Elektroauto mieten: Bisher nur wenig Angebot
Wie leicht ist es, ein Elektroauto zu mieten? Während Carsharing-Anbieter teilweise nur E-Autos anbieten, verschieben klassische Autovermieter das Thema lieber auf übermorgen.
Im März erweiterte der ADAC seine Mietwagen-Flotte mit dem Tesla Model 3. Und auch der Autovermieter Hertz bietet den kalifornischen Stromer zur Miete an. Ende Oktober bestellte Hertz-Übergangschef Mark Fields, ehemals bei Ford mit den Worten „Elektroautos sind nun Mainstream“ ganze 100.000 Model 3 für seine US-Autovermietung. Doch wie „Mainstream“ sind Elektrofahrzeuge im Mietwagen-Geschäft? Dem Straßenbild zufolge dürfte – anders als bei Carsharing-Anbietern – die Elektrifizierung der Mietwagen-Flotten noch nicht besonders weit sein. Wer ein Elektroauto mieten will, landet bisher meist bei spezialisierten Anbietern wie etwa Nextmove und nicht bei den Größen der Branche.
mobility.talk fragte bei den Autovermietern Europcar und Sixt nach, wie es um die Elektrifizierungspläne steht: Europcar teilt mit, es sei geplant, bis 2024 einen Anteil von 20 Prozent „umweltfreundlicher Fahrzeuge“ in die Flotte zu integrieren. Damit seien Autos gemeint, die weniger als 50 Gramm CO2 pro 100 Kilometern ausstoßen – demnach auch Plug-in-Hybride. Sixt-Chef Alexander Sixt äußerte sich im Juni 2021 gegenüber der Süddeutschen Zeitung ebenfalls vage: Er gehe davon aus, dass das Unternehmen bis 2030 weltweit bis zu 100.000 Elektrofahrzeuge in der Flotte haben werde. Das entspricht etwa einem Drittel der Sixt-Gesamtflotte.
E-Autos sind im Mietwagengeschäft unattraktiv
Warum die Mietwagenfirmen beim Thema Flotten-Elektrifizierung so vage bleiben, erklärt Stephan Lützenkirchen, Mitgründer der Auto-Abo-Plattform ViveLaCar: Sie passen nicht in das derzeitige Geschäftsmodell. Denn Verbrenner-Fahrzeuge können die Mietwagen-Firmen sehr eng takten: „Die Vermieter wollen das Auto sofort wieder ins Spiel bringen, und mit E-Autos funktioniert das nicht.“ Die Kund*Innen müssten dafür die Fahrzeuge pünktlich und vollgeladen zurückbringen. In der Regel gewähren die Vermieter zwar eine Abgabekulanzzeit von bis zu einer halben Stunde. Steht das Fahrzeug jedoch später auf dem Hof des Vermieters, wird oft eine komplette weitere Tagesmiete fällig. Da haben es die Mieter*Innen von Verbrennern sowie die Anbieter mit einem kurzen Tankstopp vor der Rückgabe oder Neuvermietung deutlich einfacher.
Lützenkirchen verweist zudem auf häufige Probleme beim Laden von Elektrofahrzeugen. Etwa Kommunikationsprobleme zwischen Fahrzeug und Ladesäule oder nicht funktionierende Abrechnungskarten. Zudem dauert das Laden eines E-Autos deutlich länger als das Tanken an der Zapfsäule. Hat der Mietende eine Ladesäule mit passendem Stecker gefunden und eine funktionierende Abrechnungskarte parat, muss er sich dennoch auf eine längere Ladezeit einstellen.
Unterm Strich: Reichweitenangst, lückenhafte Ladeinfrastruktur und Abrechnungsprobleme machen E-Autos für Vermieter wie für Kund*Innen nur wenig attraktiv im Vergleich zu Verbrennern, bei denen es nur heißt: „Voll abgeholt, also voll wiederbringen.“
Laut Lützenkirchen sind gemietete Elektroautos auch für Geschäftskund*Innen oft unattraktiv. Sind sie für berufliche Termine etwa in einer fremden Stadt, stehen sie häufig unter Zeitdruck und nutzen das Auto, um sich schnell vom Flughafen zum Termin und zurück zu bewegen. Ein längerer Ladevorgang vor der Rückgabe des Fahrzeugs ist für sie schwierig umzusetzen.
Elektroauto mieten: Wir probieren es (zum zweiten Mal) aus
Wir machen Anfang April 2022 den Selbstversuch und versuchen bei Europcar, Sixt und Avis in Berlin für die Zeiträume 4. bis 8. April und 25. bis 29 April einen elektrischen Mietwagen zu buchen. Einzige Bedingung: das Auto muss vollelektrisch fahren.
Im November 2021 versuchten wir schon einmal ein Elektroauto zu mieten. Bei Europcar hat sich das E-Auto-Angebot seit unserem letzten Versuch leicht verändert. Zuvor waren Mercedes EQC und Jaguar I-Pace im Angebot. Letzteren ersetzt der Anbieter nun durch einen Polestar 2.
Vom 4. Bis zum 8. April hat Europcar kein E-Auto für uns. Im zweiten Zeitraum (25. Bis 29. April) stehen uns der Polestar 2 und ein Audi E-Tron zur Verfügung. Letzteren listet Europcar in seiner Elektroauto-Liste nicht.
Sixt bietet auf seiner Webseite folgende Elektromodelle an: Opel Corsa-e, Renault ZOE, BMW i8, BMW i3, Audi E-Tron und den Peugeot e-208. Verfügbar ist jedoch nur der Audi E-Tron. Wir könnten ihn vom 25. Bis 29. April mieten.
Avis bietet das Tesla Model 3 und das Model Y zur Miete an. In Berlin bekommen wir für beide Zeiträume leider kein Fahrzeug. Im November hatte Avis noch den Porsche Taycan und den Renault Zoe zur E-Auto-Miete im Angebot. Damals war der Taycan verfügbar. Mittlerweile sind jedoch beide Fahrzeuge aus dem Angebot verschwunden.
In den vergangenen fünf Monaten hat sich die Angebotsvielfalt bei den Größen der Mietwagen-Branche kaum verändert. Dabei könnte das Elektro-Mietwagengeschäft der E-Mobilität Vorschub leisten. Denn anders als bei Carsharing-Angeboten fahren sie das Auto mehrere Tage und machen sich mit den Funktionen, vertraut. So können sich potenzielle Kund*innen selbst ein Bild über die viel besprochene Reichweitenangst, oder Lade-Probleme machen.
Autovermieter erhalten keine E-Auto-Förderung
Von der E-Auto-Förderung der Bundesregierung profitieren die Autovermieter übrigens nicht, erklärt Stephan Lützenkirchen. Der Grund: Mietwagen-Firmen kaufen sich ihre Fahrzeuge häufig über sogenannte Buy-Back-Verträge. Sie kalkulieren also damit, die Fahrzeuge nach etwa einem halben Jahr wieder zurückzugeben.
Fazit:
Die großen Autovermieter gehen das Thema E-Auto-Vermietung nur zaghaft an. Ihr Geschäftsmodell lässt sich nur schwer mit Elektroautos verbinden. Ein Wandel steht hier zwar bevor, er steckt aber noch in den Kinderschuhen.
Dennis | @MobilityTalk
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