Zwischen Boom und Lieferengpässen
Fahrrad-Branche: Keine Halbleiter, keine Bremsen, keine Gabeln und niemand, der das alles zusammenschraubt. Mit dem Boom kommen die Probleme.
Der Fahrrad-Markt boomt. Die Corona-Pandemie und das gestiegene Bewusstsein für nachhaltige Mobilität führten zu fünf Millionen verkauften Fahrrädern 2020. Damit verzeichneten die Hersteller ein Absatzplus von etwa sieben Prozent. Im Segment der E-Bikes stieg es sogar um 43,3 Prozent. Die Branche insgesamt steigerte ihren Umsatz um satte 60 Prozent.
Die Konsequenz aus Pandemie und dem Wunsch nach CO2-neutraler Mobilität sind nun Lieferengpässe bei den Zulieferern. Laut Bosch eBike Systems, die den Markt unter anderem mit Akkus, Displays und Motoren versorgen, könnten manche Räder nur mit monatelanger Verspätung ausgeliefert werden. Geschäftsleiter Claus Fleischer sagt, das werde auf absehbare Zeit auch so bleiben. Wegen der Corona-Pandemie sei es zu großen Ausfällen bei Lieferanten aus Asien gekommen. „Wir sehen im Moment vor allem eine Verknappung von mechanischen Komponenten: Rahmen, Gabel und Bremsen. Die Fahrradhersteller kämpfen um jedes Rad, das sie bauen können, weil immer wieder Komponenten fehlen.“ Knapp seien allerdings auch die elektronischen Bauteile, auf die Bosch angewiesen ist. Das liege aber nicht nur an Engpässen bei den Lieferanten, sondern auch am gestiegenen Bedarf.
Das elektronische Gold: Halbleiter fehlen
Ein weiterer Grund für Lieferschwierigkeiten ist die derzeitige weltweite Halbleiter-Knappheit. Halbleiter sind der Hauptbestandteil von Mikrochips. Unter anderem sind Steuergeräte von Autos, Handys und Kameras auf die Halbleiter angewiesen. Die Nachfrage danach sei viel höher als noch vor drei, vier Jahren, sagte Fleischer. Und schnell nachproduzieren geht nicht: moderne und leistungsstarke Chips werden sehr aufwendig hergestellt. Der Produktionsprozess kann Monate in Anspruch nehmen. Deshalb planen die Halbleiterhersteller ihre Kapazitäten lange im Voraus und können nur schwierig auf Schwankungen reagieren.
Fachkräftemangel in der Fahrrad-Branche
Es fehlt der Branche jedoch nicht nur an Rahmen, Gabeln, und Mikrochips. Es fehlen auch Fachkräfte. Der Boom im E-Bike-Segment ändert das Anforderungsprofil. Ingenieure mit Erfahrung aus der Fahrradindustrie sind schwer zu bekommen. Das Problem ist für die Branche nicht neu. Seit 2018 stöhnt sie unter zu wenig Personal in Handel und Produktion. Für dieses Problem braucht die Branche einen langen Atem. Ausbildung und Qualifizierung brauchen viele Jahre und andere Branchen locken verfügbare Ingenieure oft mit höheren Gehältern. Vor einigen Jahren startete der Branchenverband VSF e.V. unter anderem mit einem Berufsportal eine Initiative junge Menschen für einen Beruf in der Fahrrad-Industrie zu begeistern. Daneben braucht es zudem attraktive Ausbildungs- und anschließend Verdienstmöglichkeiten.
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