3G in Bussen und Bahnen: Mit drei Monaten Anlauf
Als im Sommer über 3G in öffentlichen Verkehrsmitteln diskutiert wurde, hieß es: praktisch nicht umsetzbar. Und jetzt soll alles anders sein? mobility.talk beantwortet die wichtigsten Fragen zur Einführung der Regel.
Die Debatte ist schon viele Wochen alt. Bereits im August diskutierte Deutschland über eine Einführung der 3G-Regelung in öffentlichen Verkehrsmitteln: Virologen und Teile der Bundesregierung hatten erwogen, die Nutzung von Fernverkehrszügen nur noch für vollständig Geimpfte, Genese oder negativ Getestete zu erlauben. Allein: Sie scheiterten allesamt mit ihrem Vorhaben. Zwei Monate und einen heftigen Anstieg der Infektionszahlen später wird genau das eingeführt. Mehr noch: Die Maßnahmen, auf die sich die künftigen Koalitionsparteien geeinigt haben, gehen noch weiter.
„Wer ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, muss dann entweder geimpft, genesen oder getestet sein“, heißt es in dem Beschluss. Es geht nicht mehr nur um Fernzüge. Auch im ÖPNV, also in Bussen U- sowie S-Bahnen, gelten Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte. Vorher galt lediglich die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske, mancherorts musste es eine FFP2-Maske sein. Wer sich weigert, kann von der Mitfahrt ausgeschlossen werden. Soweit die Theorie. Die Einführung einer 3G-Regel wirft vor allem die Frage nach der praktischen Umsetzung auf.
Spahn im September: „Sehe 3G-Regelung nicht kommen“
Genau das war schon im Sommer, als andere europäische Länder 3G-Regelungen in Fernverkehrszügen einführten, das entscheidende Argument der Gegner eines solchen Vorgehens in Deutschland. „Praktisch nicht durchführbar“, lautete damals die Bilanz in Verkehrs-, Gesundheits- und Innenministerium. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG wies darauf hin, dass die ohnehin stark belasteten Kontrollierenden von Fahrkarten nicht noch zusätzlich Impfzertifikate und Testergebnisse überprüfen könnten.
Ein wichtiges Argument war seinerzeit auch der „offene Zugang“ des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. In einer Analyse des Verkehrsministeriums hieß es: „Eine Kontrolle beim Einstieg ist aufgrund der kurzen Haltezeiten ausgeschlossen.“ Hinzu kämen die vielen Einstiegsmöglichkeiten an den insgesamt mehr als 5000 Bahnhöfen in Deutschland. Verkehrsverbünde verwiesen zudem auf Untersuchungen, dass das Infektionsgeschehen in Zügen und Bussen verglichen mit anderen Innenräumen signifikant geringer ausfalle. Nicht zuletzt galt es, Personal in den sogenannten systemrelevanten Berufen weiterhin zu ermöglichen, mit Bus und Bahn zu ihren systemrelevanten Arbeitsplätzen zu fahren. Conclusio von Gesundheitsminister Jens Spahn: „Ich sehe diese Regelung nicht kommen.“
Das war Anfang September. Und jetzt ist alles anders.
Merkel begrüßt 3G im öffentlichen Verkehr
Zweieinhalb Monate später spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel von einer „gesteigerten Dringlichkeit“. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht das ähnlich: „In dieser Corona-Situation ist es unverantwortlich, dass Menschen ungeimpft und ungetestet in vollen Zügen im Fernverkehr stundenlang eng neben anderen Passagieren sitzen.“ Ab dem 25. November soll die neue Regelung in Kraft treten.
Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass 3G-Regeln im öffentlichen Verkehr dazu beitragen können, das Infektionsgeschehen zu reduzieren. Wer in Italien (Inzidenz 86) oder Frankreich (Inzidenz 104) ohne Maske, ohne Impfnachweis oder ohne negativen Test erwischt wird, muss nicht nur aussteigen. Es wird auch eine Geldstrafe in Höhe von 135 Euro fällig. Das hat offenbar abschreckende Wirkung: Von zahllosen Auseinandersetzungen zwischen ungeimpften und ungetesteten Mitfahrer*innen und dem Zugpersonal ist nichts bekannt. Die Mehrheit der Reisenden hält sich an die Regeln – oder wählt andere Verkehrsmittel wie das Auto. Wie hoch mögliche Sanktionen bei Verstößen in Deutschland ausfallen sollen, ist unklar.
3G in Italien und Frankreich längst Usus
Grundsätzlich unternehmen Länder wie Italien und Frankreich viel dafür, die Menschen nicht prinzipiell vom Reisen mit dem Zug abzuhalten. An Bahnsteigen haben sie an vielen Orten mobile Test-Center und Apotheken errichtet. Wer trotzdem seinen Zug verpasst, weil er auf das Ergebnis seines Tests warten muss, bekommt die Kosten erstattet oder erhält ein Ticket für den nächsten Zug.
In den genannten Ländern sind mit dem Beginn der Pandemie ebenso wie in Deutschland die Passagierzahlen in Bussen und Bahnen eingebrochen, teilweise um bis zu 80 Prozent. Die Verkehrsunternehmen darben, die Rückkehr der Kunden verläuft schleppend. Werden nun strengere Zugangsregelungen eingeführt, hat das auch eine klare wirtschaftliche Komponente. Die Zahl der zahlenden Gäste wird zwangsläufig sinken. Andererseits gilt das auch für die Schließung von Restaurants und Clubs.
20.000 Stichproben pro Tag
Bleibt noch die Frage nach der Umsetzbarkeit. Vergleiche mit Flughäfen verbieten sich, da deren Zahl erstens viel geringer ist und zweitens der Zustieg viel kontrollierter abläuft. Hier wird seit Monaten 3G praktiziert – und niemand beschwert sich darüber. Im Bus- und Bahnverkehr sehen die Verkehrsminister der Länder die praktische Umsetzung jedoch kritisch. „Das kann letztlich nur mit Stichproben-Kontrollen gehen“, sagte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK), Bremens Senatorin Maike Schaefer (Grüne): „Kein Verkehrsunternehmen in ganz Deutschland kann es schaffen, die Fahrgäste alle durch zu kontrollieren, wenn sie in Bus und Bahnen steigen.“
Das neue Gesetz verpflichtet die Verkehrsunternehmen zu diesen Stichproben-Kontrollen. Seit vergangenem Mittwoch überprüfen rund 9.000 Sicherheits- und Kontrollmitarbeiter 400 Verbindungen im Fernverkehr. 20.000 Fahrgäste pro Tag würden kontrolliert, gibt die Deutsche Bahn an. Viele Verstöße konnten die Kontrollierenden dabei bislang nicht feststellen. Bis Samstagabend verwies die Deutschen Bahn nach eigenen Angaben 40 Fahrgäste ohne 3G-Nachweis aus öffentlichen Zügen.
Und wie steht in der Bevölkerung um die Akzeptanz dieser Maßnahme? Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die flächendeckende Einführung von 3G-Regeln in öffentlichen Verkehrsmitteln mitträgt. Demnach gaben 68 Prozent der Befragten an, die Maßnahmen „voll und ganz“ (49 Prozent), oder „eher“ (19 Prozent) zu befürworten. 26 Prozent sehen die neue Regelung kritisch. 17 Prozent davon sind „voll und ganz“ gegen 3G in Bussen und Bahnen.
Die wichtigsten Fragen zu 3G in Bus und Bahn
Seit dem 25. November gilt die flächendeckende 3G-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. mobility.talk beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Maßnahme.
Für welche Kinder gilt die 3G-Regel?
Kinder und Jugendliche, die zur Schule gehen, und Kinder unter sechs Jahren brauchen im Nahverkehr keine Test-, Impf- oder Genesungsnachweise. Bei Schülerinnen und Schülern wird davon ausgegangen, dass sie sich den regelmäßigen Tests in der Schule unterziehen.
Welche Tests sind erforderlich, um Bus und Bahn nutzen zu können?
Die täglichen Wege zur Arbeit, Uni oder zum Einkaufen können für Ungeimpfte eine komplizierte Angelegenheit werden – vor allem wenn man Bus oder Bahn braucht, um zu einer Teststation zu kommen. Bei Fahrtantritt darf die Testabnahme nicht länger als 24 Stunden zurückliegen. Zwei Tests pro Woche müssen die Arbeitgeber stellen. Mindestens einen kostenlosen „Bürgertest“ pro Woche gibt es an den Teststationen. Wer darüber hinausgehend Tests bezahlt, ist offen.
Senkt 3G die Infektionszahlen wirklich?
Mit Maske sei die Gefahr, Covid zu bekommen, in Bussen und Bahnen nicht höher als anderswo, betonen die Verkehrsunternehmen seit Beginn der Pandemie und verweisen auf Studien. Der Virologe Christian Drosten dämpfte zuletzt die Erwartungen an 3G im Verkehr. Man sei in einer Hochinzidenz-Zeit und müsse damit rechnen, dass anwesende Geimpfte ein substanzielles Risiko hätten, unerkannt infiziert zu sein. Das Ziel, Ungeimpfte vor Ansteckung zu schützen, werde somit verfehlt.
Gilt 3G auch in Taxis?
Dort gibt es keine Zugangsbeschränkung für Fahrgäste. 3G greift hier nicht. Die Branche ist erleichtert, dass die Fahrer nicht Corona-Tests und Impfzertifikate überprüfen müssen. „Für die Fahrer gilt aber wie an allen anderen Arbeitsplätzen 3G“, sagte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen. Wer ins Taxi steigt, muss allerdings eine Maske tragen.
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