"E-Autos sind der Weg zu stabilen Taxi-Fahrpreisen"

Die meisten Taxis fahren mit Diesel oder Benzin. Warum das so ist und was getan wird, um es zu ändern, erläutert der Leiter Berliner Taxi-Innung, Leszek Nadolski im Interview.

Taxis gibt es in Berlin an fast jeder Ecke. Bei der Mehrzahl sitzt ein Verbrennungsmotor unter der Haube. Emissionsfreie Fahrzeuge gelten als Mangelware im Taxi-Universum [Quelle: © Daimler AG]

Gut 6600 registrierte Taxen gibt es in Berlin. Die meisten davon fahren mit Verbrennungsmotor, darunter einige als Hybridfahrzeug und sehr wenige mit Erdgasantrieb. Die Zahl der Taxen mit reinem Elektroantrieb im Sommer 2021: Drei! Wobei Leszek Nadolski, der Chef der Berliner Taxi-Innung, unsicher ist, ob eines davon nicht schon wieder aus dem Verkehr gezogen wurde.

Nicht nur Nadolski hält diese Zahl für grotesk klein. Der Berliner Senat startete zum 1. Juli 2021 ein Förderprogramm und subventioniert die Berliner Taxi-Unternehmen, wenn sie reine E-Fahrzeuge in ihre Flotte aufnehmen. 25 Prozent des Anschaffungspreises kommen aus öffentlichen Fördermitteln, maximal 15.000 Euro Unterstützung kann ein Taxi-Unternehmen pro Auto bekommen. Außerdem lässt sich die Förderung mit der Elektroprämie des Bundes kombinieren. Reicht das für die Wende hin zur Elektromobilität?

mobility.talk: Herr Nadolski, warum sind E-Taxis in Berlin so selten?

Leszek Nadolski: Taxifahrer sind Gewohnheitstiere. Das System ist seit Jahrzehnten eingespielt, warum also etwas ändern? Da kann ich mir den Mund fusselig reden mit den Klimazielen und der CO2-Neutralität. Einige von den Berliner Taxifahrern werden sich nie ändern.

mobility.talk: Trotzdem sind Sie zuversichtlich. Warum?

Leszek Nadolski: Die mangelhafte Elektrifizierung der Berliner Taxifahrer liegt nicht nur an der Mentalität mancher Kutscher. Das Angebot der Hersteller ist bislang einfach zu schlecht. Es gibt kaum Elektroautos, die sich zu einem Taxi umrüsten lassen. Das ist technisch sehr kompliziert und mit ungefähr 3.000 Euro Kosten auch recht teuer. Sobald sich das ändert, die Hersteller die entsprechenden Schnittstellen einfacher zugänglich machen und die Abnahmeprozesse beschleunigt werden, wird die Zahl der E-Taxen steigen. Schauen Sie, die Entwicklung der E-Mobilität ist in den vergangenen Jahren so schnell und so impulsiv gewesen – da wurden die Taxen schlicht vergessen.

mobility.talk:Berlin hinkt hinterher. International sind Städte wie Amsterdam und Wien deutlich weiter, auch in München und Hamburg ist die Quote der E-Fahrzeuge unter den Taxen höher.

Leszek Nadolski: Deswegen freue ich ja so darüber, dass der Berliner Senat das Förderprogramm WELMO erweitert hat und nun auch die Anschaffung von Taxen unterstützt. Das war überfällig, in anderen Städten gibt es ähnliche Programme bereits. Für die meisten hiesigen Taxiunternehmer ist das ein echter Segen!

mobility.talk:Warum genau?

Leszek Nadolski: Diese Wirtschaftshilfe ist mit der Umweltprämie kombinierbar. Wer ein E-Fahrzeug anschafft, das 30.000 Euro netto kostet, kann mehr als 10.000 Euro zurückbekommen. Das ist einerseits eine willkommene Unterstützung in Zeiten der Pandemie, die uns stark zugesetzt hat. Andererseits ist es der dringend benötigte Impuls, etwas zu ändern. Wir fühlen uns mit verantwortlich dafür, der Stadt zu helfen, die Klimaziele zu erreichen und wollen nach und nach CO2-neutrale Taxifahrten anbieten.

Jeder zweite Taxi-Gast erkundigt sich beim Fahrer nach dem Auto, in dem er sitzt - sagt Leszek Nadolski von der Berliner Taxi-Innung [Quelle: Berliner Taxi Innung]

mobility.talk: Wie fällt die Reaktion der Taxi-Unternehmer aus?

Leszek Nadolski: Im Moment spüre ich noch eine gewisse Zurückhaltung. Wir haben gerade drei E-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt bekommen: Einen Tesla, einen MG und einen Nissan. Mein Appell an alle ist: Testet es! Probiert aus, wie ihr damit zurechtkommt. Langfristig führt eh kein Weg dran vorbei. Bislang sind die Rückmeldungen immer sehr positiv gewesen, aber dafür müssen wir erst eine gewisse Grundskepsis überwinden. 

mobility.talk: Welches Ziel peilen Sie an?

Leszek Nadolski: Aktuell ist die Förderung bis Ende 2021 befristet. Wenn wir bis dahin 50 bis 100 E-Taxis auf Berlins Straßen hätten, wäre das ein Erfolg. Außerdem hoffe ich, dass die Förderung nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen verlängert wird. Eine Sache dürfen Sie nicht vergessen.

mobility.talk: Welche?

Leszek Nadolski: Taxis sind Multiplikatoren. Jeder zweite Fahrgast erkundigt sich nach dem Modell, in dem er gerade sitzt. Als Teil des ÖPNV sind wir ein wichtiger Botschafter für die E-Mobilität. Dafür brauchen wir möglichst viele E-Taxis auf Berlins Straßen.

mobility.talk: Die Probleme liegen auf der Hand. Lange Wartezeiten, mangelhafte Lade-Infrastruktur.

Leszek Nadolski: Die Wartezeiten sind ein Beleg dafür, dass das Interesse an E-Autos stark gestiegen ist. Mit Blick auf WELMO ist es wichtig, den Antrag im zweiten Halbjahr 2021 zu stellen. Die Förderung gilt dann auch noch, wenn das Auto erst nächstes Jahr ausgeliefert wird. Im Moment sind nur wenige Fahrzeuge verfügbar, das stimmt. Der Großteil der aktuellen Taxiflotte besteht aus Modellen von Volkswagen und Mercedes. Die E-Autos, die am besten zu bekommen sind, kommen aber von Hyundai, MG oder Nissan. Ein Kutscher, der 30 Jahre lang Mercedes gefahren ist, zeigt mir einen Vogel, wenn ich ihm einen Hyundai vorschlage. Ich sage ja: Es wird ein längerer Prozess…

mobility.talk: Und wie lösen Sie die Frage der Ladepunkte? Die sind jetzt schon knapp, ohne dass Taxis in großer Zahl mitladen.

Leszek Nadolski: Langfristig ist geplant, die Taxibuchten großflächig mit Ladesäulen auszustatten. Außerdem schaffen wir am Westhafen gerade die Möglichkeit zum Akkutausch. Ende des Jahres wollen wir das im Rahmen von ca. zehn Fahrzeugen testen. Mein Eindruck ist: Es geht, wenn wir es wollen. Wir hatten einen Taxifahrer, der hat das Auto auf 0,3 Prozent Akkustand heruntergefahren, weil er es nicht geschafft hat, zu laden. Dieser Mann wird sich nie ein Elektrofahrzeug anschaffen. Ein Berliner Taxi fährt am Tag durchschnittlich 150 Kilometer. Dafür brauchen wir keine stundenlangen Ladezeiten. Ich habe es gemerkt, als ich selbst den Nissan gefahren bin: Es macht keinen Sinn, sich zur Feierabendzeit eine Ladesäule zu suchen. Da sind alle besetzt. Aber zur Mittagszeit, oder abends? Kein Problem. Das meine ich, wenn ich sage, dass wir uns herantasten müssen. Es geht nicht von heute auf morgen. Aber es geht.

mobility.talk: Wird eine großflächige Elektrifizierung langfristig Auswirkungen auf die Fahrtpreise haben?

Leszek Nadolski: Natürlich, das ist der einzige Weg, die Tarife einigermaßen stabil zu halten. Themen wie Verschleiß fallen dann natürlich weg. Im Moment ist Strom noch nicht wirklich billiger als Sprit, deswegen kann ich mir schwer vorstellen, dass Taxifahren für Kunden günstiger wird. Aber die Elektrifizierung ist der Schlüssel dazu, dass die Preise stabil bleiben.

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