Lufthansa: 18.000 Leerflüge für die Quote
Um ihre Start- und Landerechte zu behalten, führt die Lufthansa 18.000 Leerflüge durch. Schlecht für Klima und Kasse – aber laut Konzern unvermeidbar.
Während der Corona-Pandemie sind die Fluggastzahlen stark gesunken. Monatelang standen die Jets der Fluggesellschaften überwiegend herum. Doch inzwischen tun sie das nicht mehr. Auch Flieger, die nicht ausgelastet oder gar nicht gebucht sind, starten. Das erscheint weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Aber eine geltende EU-Verordnung zwingt die Gesellschaften dazu. Denn: Wenn die Fluggesellschaften nicht fliegen, verlieren sie ihre Slots. Ein Slot ist ein Zeitraum von meist 20 Minuten, in dem ein Flugzeug starten oder landen darf. Sie werden von nationalen Flughafenkoordinatoren vergeben. Start- und Landerechte sind das eigentliche Kapital der Fluggesellschaften – und meist mehr wert als Flotte, Gebäude oder sonstiges.
Daher ist die Aussicht, Slots zu verlieren, für die Gesellschaften keine Option. Der EU-Regelung zufolge müssen die Airlines mindestens 80 Prozent der ihrer Slots nutzen, um in der darauffolgenden Saison ihr Recht darauf nicht zu verlieren. Im Sommer 2021 senkte die EU-Kommission die Quote zwar auf 50 Prozent. Doch schon damals kritisierte die Luftfahrtbranche diese Vorgabe als weiterhin zu hoch, gemessen am Fluggast-Aufkommen.
Die Auswirkungen lösen Kopfschütteln aus. Allein die Lufthansa lässt nach eigenen Angaben jeden Tag 100 kaum besetzte Maschinen starten, um die begehrten Start- und Landerechte nicht zu verlieren. Bis Ende März 2022 werden es dem Unternehmen zufolge insgesamt 18.000 Flüge sein, 7.000 davon sind bereits geflogen. Daher fordert die Lufthansa für den Rest des Winterflugplans flexible und unbürokratische Ausnahmen von den Slotregeln.
Beweglich zeigte sich die EU-Kommission bisher nur bei einer Verlängerung der „Notfallregelung“. Heißt: gibt es neue Beschränkungen, etwa Reiseverbote oder neue Quarantäne-Regelungen, dürfen die Airlines die Quote unterschreiten. Die Entscheidung darüber, ab wann ein „Notfall“ eintritt, obliegt jeweils den nationalen Koordinatoren. Auch darin sieht die Lufthansa ein Problem und fordert europaweit einheitliche Regeln. Denn die Ausnahmeregelungen würden in mehr als 20 Mitgliedsländern gar nicht eingesetzt und in den übrigen sehr unterschiedlich ausgelegt, so ein Unternehmenssprecher in Frankfurt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Kritik auch an der Lufthansa
Für die Lufthansa ist klar, dass die bürokratischen Vorschriften der EU das Unternehmen zu umweltschädlichen Leer- oder Geisterflügen zwingen. Den Umweltgedanken nehmen einige Wettbewerber der Kranich-Airline allerdings nicht ab: „Die Lufthansa weint Krokodilstränen mit Blick auf die Umwelt, ist aber zu allem bereit, um ihre Zeitfenster zu behalten“, wirft Ryanair-Chef Michael O’Leary der Lufthansa vor. O’Leary stichelte weiter, die Lufthansa solle einfach die Ticketpreise senken, um die Flieger wieder voll zu bekommen.
Auch Frankreichs Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari äußerte sich zu dem Streit zwischen EU und Lufthansa und interpretierte die Aussagen des Konzerns als reine Verhandlungsstrategie: „Wir werden darauf achten, dass keine europäische Fluggesellschaft zu Leerflügen gezwungen sein wird“, sagte der Minister.
Entspannung ist nicht in Sicht, denn ab März plant die EU, die Slot-Regelung wieder von 50 auf 64 Prozent zu erhöhen. Grundlage dafür ist eine Prognose der EU-Behörde Eurocontrol, nach der sich der Luftverkehr in diesem Jahr erholen werde und wieder 89 Prozent seines Vorkrisenniveaus erreiche. Die Prognose erstellte Eurocontrol allerdings im Sommer, also lange vor dem Auftreten der neuen Covid-Variante Omikron.
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