Der erste fahrerlose Shinkansen

Ein neuer technischer Meilenstein für Japans legendäre Hochgeschwindigkeitszüge: Der erste Shinkansen hat eine autonome Testfahrt absolviert.

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
Zu sehen ist der japanische Shinkansen Zug
Um acht Zentimeter verfehlt: Japans erster autonomer Hochgeschwindigkeitszug bei der Testfahrt [Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Tomohiro Yamashita]

Beim Eisenbahnverkehr gilt: Japan rollt voraus. Wer in Deutschland Anregungen sucht für einen verlässlichen, schnellen und attraktiven Bahnverkehr: Eine Fahrt Shinkansen genügt. Verspätungen kennt man nur aus Erzählungen, und die Waggons halten exakt dort, wo die Einsteigebereiche auf dem Bahnsteig eingezeichnet sind. Auch, wenn der deutsche ICE technisch gesehen schneller fahren könnte als die Shinkansen-Züge: Die Durchschnittsgeschwindigkeit japanischer Hochgeschwindigkeitszüge erreicht er in der Praxis nicht.

Nun markiert das von mehreren Eisenbahngesellschaften betriebene Shinkansen-Netz einen weiteren technischen Meilenstein: Der erste japanische Hochgeschwindigkeitszug hat eine vollautomatisierte Testfahrt absolviert. Das meldet das Portal „Golem“ unter Berufung auf die japanische Tageszeitung. „Japan Times“.

Den Test führte die Gesellschaft East Japan Railway (JR East) mit einem Zug der Baureihe E7 durch. In der Präfektur Niigata im Nordwesten der Insel Honshu aktivierte der Fahrer den autonomen Modus und startete damit die erste Testfahrt eines kommerziellen Shinkansen in Japan. Die kurze Fahrt ging allerdings nur rund fünf Kilometer weit vom Bahnhof zum Eisenbahndepot. Dabei fuhr der Zug 110 km/h statt der maximal möglichen 260 km/h.

Ziel um acht Zentimeter verfehlt

Möglich macht es die 5G-Technik, denn eine automatisierte Zugfahrt erfordert eine permanente Überwachung von Zug und Gleis. Das funktioniert nur mit einer konstanten, stabilen Datenverbindung. Gemessen an japanischen Maßstäben gibt es bei der Präzision noch Luft nach oben: Der Zug verfehlte seine geplante Position am Zielort um acht Zentimeter. JR East hatte 50 Zentimeter Toleranz zugebilligt. Der Zug habe fast so verlässlich und präzise angehalten, als wenn ein Mensch am Steuer gesessen hätte – aber eben nur fast. Das zentimetergenaue Halten am Bahnhof gehört zu den Eigenheiten japanischer Züge, die ausländischen Besuch bei Reisen in Japan in Erstaunen versetzen.

Das autonome Fahren auch abseits der Straße ist fest in den langfristigen Zielen der japanischen Eisenbahngesellschaften eingeplant. Spätestens in den 2030er Jahren rechnet JR East in einer Unternehmenspräsentation fest mit der Technologie.

Einer der Gründe: In Japans alternder Gesellschaft wird es zunehmend schwieriger, Menschen für den Beruf des Lokführenden zu begeistern. Zudem erhofft sich JR East von der Technologie in Zukunft noch mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit im Betrieb.

Auch in Deutschland wird an selbstfahrenden Zügen gearbeitet. In Hamburg fuhr im  Oktober 2021 erstmals eine S-Bahnlinie selbständig, wenn auch überwacht durch Personal. Noch 2021 soll sie in den Regelbetrieb übergehen. Hamburg will danach schrittweise das gesamte S-Bahnnetz digitalisieren.

Cockpit des japanischen Shinkansen Zuges
Ein Fahrer war bei der Testfahrt aus Sicherheitsgründen an Bord. Der Zug fuhr beim Test 110 km/h schnell [Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Tomohiro Yamashita]

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