Hyundais affengeiler Grandeur
Die ganze Schönheit der 1980er, versammelt in einem E-Auto: Hyundai zeigt mit dem Grandeur Heritage EV Concept ein astreines Neo-Nostalgie-Showcar.
An manche Dinge kann sich nur erinnern, wer einst mit einem Affenzahn zur Fete fuhr, um dort so richtig abzuhotten. Und selbst diese Menschen (genau, die mit Papierführerscheinen) kennen womöglich dieses Auto nicht: Der erste Hyundai Grandeur verkörpert den Zenit des Großserienautobaus in den 1980er Jahren. Gemeint ist seine sachliche Biederkeit, die fast zwangsläufig zur Nichtbeachtung führt.
Er stammt aus einer Zeit, als Dreibox-Limousinen schick, Katalysatoren teurer Luxus und Aschenbecher neben Kindersitzen eine Selbstverständlichkeit waren. Sein stehendes Hyundai-Logo auf der Haube im Stil des Mercedes-Sterns galt fast schon als gewagt. Und trotzdem schafft es Hyundai, aus genau so einem Grandeur eine fantastische Studie zu bauen. Sie lässt die Schrullen der 1980er und 90er romantisch erscheinen.
Design-Fingerübung: Hyundai Grandeur Heritage EV Concept
Der Hyundai Grandeur Heritage EV Concept sieht ungefähr so aus, wie man sich in seiner Bauzeit die Zukunft vorstellte. Zum 35. Modellgeburtstag traut das Designteam des Herstellers, was sonst nur Computerspiel-Gestalter virtuell modellieren: Pixelige LED-Lampen samt passender Grillstruktur, indirekte, warme Beleuchtung, viel rotes Velours und Bedienelemente im alten Look wirken wie aus einem Abenteuer auf der Playstation.
Große Räder gehören nicht in die Dekade, die Studie trägt zeitgemäße Felgen mit kleinem Radius. Ein Automatikwählhebel im Flugzeug-Stil und ein einspeichiges Lenkrad gehen fast als zeitlos durch – sie mogeln sich gelegentlich in manche Designsprache. Dazu kommen einige moderne Elemente. Wo früher Knöpfe und Schalter simple Funktionen steuerten, streckt sich heute ein breiter Touch-Monitor. Im Innenraum verteilen sich insgesamt 18 Lautsprecher einer aufwändigen Audioanlage. Schöne Idee: Ein weiterer Bildschirm dient im Stand als funktionales Keyboard.
Vor 35 Jahren war der Grandeur Hyundais Flaggschiff und stand in Konkurrenz zu Mercedes W124 (später: E-Klasse) oder BMW 5er. Die Studie betont ihre Position mit Elementen aus Kupfer, Lederbezügen und einem versteckten Fach in der Mittelkonsole. Für die Pressefotos legt Hyundai dekadengerechte Zigarren hinein: In den 80ern rauchte man noch beim Fahren.
Der Antrieb des Grandeur Heritage EV Concept fällt wenig nostalgisch aus. Anstelle des serienmäßigen Vier- oder Sechszylinders baut Hyundai einen Elektroantrieb samt Akku ein. Spezifikationen behält der Hersteller für sich. Im Retro-Grandeur soll es um Aussehen und Innenraum gehen,
nicht um die Antriebsart.
Retro-Party im Heimatland
Hyundai trifft mit dem Auto vor allem in den USA einen Nerv. Denn dort feiert die „Rad“-Bewegung die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Rad bezieht sich dabei nicht auf Felgen und Reifen, sondern auf das Jugendwort – frei übersetzt: affengeil. Auf großen Autotreffen („RadWood“) präsentieren Fans der Zeit, was man vor rund 30 Jahren fuhr und wie man sich anzog.
Ob der Grandeur dort auftaucht? Vermutlich nicht. Denn Hyundai feiert Autogeburtstage lieber im kleinen, nationalen Rahmen: Das erste Modell der Heritage Series, ein ähnlich überarbeiteter Hyundai Pony von 1975, parkte im Frühling 2021 im Rahmen einer Ausstellung im Hyundai Motorstudio in Busan. Nach einer großen Fete klingt das nicht. Das Grandeur-Einzelstück wird vermutlich ebenfalls nicht groß auftreten.
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