LFP-Akku, NMC oder Kochsalz? Die Zukunft der E-Auto-Batterie

Tesla und VW verwenden in einigen Modellen LFP-Batterien. Wo der LFP-Akku besser ist als gängige Akkus? Ob die Feststoffbatterie die Lösung ist? Das klären wir hier.

Dennis Merla
Dennis Merla
Frau fährt in Ihrem Elektroauto mit einer großen Batterie auf dem Dach übers Land
Neu ist der LFP-Akku nicht. Seit etwa 15 Jahren ist die Technologie bekannt. Bei Herstellern von Elektroautos erfährt sie nun ihre Renaissance [Quelle: Adobe Stock]

Das wichtigste Bauteil eines Elektroautos ist seine Batterie. Sie definiert die Reichweite und den Ladestrom, beeinflusst Gewicht und Preis, ist elementar für Sicherheit und Umweltverträglichkeit. An der Qualität der Traktionsbatterie hängt der Erfolg des Autos. Hersteller und Konzerne forschen deshalb daran, mit neuen Materialien und Technologien ihre Batterien zu verbessern. Der neueste Trend ist eigentlich ein alter Bekannter: Lithium-Eisenphosphat-Akkus kommen seit einigen Monaten in Teslas Mittelklasse-Modellen zum Einsatz. Einige Medien nennen ihn den „Wunderakku“. Experten kürzen ihn aufgrund der Materialien LFP-Akku ab.

Aber was steckt hinter der LFP-Batterie? Was kann der LFP-Akku besser und wo liegen die Nachteile? Befinden sich interessante Alternativen in der Entwicklung? Und: Wie steht es um sogenannten Feststoffakkus, die regelmäßig in Aussicht gestellt werden? Wir befragen einen Experten zum Status Quo und der näheren Zukunft der Akkutechnik für Elektroautos.

Die Wahl des Akkus ist immer ein Kompromiss

Um die Trends zu verstehen, muss man den Stand kennen. Heute fahren die meisten Elektroautos mit Lithium-Ionen-Akkus. Die kennt jeder, der ein Handy oder einen Laptop besitzt. Sie gelten derzeit als der beste Kompromiss aus Größe, Gewicht und Leistung. Aber sie haben Nachteile: Zum einen sind sie in der Produktion recht teuer. Zudem enthalten sie neben Lithium Rohstoffe wie Nickel, Mangan und Kobalt.

Experten sprechen deshalb von NMC-Akkus. Ein großes Problem: Kobalt wird oft unter widrigen Umständen abgebaut, zum Teil sogar mit Kinderarbeit. Dafür muss es schnellstmöglich eine Alternative geben. Außerdem können sich viele Kunden an explodierende Akkus in Samsung-Handys erinnern und sind deshalb beunruhigt. 

Bringt der Lithium-Eisenphosphat-Akku bei Preis, Materialherkunft und Sicherheit Vorteile? Dirk Uwe Sauer ist Professor für elektrochemische Energiewandlung & Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen. Er erklärt Pro und Contra der neuen Technik. Das nimmt ihr einen Teil des Zaubers: „Der ‚Wunderakku‘ ist im Kern einfach günstiger und bietet etwas mehr Sicherheit. Außerdem ist er schwerer und hat weniger Energiedichte“.

Der richtige Akku für die richtige Anwendung

LFP-Akkus bringen also zwei Nachteile mit, die nicht so richtig in die langfristige Entwicklung von Elektroautos zu passen scheinen: Mehr Gewicht, weniger Energiedichte. Aber ihr niedrigerer Preis ist ein wichtiger Hebel. Der Markt verlangt günstige und kleine Elektroautos für die Stadt. Die brauchen keine maximale Reichweite, aber kleine Preise. Autohersteller nehmen die Schwächen des Eisenphosphat-Akkus also bewusst in Kauf, um in niedrigen Preissegmenten Autos anbieten zu können. VW kündigt an, die Technik in den künftigen Modellen ID.1 und ID.2 einzusetzen. Dafür hat sich der Konzern im vergangenen Jahr mit rund 1,1 Milliarden Euro am chinesischen Batterie-Hersteller Gotion eingekauft.

Für Elektroautos mit höchstmöglicher Reichweite eignet sich der Lithium-Eisenphosphat-Akku nur bedingt. Dr. Sauer erklärt: „Es gibt einen begrenzten Bauraum für die Batterie in den Fahrzeugen. Wenn Sie maximale Reichweite haben wollen, dann bauen sie die Zelle mit der höchsten Energiedichte ein. Das sind dann eher die auf Mangan-Nickel-Cobalt basierenden Systeme“. Also NMC-Akkus, die wir aus unseren Smartphones kennen. Tesla verwendet diese Akkus daher auch weiterhin in den teureren, auf hohe Reichweite optimierten Varianten seiner Modelle. Elon Musk sieht den Einsatzzweck von LFP-Batterien bei „75 Prozent aller Pkw“. Ihm geht es bei den LFP-Akkus also um die Volumenmodelle. Bereits im vergangenen Jahr liefen die ersten Tesla Model 3 mit LFP-Akku für den chinesischen Markt vom Band.

Tesla Supercharger (Ladesäulen)
Tesla-Chef Elon Musk setzt auf LFP. Drei Viertel aller Tesla-Modelle sollen künftig mit dem LFP-Akku fahren [Quelle: Picture-Alliance | Kim Matthai Lelan]

Der Lithium-Eisenphosphat-Akku bringt einen weiteren, entscheidenden Vorteil mit. Der Nickel-Mangan-Kobalt-Akku kann rund 3.000 Ladezyklen erreichen. Das heißt, der Akku schafft etwa 3.000 Mal komplette Be- und Entladungen. Die LFP-Batterie erreicht dagegen zwischen 5.000 und 10.000 Ladezyklen. Im Fall des Elektro-Kleinwagens Peugeot 208-e mit 50-kWh-Akku stünden nach ausgereizten 10.000 Ladezyklen ganze 2,8 Millionen Kilometer auf dem Tacho – gut das zehnfache des üblichen Solls eines Pkw.

Der chinesische Fahrzeughersteller BYD setzt ebenfalls auf Eisenphosphat. Er begründet dies in erster Linie mit der gesteigerten Sicherheit. Sind NMC-Akkus also gefährlicher als LFP-Akkus? Nicht wirklich, erläutert Professor Sauer. Die Lithium-Ionen wandern im Akku immer hin und her. Je nachdem, ob auf- oder entladen wird. Sie transportieren den Strom. Sauer erklärt: „Von dem Lithium, das drinsteckt, nutzt man beim Aufladen 60 – 70%. Wenn Sie mehr nutzen, wird das System instabil.“ Damit beim Ladevorgang nicht mehr als 70 Prozent des vorhandenen Lithiums in Bewegung geraten, überwachen Batteriemanagementsysteme jede einzelne Zelle. 

Professor Sauer weist darauf hin, dass aktuelle Batterien allen Sicherheitsanforderungen entsprechen: „Auch beim klassischen Akku ist die Brandgefahr nicht höher als beim konventionellen Fahrzeug. Es brennen nicht mehr batterie-elektrische Fahrzeuge relativ zu ihrer Zahl auf der Straße als konventionelle Fahrzeuge“.

Niedrige Verbräuche für hohe Reichweiten

Es bleibt das Defizit in der Leistung. Hier führt die NMC-Technik langfristig, sagt Professor Sauer. Physikalisch kann der LFP-Akku nicht die Energiedichte des klassischen Lithium-Ionen-Akkus erreichen. Dieser Umstand könnte sich jedoch relativieren: „Die Hersteller werden sicherlich in den nächsten Generationen der Fahrzeuge verstärkt darauf setzen, den Energieverbrauch massiv herunterzusetzen. Wenn es irgendwann zu einer Sättigung des Runs auf größere Reichweiten kommen sollte, dann kann sich in Verbindung mit der Reduzierung des Energieverbrauchs das Eisenphosphat etwas hocharbeiten“.

Mercedes etwa kündigt für 2022 unter dem Projektnamen „Vision EQXX“ ein Fahrzeug an, das bereits deutlich sparsamer fahren soll. Weniger als 10 kWh pro 100 Kilometer versprechen die Stuttgarter. Damit soll eine reale Reichweite von 1.000 Kilometer möglich sein. Zum Vergleich: Ein Audi RS E-Tron GT verbraucht auf der Autobahn 22,3 kWh auf 100 Kilometer. Im Pendelverkehr sind es 16,4 kWh. Ein Tesla Model S P90D kam im ADAC-Ecotest auf der Autobahn auf 24 kWh.

Das Phantom Feststoffbatterie

Seit Jahren lesen wir im Zusammenhang mit der Feststoffbatterie vom „baldigen Durchbruch“. Für viele bedeutet sie die Revolution des Elektroautos. Der Clou: Anstatt eines flüssigen Elektrolyts leitet ein Festkörper die Ionen weiter. Die Batterien fallen so kompakter und leichter aus. Wegen des fehlenden flüssigen Elektrolyts sind sie zudem noch weniger brandanfällig. Ihre Zusammensetzung, die sogenannte Zellchemie, bleibt jedoch weitgehend dieselbe wie bei NMC-Batterien. 

Für die Verwendung als Stromspeicher in Elektroautos sieht Professor Sauer die Feststoffbatterie jedoch noch nicht geeignet: „Ich kenne kein Forschungsinstitut, das sich mit dem Testen oder der Integration solcher Batterien beschäftigt, die einen ansatzweise halbwegs kommerziellen Ansatz haben könnte. Das ist noch ein Phantom, in gewisser Weise. Es gibt natürlich in den Grundlagenforschungslabors Zellen, aber die sind weit weg davon, das Gesamtportfolio der Anforderungen zu erfüllen“.

Bis zur Feststoffbatterie ist es also noch ein weiter Weg. Kommen wird sie zwar, das ist klar. Ob sie aber den Anforderungen an E-Auto-Akkus gerecht werden kann, bleibt noch offen. „Die Hersteller setzen ja stark darauf, mit sehr hohen Ladeleistungen die Batteriezellen aufzuladen, um die Ladezeiten zu verkürzen. Das ist eigentlich nicht das, was man von einer Festkörper-Batterie erwarten sollte“, sagt Professor Sauer.

So könnte die Batterie der Zukunft aussehen

Ist die Feststoffbatterie also gar nicht der erhoffte Durchbruch? Was können wir stattdessen erwarten? Ein altes Hausmittel. Im nächsten Schritt könnte Natrium das Lithium in den Akkus ersetzen. Salopp ausgedrückt: Unsere Autos speichern ihren Strom womöglich bald mit Salz.

Ein Vorteil der Natrium-Batterie: Sie kommt ohne die kritischen Rohstoffe Nickel, Mangan und Kobalt aus. Zudem ist Natrium auf der Erde in ausreichend großer Menge vorhanden. Der chinesische Batteriehersteller CATL hat jüngst eine Natrium-Ionen-Zelle vorgestellt. Auch in Deutschland wird an ihr geforscht. Die Entwicklung sei jedoch noch nicht weit genug um zu beurteilen, ob und wann sie in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen könnte, sagt Professor Sauer. Natrium sei zwar deutlich günstiger als Lithium. In einem Lithium-Ionen-Akku befinden sich jedoch gerade einmal drei Prozent Lithium. Der Kostenfaktor wird also nicht das Hauptargument für einen Natrium-Ionen-Akku.

Eine Schale mit Salz steht auf einem Tisch
Natrium ist ein Bestandteil von Kochsalz [Quelle: Adobe Stock]

Mehr Energiedichte mit Silizium-Anoden

Weil der Bauraum in Elektroautos begrenzt ist, können die Hersteller die E-Auto-Batterien nicht endlos vergrößern. Um mehr Reichweite zu erzielen, braucht es daher andere Lösungen. Eine davon ist das Ersetzen der in NMC-Akkus üblichen Graphit-Anode durch eine Silizium-Anode. Silizium erreicht im Vergleich zu Graphit eine deutlich höhere Energiedichte pro Volumen. Theoretisch könnte ein solcher Akku eine bis zu zehnfach höhere Ladekapazität erreichen. Reichweiten-Angst käme im Elektroauto dann nicht mehr auf. Darüber hinaus erhöht die gesteigerte Energiedichte die Lebensdauer des E-Auto-Akkus. Weltweit forschen Institute und Unternehmen an dieser Technologie – unter anderem das US-Unternehmen Sila und das israelische Start-Up StoreDot.

Vor der Marktreife gilt es jedoch noch einige Probleme zu lösen. Eines davon ist die Volumen-Veränderung von Silizium beim Lade- und Entladevorgang. Denn eine Silizium-Anode bläht sich beim Laden um bis zu 400 Prozent auf. Beim Entladevorgang schrumpft sie wieder. Dabei können Risse in der Anode entstehen, die zum Kontaktverlust führen und den Stromspeicher unbrauchbar machen. Das gleiche Problem haben übrigens auch Kochsalz-, bzw. Natrium-Akkus.

Ein weiteres Problem sind Ablagerungen am Anoden-Material, die durch die Reaktion des flüssigen Lithium-Elektrolyten mit dem Silizium entstehen. Sie blockieren die Anode und können sie im schlimmsten Fall beschädigen. Trotzdem soll die Technik bis zur Mitte des Jahrzehnts in die Anwendungen gehen. Das prognostizieren zumindest StoreDot und Sila. Der Silizium-Akku von Sila soll die 2024 startende elektrische Mercedes G-Klasse, den Mercedes EQG, antreiben, teilt Mercedes mit.

Umweltschäden durch Silizium-Abbau

Das Thema E-Auto-Batterie ist stets ein Ressourcen-Thema – auch bei der NMC-Batterie mit Silizium-Anode. Silizium wird aus Sand gewonnen – Silizium gibt es also theoretisch „wie Sand am Meer“. Es handelt sich dabei um das zweithäufigste Element nach Sauerstoff. Unser Planet besteht zu 15 Prozent aus dem grau-schwarzen Halbmetall. Das klingt nach viel, doch Elektrotechnik- und Bauindustrie verbrauchen bereits viel Silizium. 30.000 Tonnen Sand stecken in einem Kilometer Autobahn. In Deutschland wird der Sand bereits knapp. Deshalb bauen viele Unternehmen ihn nicht mehr an Stränden und Sandgruben, sondern am Meeresboden ab. Damit bringen sie den Meeresboden in Bewegung, Sand aus höheren Regionen rutscht nach. Die Folgen des Abbaus werden unter anderem auf den Malediven deutlich. Dort sind mittlerweile 12 Inseln dem Sandabbau zum Opfer gefallen und einfach verschwunden.

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