Frankreich führt Warnhinweise auf Autowerbung ein
Wer in Frankreich für Autos wirbt, muss bald auch Gehen, Radfahren und Carpooling bewerben. Die neue Regelung tritt am 1. März in Kraft.
In vielen Ländern müssen Hersteller vor schädlichen Effekten ihrer Produkte warnen. Das gilt für Produzenten von Zigaretten, Alkohol oder ungesunden Lebensmitteln – und in Frankreich nun auch für Autos. Das Land verpflichtet Autohersteller ab diesem Jahr dazu, in ihren Werbekampagnen umweltfreundliche Methoden der Fortbewegung zu empfehlen.
In einem „leicht erkennbaren und abgegrenzten Feld“ müssen Werbemittel der Autoindustrie eine der folgenden Aufforderungen enthalten: „Auf kurzen Wegen bevorzugt zu Fuß gehen oder Radfahren“, „Denk über Fahrgemeinschaften nach“ oder „Täglich öffentliche Verkehrsmittel nutzen“. Ergänzt wird eine dieser Aussagen stets durch den Hashtag „#SeDéplacerMoinsPolluer“, was so viel bedeutet wie „Mobil sein, weniger verschmutzen“.
Genaue Vorschrift: Sieben Prozent der Werbefläche
Ähnlich wie bei anderen Pflichtangaben, etwa zum Spritverbrauch, beinhaltet die gesetzliche Regelung genaue Vorgaben, wie sie von den Werbenden umzusetzen ist. Handelt es sich um eine Bildwerbung, etwa ein Werbeplakat, eine Zeitungsanzeige oder ähnliches, muss der Text in einem horizontalen Feld stehen und mindestens sieben Prozent der Werbefläche einnehmen. Erscheinen mehrere Anzeigen auf einer Seite, müssen die Slogans wechseln. Das gilt auch für größere Kampagnen. Werbende müssen ein Plakatmotiv also in mindestens drei Ausführungen drucken.
In der Radiowerbung müssen die Appelle zu umweltfreundlichem Verkehrsverhalten „gut verständlich und klar von der Werbebotschaft abgegrenzt“ am Ende der Anzeige gesprochen werden. Online-Anzeigen müssen sie zu jedem Zeitpunkt zeigen, solange die Anzeige sichtbar ist. Filmische Werbemittel, etwa Kinospots oder Fernsehwerbung, sollen den Text so lange einblenden, dass er in voller Länge lesbar ist.
Das klingt im ersten Moment skurril, ist aber offizielles Recht: Der entsprechende Erlass des Ministeriums für ökologischen Wandel wurde am 28.12.2021 von der zuständigen Ministerin Barbara Pompili unterzeichnet und im Gesetzblatt der Französischen Republik veröffentlicht. Er ist damit rechtskräftig und tritt am 1. März 2022 in Kraft.
Verstöße kosten bis zu 50.000 Euro
Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro. Das klingt für große Autokonzerne womöglich überschaubar – aber es ist viel Geld für mittelständische Autohändler, die den Großteil der Autowerbung in Regionalmedien schalten. In Deutschland kam es in einem ähnlichen Zusammenhang immer wieder zu Abmahnungen wegen falscher Schriftgrößen oder der Platzierung von Pflichtangaben. Bei uns gilt bisher nur eine EU-weit vorgeschriebene Pflichtangabe zu Verbrauch und CO2. Auf Werbemitteln für Autos müssen „Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen im Sinne der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) in ihrer jeweils geltenden Fassung“ stehen. Verstöße, auch Formfehler, hatten vor allem Umweltvereine verfolgt und abgemahnt.
Kompromiss zugunsten der Industrie
Auch in Frankreich greift die Regierung mit der neuen Pflicht eine langjährige Forderung von Umweltverbänden auf. Die Regel gilt als Kompromiss zugunsten der Autoindustrie: NGOs hatten nach Angaben der Tageszeitung „Le Monde“ ein komplettes Werbeverbot für Autos gefordert, die mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Nun will Frankreich ab 2028 Werbung für alle Autos verbieten, die mehr als 123 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Bis dahin gilt die Pflicht, für andere Formen der Mobilität zu werben.
Was der Autoindustrie vor allem aufstößt: Die Regelung gilt auch für Elektroautos. Die Dekarbonisierung des Verkehrs bedeute nicht nur den Wechsel auf Elektroautos, sagt Ministerin Pompili. Wann immer möglich, sollten der öffentliche Verkehr oder das Fahrrad genutzt werden. „Ich finde das bevormundend, es stigmatisiert das Auto“, sagte Hyundais Frankreich-Chef Lionel French Keogh der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Regel konterkariere den Wunsch der Regierung, mehr Elektroautos auf die Straße zu bekommen.
Strenge Regeln für Werbung kennen die Franzosen bereits seit vielen Jahren: Die Tabakindustrie muss, wie auch in Deutschland, großflächige Warnhinweise auf ihren Packungen anbringen. Zusätzlich darf sie in Frankreich seit 2015 ihre Logos und ihr Corporate Design nicht mehr auf die Schachtel drucken: In französischen Kiosken sind alle Zigarettenschachteln einheitlich schwarz – abgesehen von den vorgeschriebenen Schockbildern.
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