IdeenzugCity: Die S-Bahn der Zukunft?
Digitaler Concierge, flexible Sitze und Algen für die Luftreinigung: Der IdeenzugCity der Deutschen Bahn zeigt, wie die Zukunft des ÖPNV aussehen könnte.
Wie sieht der Öffentliche Nahverkehr der Zukunft aus? Den Ideen der Deutschen Bahn folgend werden viel mehr LEDs, eine Menge Displays und ein interessantes Luftreinigungs-Konzept eingesetzt. Mit dem „IdeenzugCity“ zeigt die Deutsche Bahn ihr Konzept: sie will in Zukunft flexibler auf das unterschiedlich hohe Fahrgastaufkommen reagieren können und gleichzeitig auf Bedürfnisse der Fahrgäste besser eingehen. Die Deutsche Bahn selbst nennt das 22,5 Meter lange Konzept-Fahrzeug einen „Spagat zwischen maximaler Kapazität und Wohlfühlatmosphäre“.
40 Prozent mehr Kapazität auf Knopfdruck
Die Herausforderung: Morgens sind die Züge sehr voll mit Pendlern, gegen Mittag sinkt die Zahl der Fahrgäste rapide. Darauf reagiert der Zukunfts-Zug mit flexiblen Sitzlandschaften. Das Prinzip: in Stoßzeiten mehr Kapazitäten schaffen, außerhalb der Stoßzeiten mehr Komfort bieten. Deshalb sollen sich die Sitze in den Zügen per Knopfdruck ein- und ausfahren lassen. So kann die Bahn flexibel auf den Platzbedarf reagieren und bei Bedarf zusätzlichen Raum für Fahrräder und Kinderwagen schaffen.
Die sogenannten „Multiflex-Sitze“ verwandeln sich per Knopfdruck von einer vis-à-vis-Anordnung in eine Längs-Bestuhlung entlang der Fensterfront. Die Anzahl der Sitzplätze bleibt erhalten, während die Umordnung gleichzeitig mehr Raum für Stehplätze schafft. Die „einfacheren“ Flex-Sitze funktionieren ähnlich. Auch sie werden per Knopfdruck umkonfiguriert. So wird aus einer Vierer-Sitzgruppe eine Dreier-Sitzgruppe, indem einer der Fenster-Sitze einklappt und der GangPlatz sich automatisch an die freigewordene Stelle schiebt. Wird es richtig voll, etwa zur Rush-Hour, stehen Stehsitze zur Verfügung. Sie können bei Bedarf ineinander geschoben werden und schaffen so mehr Raum.
Wo ist der nächste Sitzplatz?
Der erste Waggon ist sehr voll und der letzte Waggon sehr leer. Dem soll künftig eine intelligente Fahrgastlenkung entgegenwirken. Dazu befinden sich über den Einstiegstüren Anzeigetafeln, sogenannte „Over-Door-Displays“. Sie informieren über die Auslastung der einzelnen Waggons, das Reiseziel und Zwischenhalte.
Was außen beginnt, setzt sich innen fort: Fahrgäste werden zu freien Plätzen geleitet. Videokameras zählen dafür anonymisiert die Personen im Waggon und verfolgen ihre Laufwege im Fahrgastraum. Diese Daten gleicht das System mit der Anzahl freier Steh- und Sitzplätze in einzelnen Wagenabschnitten ab. Displays und eine „Effektbeleuchtung“ in Form von in den Boden eingelassenen LEDs leiten die Fahrgäste dann zu den leereren Wagen.
Arbeiten in der S-Bahn
In der S-Bahn der Zukunft soll besser gearbeitet werden können. Dazu bietet der IdeenzugCity zwei Arbeitsbereiche. Im sogenannten „Privacy-Bereich“ befinden sich Stehstützen zum Anlehnen und Klapptische. Ein Paneel sorgt für etwas Privatsphäre. Reisende finden dort ein integriertes Display vor, das als zweiter Bildschirm für einen Laptop dienen könnte. Wobei es sich hierbei eindeutig um eine reine Fingerübung handelt. Wer darf schon seine Arbeit im öffentlichen Raum so sichtbar machen.
Direkt gegenüber befindet sich der zweite Arbeitsbereich. Er besteht aus einer „Arbeitstheke“ und ist nicht abgeschirmt. Die dort eingesetzten Stehstützen verfügen über einen zeitgesteuerten Magnetmechanismus. So können Arbeitende in den Stoßzeiten stehend und zu weniger frequentierten Zeiten sitzend an der Theke arbeiten.
Echte Algen für bessere Luft
An der Rückwand des Lokführerstands warten verschiedene Service-Angebote auf die Reisenden. Wer etwa einen E-Scooter dabei hat, kann ihn dort in einer Halterung parken und laden. Zudem gibt es Getränke- und Snackautomaten sowie informierende vollflächige Seitenscheibendisplays. Darüber hinaus erreichen die Reisenden über eine Video-Sprechstelle einen „digitalen Concierge“. Er informiert über Sehenswürdigkeiten oder hilft bei der Planung der Anschlussverbindung.
Am anderen Ende der S-Bahn befindet sich eine Art „Lounge-Bereich“ mit einer halbkreisförmigen Sitzbank. In der Mitte der Lounge steht eine Luftfilter-Insel“. Sie besteht aus einem beleuchteten Plexiglaskörper in dessen Inneren echte Algen auf Paneelen wachsen. Sie sorgen für eine kontinuierliche Luftreinigung. Beleuchtet wird dieser Bereich von einem Licht-System, welches das Sonnenlicht imitiert.
Einen virtuellen Rundgang im IdeenzugCity findest Du hier. Der ÖPNV-Ideenzug ist das zweite Konzept-Fahrzeug der Deutschen Bahn. Bereits 2018 stellte das Unternehmen mit dem „IdeenzugRegio“ ein Konzept für das Langstrecken-Pendeln der Zukunft vor.
64 Euro Investition pro Kopf
Die Verkehrswende erfordert weniger Individualverkehr und mehr öffentliche Verkehrsmittel. Damit dies gelingt, muss der ÖPNV attraktiver werden, mit besser ausgebautem Angebot und flexibleren Tarifmodellen. Aber auch mit mehr Komfort und intelligenteren Lösungen. Der IdeenzugCity gibt einen Ausblick darauf, wie die Bahn sich eine solche Zukunft vorstellen kann. Problem: Derzeit sind gerade einmal ein Prozent des deutschen Schienennetzes digitalisiert. Elektrifiziert sind etwa 54 Prozent. In Zahlen: Pro Jahr investierte Deutschland zuletzt 64 Euro in den Ausbau des Schienennetzes. Zum Vergleich: in der Schweiz sind es 378 Euro, in Österreich 198 Euro.
Der IdeenzugCity in Bildern
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