

Constantin | @MobilityTalk

Stromzähler

0 km
Reichweite
0 h
Ladezeit bei 11 kW
0 min
Ladezeit bei 125 kW
Technische Daten – VW ID.4 Pro Performance
Reichweite (WLTP)522 km
Reichweite (Test)517 km (Stadt), 558 km (Pendelfahrt), 318 km (Autobahn)
CO2-Ausstoß (mit deutschem Strommix, ohne Ladeverluste)53,6/km (Stadt), 49,7 g g/km (Pendelfahrt), 87,1 g/km (Autobahn)
Ladedauer DC34 Minuten (13-82 Prozent)
Ladeleistung DC125 kW (nach Update: bis zu 170 kW)
Ladedauer ACca. 8 Stunden
Ladeleistung AC11 kW
Kofferraum543 – 1.575 l
Länge4.584 mm
Breite1.852 mm
Höhe1.640 mm
Radstand2.771 mm
Gewicht2.109 kg
Zuladung431 kg
Akkukapazität82 kWh (brutto); 77 kWh (netto)
0-100 km/h8,5 s
Geschwindigkeit160 km/h
Leistung150 kW (204 PS)
Drehmoment310 Nm
AntriebElektrisch, Heckantrieb
Verbrauch (WLTP)16,9 kWh/100 km
Verbrauch (Test)14,9 kWh/100 km (Stadt), 13,8 kWh/100 km (Pendelfahrt), 24,2 kWh/100 km (Autobahn)
Basispreis VW ID.438.915 Euro
Testwagenpreis62.840 Euro

Weiterführende Artikel

Strom lohnt sich: CO2-Bilanz der Antriebsarten

Strom, Wasserstoff, E-Fuels oder doch Diesel und Benzin? Die CO2-Bilanz von Elektroautos wird immer besser. Selbst in der Kompaktklasse fahren sie schon nach wenigen

Skoda Enyaq im Test: Elektro-SUV in Sommer und Winter

Ein Elektro-SUV für Familien: Der Skoda Enyaq ist fair gepreist, lädt viel ein und fährt weit. Was er kann und wo es hapert, verrät

Hyundai Ioniq 5 im Test: Schneller laden

Selten hat ein Hyundai die Fantasie so beflügelt wie der elektrische Ioniq 5. Im Test von Mobility.Talk zeigt das Topmodell mit 225 kW und

So fährt der Audi Q4 E-Tron (2021)

Kurze Nase, großer Körper und ein Pfeil, der auf der Straße tanzt: Der Audi Q4 E-Tron startet mit viel Platz und innovativer Navigation.

Immer informiert sein?

Abonniere unseren Newsletter!