TU München: E-Auto-Akkus im Härtetest

Wie viel Leistung besitzt ein E-Auto-Akku nach 150.000 Kilometern? Das wollte die TU München wissen, hat sich einen ID.3-Akku besorgt und ihn wochenlang gequält.

TU München E-Auto-Akku
Wie stark ist beim E-Auto der Reichweitenschwund nach vielen Ladevorgängen? Dem ist die TU München nun auf den Grund gegangen [Bildquelle: Picture Alliance / Torsten Sukrow]

Ein häufiger Kritikpunkt an Elektroautos ist das Nachlassen der Akku-Kapazität nach einigen Jahren. Den grundsätzlichen Effekt kennen viele von ihrem Smartphone oder Laptop. Mit den Jahren und vielen durchgeführten Ladevorgängen verlieren Akkus ihre ursprüngliche Leistung und Kapazität. Dieser Vorgang ist unvermeidbar und nennt sich Akku-Degradation.

Der Akku ist das teuerste Bauteil am Elektroauto. Geht er kaputt, führt das gerade bei älteren Elektroautos mitunter zu einem wirtschaftlichen Totalschaden. Die Hersteller liefern sich unterdessen ein Rennen um die schnellste Ladegeschwindigkeit und die größte Akku-Kapazität. Beides sind am Markt wettbewerbsrelevante Kennzahlen. Aber wie lange können diese Eigenschaften voll genutzt werden? Zum Alterungsprozess ihrer E-Auto-Batterien veröffentlichen Hersteller nur wenige Daten. Sie bieten stattdessen Laufleistungs-Garantien an.

Wie viel Rest-Kapazität bleibt also im Akku nach 150.000 Kilometern? Ist der Akku für die Verwendung im Elektroauto dann schon unbrauchbar? Das wollten Forschende der TÜ München herausfinden. Sie haben dafür einen VW ID.3 gekauft und dessen Akku einem Härtetest unterzogen.

E-Auto-Akkus halten länger als Smartphone-Akkus

Der Aufbau einer Elektroauto-Batterie gleicht zwar grundlegend dem Aufbau eines Smartphone- oder Laptop-Akkus. In beiden steckt in der Regel ein Lithium-NMC-Akku. Trotzdem behält der Stromspeicher eines Elektroautos deutlich länger seine Kapazität. Der Grund dafür ist das intelligente Batterie-Management-System (BMS). Es überwacht die Funktion der einzelnen Batteriezellen und verteilt die Last gleichmäßig auf sie. Zudem misst das System die Spannung und Temperatur der einzelnen Zellen und optimiert dies fortlaufend.

Das BMS überwacht auch den Ladevorgang und passt die Ladegeschwindigkeit gegebenenfalls an äußere oder batterieinterne Bedingungen an. Das Laden bei kalten Temperaturen belastet den Akku beispielsweise besonders stark. Fällt die Temperatur unter einen bestimmten Wert, verringert das BMS die Ladegeschwindigkeit und schont damit die Batterie. In der Akku-Degradation liegt auch der Grund, warum E-Auto-Hersteller es häufig zulassen, den Ladevorgang bei 80 Prozent Ladestand automatisch zu stoppen. Auch das verlängert die Akkulebensdauer.

TU München: Härtetest für die E-Auto-Batterie

Die TU München geht das Thema von der anderen Seite aus an: Wie viel Kapazität bleibt übrig, wenn der Akku ohne absicherndes BMS maximal strapaziert wird? Das haben die Forschenden nun am 58-kWh-Akku eines Volkswagen ID.3 getestet. Darüber hinaus besorgten sich die Mitarbeitenden drei Batterie-Module aus dem Akku-Paket eines verunfallten ID.3.

In der Studie wurde der Akku mit 1c geladen und entladen. 1c bedeutet, dass die Batterie innerhalb einer Stunde komplett ent- oder geladen ist. Das Entladen mit 58 kW entspricht einer Fahrt des ID.3 unter Volllast. Aufgeladen wurde ebenfalls mit 58 kW. Dieser Wert liegt unter den Möglichkeiten des ID.3, der mit maximal 125 kW laden kann.

Anders als es das verbaute Batterie-Management-System zulassen würde, haben die Forschenden immer bis 0 Prozent ent- und bis 100 Prozent aufgeladen. Und das etwa 600-mal, was rund 150.000 elektrisch gefahrenen Kilometern entspricht. Als inoffizieller Industriestandard gelten 1.000 Ladezyklen. An ihm orientieren sich die Hersteller in der Regel, auch wenn das nur wenige Kund*innen erleben werden.

Die Ergebnisse der TU München überraschen: Insgesamt übertreffen die gemessenen Zyklen die von den Herstellern angegebenen Laufleistungs-Garantien bei weitem. Nach der Tortur besitzt der Akku immer noch 89 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität. Das heißt, selbst bei völlig unsachgemäßer Anwendung, die in der Praxis die Fahrzeug-Software verhindert, verringert sich die Reichweite des Fahrzeugs nach 150.000 Kilometern nur um knapp 10 Prozent. Im Falle des getesteten VW ID.3 gibt Volkswagen 408 Kilometer Reichweite an. Nach dem Stresstest sinkt die Reichweite auf 367 Kilometer.

Diesen Test wiederholten die Forschenden der TU München nochmals in einem realitätsnäheren Szenario. Hier wurde BMS-konform mit Gleichstrom bis 80 Prozent geladen. Nach 500 Zyklen verfügte der Akku noch über 90 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität. Die Akku-Garantie dürfte die Hersteller damit nur sehr selten belasten, wenn kein außerplanmäßiger Defekt auftritt. Denn diese beträgt bei fast allen Auto-Herstellern acht Jahre bzw. 160.000 Kilometer. Für den Garantiefall muss die Rest-Kapazität unterhalb von 70 Prozent liegen. Nach den Ergebnissen der TU München ist das kaum schaffbar. Die Ergebnisse relativieren auch die Angst vor Reichweiten-Schwund bei Elektroautos.

Second-Life oder Super-Longlife?

Selbst wenn der Energiespeicher eines Elektroautos irgendwann zu wenig Rest-Kapazität für die Anwendung im Auto besitzt, muss er nicht direkt im Batterie-Recycling landen. Die CO2-Bilanz des Akkus verbessert sich mit der Länge der Nutzungsdauer. Einige Unternehmen nutzen ausgediente Stromspeicher in sogenannten „Second-Life-Anwendungen“. So können die E-Auto-Akkus als mobile Stromspeicher, etwa für Campingplätze, dienen. In der Amsterdamer Johan-Cruyff-Arena versorgen 148 ausgediente Akkus des Nissan Leaf das Flutlicht und die Rasenheizung. Über verschiedene Second-Life-Anwendungen für ausgediente E-Auto-Batterien hat mobility-talk bereits berichtet.

Das israelische Start-Up StoreDot gab im Januar dieses Jahres bekannt, an einer Entwicklung zu arbeiten, welche die Lebensdauer von E-Auto-Akkus nochmals verlängern soll. In Versuchen erreicht das Unternehmen nach eigenen Angaben nach 1.000 Ladezyklen noch 80 Prozent Kapazität und selbst nach 1.700 Zyklen 70 Prozent Kapazität. Das macht die StoreDot-Entwicklung besonders für stationäre Stromspeicher im Second-Life-Bereich interessant. „Wir sind nun in der Lage, die Lebensdauer unserer Batterien enorm zu verlängern, und zwar weit über die Nutzungsdauer des Fahrzeugs hinaus. Dies hat nicht nur Vorteile für die Fahrer von Elektroautos, da sie die Leistung ihrer Fahrzeuge für viele weitere Jahre aufrechterhalten können, sondern auch für Second-Life-Anwendungen“, sagt StoreDot-Chef Doron Myersdorf.

Im Unterschied zu den klassischen Lithium-NMC-Akkus besteht in der StoreDot-Batterie die Anode nicht aus Graphit, sondern aus einem Silizium-dominierten Verbundstoff. Weil eine Silizium-Anode gegenüber einer Graphit-Anode bis zu zehnmal mehr Strom speichert, gilt diese Technologie als sehr effizient. Allerdings gibt es noch Probleme zu lösen. So dehnen sich Siliziumanoden beim Aufladen etwa um das Vierfache aus und schrumpfen beim Entladen. Das macht diese Akku-Technologie sehr instabil. StoreDot plant, seinen Akku 2024 auf den Markt zu bringen.

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