Preise im Nahverkehr: Preiserhöhungen nach Corona
Corona hat Verkehrsverbünde belastet. Bei einigen folgen nun Preiserhöhungen mit der Begründung: Corona. Andere Verbünde erhöhen keine Preise. Grund: ebenfalls Corona.
Während der Corona-Pandemie brachen die Fahrgastzahlen im Nahverkehr zeitweise stark ein. Laut dem Statistischen Bundesamt waren im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum etwa 18 Prozent weniger Fahrgäste im Linienverkehr mit Bus und Bahn unterwegs. Das sind rund 770 Millionen weniger Menschen. Das spüren die Verkehrsverbünde an ihrer Einnahmesituation. Zusätzlich steigen die Kosten, wegen Rekord-Hochs bei Strom- und Spritpreisen. Laut dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) decken die Ticketeinnahmen im Schnitt rund drei Viertel der Betriebskosten des ÖPNV. Zum Jahreswechsel erfolgen deshalb vielerorts nun Tariferhöhungen. Damit werden viele tägliche Wege teils deutlich teurer. Je nach Verkehrsverbund steigt der durchschnittliche Tarif um bis zu 5,5 Prozent.
Die Franken zahlen am meisten drauf
Für die Franken steigen die Preise für das Bus- und Bahnfahren am deutlichsten. Der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) erhöht die Tarife zum ersten mal seit drei Jahren und deshalb gleich um 5,5 Prozent im Durchschnitt. Nur in der Stadt Nürnberg selbst bleiben die Preise stabil, dafür sorgt die Stadt mit Millionen aus der Stadtkasse. Der Einbruch der Fahrgeldeinnahmen bringe die 135 Mitgliedsunternehmen in starke Bedrängnis, hieß es im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg.
In München und Umgebung wird Bus- und Bahnfahren ebenfalls deutlich teurer: Eine Preiserhöhung von 3,7 Prozent gilt von Mitte Dezember an. Auch hier begründen die Verantwortlichen dies mit der Corona-Pandemie, die „enorme Einnahmenausfälle“ mit sich brachte. Man habe dennoch das Angebot nahezu vollständig aufrechterhalten. In Stuttgart und Umgebung wird der Nahverkehr 2,5 Prozent teurer.
Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, dem einwohnerstärksten Verbund in Deutschland, steigen die Tarife mit 1,7 Prozent etwas weniger stark. 1,5 Prozent sind es im benachbarten Rhein-Sieg- und im Rhein-Main-Verkehrsverbund, der große Teile Hessens umfasst. Wer außerhalb der Verkehrsverbünde unterwegs ist, zahlt zudem künftig 1,7 Prozent mehr für die Fahrkarte, wie die Deutsche Bahn ankündigt.
Sieben Milliarden Euro schwerer Rettungsschirm
Deutschlands größte Städte entscheiden sich unterschiedlich. Der Hamburger Verkehrsverbund zieht die Preise ab dem Jahreswechsel im Schnitt um 1,3 Prozent an. “Das freut niemanden“, bekennt der Verbund und erklärt: „Bedenkt bitte bei der Diskussion: Alles wird teurer.“ Nur ein Teil der höheren Kosten werde an die Fahrgäste weitergegeben. Den weitaus größeren Teil übernehme die Steuerkasse.
Die Geschäftsführerin des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (VBB), Susanne Henkel sprach Mitte des Jahres von der „tiefsten Krise seit Jahrzehnten“ im Nahverkehr. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schätzt, dass der Schaden für die Branche durch Corona im Jahr 2020 und 2021 rund sieben Milliarden Euro beträgt. Der Staat reagierte bereits mit einem ersten ÖPNV-Rettungsschrim im vergangen Jahr in Höhe von fünf Milliarden Euro. Zahlen sollten das jeweils zur Hälfte Bund und Länder. Eine zwei Milliarden schwere Unterstützung soll nun folgen. Beide Rettungsschirme zusammen decken den geschätzten Schaden von sieben Milliarden Euro ab.
Keine Preiserhöhung wegen Corona
Doch nicht alle Verkehrsverbünde in Deutschland heben die Preise an. In Bremen, seinem niedersächsischen Umland sowie in Berlin und Brandenburg ändert sich nichts. „Wir wollen signalisieren, dass wir die Fahrgäste im Blick haben und auf sie bauen“, lässt sich Susanne Henckel, Leiterin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, zitieren. 2020 war die ÖPNV-Nutzung in der Hauptstadtregion auf 50 Prozent eingebrochen, aktuell liegt man dort nach eigenen Angaben bei etwa 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Zuletzt hatte Berlin am 1. Januar 2021 einige Preise erhöht. Bremer können sich dagegen über die zweite Nullrunde in Folge freuen.
Diese Verkehrsverbünde nennen für das Ausbleiben des Drehs an der Preisschraube ein Argument, das andere ausdrücklich für Preiserhöhungen nutzen: Den Fahrgastrückgang in der Corona-Pandemie. Mit stabilen Preisen wollen sie die Kundinnen und Kunden zurück in Busse und Bahnen holen. Ob das genügt? Expert*innen monieren regelmäßig: Der Nahverkehr braucht nicht in erster Linie niedrigere Preise, sondern klügere, modernere Preismodelle und vor allem zeitgemäße Angebote.
mit Material von dpa
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