Uniti One: Elektroauto als Investment-Ruine?
Das Elektroauto-Start-up Uniti galt als schwedisches Vorzeige-Zukunftsprojekt. Nun werden schwere Vorwürfe laut: War alles ein Schwindel? Der Gründer soll sich derweil auf seinem Segelboot in der Karibik aufhalten.
Wann hat das letzte Mal jemand in Deutschland eine komplett neue Automarke erfolgreich an den Start gebracht? Fragte Professor Günther Schuh aus Aachen im Jahr 2020. Er schaffte es erst mit dem Streetscooter und dann mit e.Go Mobile bis zur Serienproduktion. Aber: Streetscooter wird wohl als Fehlinvestition der Post in die Geschichte eingehen, e.Go Mobile hat nach einem Eigentümerwechsel ebenfalls zu kämpfen. Ausgang ungewiss.
Leichter als ein E-Auto auf den Markt zu bringen scheint es, eines zu konstruieren. Die Antriebskomponenten sind weniger komplex als beim Verbrenner. Motoren, Akkus und Plattformlösungen liegen bei Zulieferern fertig im Regal. Das rückt das Konstruieren eines Autos überspitzt gesagt in die Nähe des Fahrradbaus – wo neue Modelle meist aus bekannten Komponenten bestehen.
An der Schwelle zur Produktion scheitern dann jedoch viele Träume. Das schwedische Start-up Uniti Motors ist eine von vielen Firmen, die mit dem Ziel angetreten sind, den Elektroauto-Markt zu erobern. Mit einer disruptiven Idee und etwas Risikokapital, aber ohne große Erfahrung in industrieller Fertigung. 2017 gründete sich Uniti in der südschwedischen Stadt Lund, um den Stadtverkehr zu revolutionieren: Mit einem 3,22 Meter kurzen und 600 Kilo leichten Kleinwagen, der mit Batterien von 12 oder 24 kWh Reichweiten von 150 oder 300 Kilometern erreichen soll. Es ließ sich gut an: Uniti schloss Verträge mit Siemens, E.on und Kuka, schwedische Minister ließen sich mit Gründer Lewis Horne ablichten.
Disruptive Idee, dann kam Corona
Uniti kündigte eine vollautomatisierte Fabrik im schwedischen Landskrona an, ein Crowdfunding brachte eine siebenstellige Summe ein. Im Herbst 2019 öffneten die Bestellbücher für Großbritannien und Schweden. Das Projekt klang vielversprechend: 17.760 Euro sollte der dreisitzige Uniti One kosten. Ein disruptiver Preis: Mit vergleichbarer Reichweite und ohne Schnelladetechnik kostet ein elektrischer Smart Fortwo damals 22.000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt ist die Fabrik in Schweden jedoch schon vom Tisch, nun soll der Uniti One im britischen Silverstone entstehen.
Auch daraus wird nichts. Uniti Motor strich die Belegschaft zusammen und plante fortan, das Auto in China produzieren zu lassen. Die Teile dafür sollen Anfang 2020 ausgerechnet aus Wuhan kommen. Die Corona-Pandemie stoppte früh den Aufbau der ersten Vorserien-Prototypen. Das führte Gründer Lewis Horne auf Ende 2021 auf LinkedIn aus. Da versuchten staatliche schwedische Schuldeneintreiber bereits, im Auftrag von Investoren Gelder von Uniti zurückzuholen. Am 4. Januar 2022 teilte Uniti mit, dass ein erhofftes chinesisches Investment ausbleiben wird. Seitdem herrschte Funkstille.
War der Prototyp ein umlackiertes China-Auto?
Offenbar um die Investoren bei Laune zu halten, hat Uniti sie bereits im Sommer 2021 zu Testfahrten mit einem Prototyp eingeladen. Der erste fahrfähige Prototyp hat optisch aber nur wenig mit den futuristischen früheren Showcars zu tun. Es handele sich um eine Plattformlösung, hieß es: Aber „Design, Software, technische Lösungen“ stammten von Uniti. Wie nun das schwedische „Filter Magazine“ recherchiert hat, stimmt das vermutlich nicht. Es handelte sich demnach bei dem Fahrzeug um einen Zhidou D3, ein chinesisches Billigauto ohne EU-Straßenzulassung. Uniti habe lediglich einen anderen Stoßfänger montieren und das Auto umlackieren lassen.
Ist das Betrug? Oder einfach nur, was Unternehmen tun? Dem Medium „Focus Online“ schreibt Horne per Email: „Start-ups tun, was sie mit den verfügbaren Ressourcen tun können. Am Anfang kommunizieren sie ihre Vision, zeigen sie der Welt und bitten um Kapital, um sie umzusetzen. Wenn sie das Kapital nicht bekommen, verschwinden sie oder sie lösen die Probleme, die ihren Erfolg verhindern.“ Man wolle nun mit dem Modell Uniti Zero das nötige Geld für den Bau des Uniti One verdienen. Ehemalige Mitarbeiter erheben laut schwedischen Medien Vorwürfe gegen Horne: Er halte sich für Elon Musk, sei aber ein Betrüger, der keine Ahnung von Autos habe. Horne selbst hält sich den Berichten zufolge derzeit auf einem Segelboot in der Karibik auf. Dorthin war er im Spätherbst 2021 aufgebrochen.
Der Grad ist schmal, auf dem auf solche Finanzierungsprobleme Betrugsvorwürfe folgen. In der Elektromobilität sitzt das Risikokapital oft locker, Investoren hoffen auf ein zweites Tesla mit ähnlich astronomischen Wertsteigerungen. Aber: Viele können ein Elektroauto konstruieren – aber nur wenige können es auch erfolgreich bauen und vermarkten. Das lehrt neben deutschen Beispielen wie e.Go und Sono Motor auch der Fall Local Motors: Das Unternehmen, das einst autonome Testfahrten im Auftrag der Deutschen Bahn durchführte und noch im Herbst 2021 auf der IAA Mobility in München vertreten war, stellte am 14. Januar 2022 endgültig den Betrieb ein.
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