Toyota: Endlich hat es „E“ gemacht

Jahrelang kümmerte sich der japanische Hersteller kaum um batterieelektrische Autos. Toyota setzte auf Hybrid- und Wasserstoffmodelle. Das ändert sich nun komplett – auf ebenso furiose wie überraschende Weise.

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Martin Wittler
Toyota Elektroautos
Am 14. Dezember 2021 verkündete Akio Toyoda, CEO der Toyota Motor Corporation, die Produktion von dreißig neuen, vollelektrischen Fahrzeugen bis 2030 [Bildquelle: Toyota]

Dreißig neue Elektroauto-Modelle bis 2030. Das kündigte der japanische Autohersteller Toyota unlängst an. Mehr noch: 16 neue E-Modelle wurden auf einen Schlag der Öffentlichkeit vorgestellt. Noch nie gab es eine so große Elektro-Offensive eines Herstellers. Es ist eine Revolution in der Autoindustrie. Auch deshalb, weil Toyota den ganz großen Wurf ankündigt: Die elektrische Mobilität von morgen – sauber, nutzerorientiert, maßgeschneidert. Bei den vorgestellten Fahrzeugen war alles dabei: vom elektrischen Kleinstwagen über Supersportwagen bis hin zum Last-Mile-Transporter.

Der Elektro-Coup kam für viele überraschend. Denn bislang tat sich der japanische Konzern mit batterieelektrischen E-Autos schwer. Noch Mitte 2021 zelebrierte der Hersteller unter dem Motto „Hybrid ist Trumpf“ im hauseigenen Unternehmensmagazin die Verkaufserfolge der Hybrid-Modelle. Im ersten Quartal 2021 verfügte mehr als jeder zweite verkaufte Toyota über einen Hybridantrieb. Das soll sich ändern, und zwar zügig. Ab sofort ist der batterieelektrische Antrieb Trumpf bei Toyota. Bis 2030, so die ehrgeizige Planung, sollen 3,5 Millionen E-Autos von Toyota weltweit auf den Straßen unterwegs sein, Fahrzeuge aus insgesamt 30 unterschiedlichen Baureihen.

Toyotas Autovorstellung: ganz ohne Show

Das „Was“ und auch das „Wie“ der Toyota-Präsentation in der vergangenen Woche stachen hervor. Denn bislang heißt es bei neuen Modellen meist: it’s Showtime. Ein Fahrzeug wird ins Rampenlicht gestellt, weitere Modelle bei dieser Gelegenheit schon einmal angekündigt. Segment um Segment wird so medienwirksam elektrifiziert. Volkswagens ID.-Familie etwa folgt einem solchen Wachstumsplan. Den ersten rein als Elektrofahrzeug ausgelegten Pkw des Konzerns, den ID.3, enthüllte VW 2019 auf der Bühne der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Es folgten die Premieren der Modelle ID.4 (2020) und ID.5 (2021), der ID.6 ist seit 2021 in China auf dem Markt. Nächstes Jahr folgt der elektrische Bulli, der mit Spannung erwartete ID. Buzz. Wie groß genau Volkswagens ID.-Familie wird und welche Autos bis wann elektrifiziert werden sollen, ist nicht bekannt. Ähnlich sieht das Muster bei den EQ-Modellen von Mercedes aus.

Ganz anders nun Toyota: Akio Toyoda, Präsident und CEO, präsentierte auf einen Schlag 16 neue Elektroautos, die in den nächsten Jahren gelauncht werden. Die eigene Luxusmarke Lexus soll ab 2030 in Europa als Elektroauto-Marke auftreten, Toyota selbst will fünf Jahre später nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in Westeuropa anbieten. 2035 soll zudem die Produktion weltweit CO2-neutral vonstatten gehen.

Toyota Elektroauto Line-Up
Die Produktion der Fahrzeuge soll CO2-neutral ablaufen. Ein Z, welches für „Zero“ steht, wird jedem Modellnamen hinzugefügt [Bildquelle: Toyota]

Toyota ramponierte das eigene Image

All das verkündete Toyota fernab jeder Messe – und damit auch abseits des garantierten Medienrummels, den diese drastische Kursänderung verdient hätte. Vielleicht, weil Toyota sich selbst den einstigen Ruf als innovationsfreudiger Hersteller ramponiert hat. Zuletzt wurde das Unternehmen zunehmend als Bremsklotz der Mobilitätswende wahrgenommen. In Australien sprach sich der Konzern gegen strengere Abgasgrenzwerte aus. In Indien ging man gegen die Pläne vor, ab 2030 nur noch E-Autos zuzulassen. Auch die geplanten EU-Regelungen zum Verbrenner-Aus versuchte Toyota zu entschärfen, wie Nichtregierungsorganisationen kritisierten. Die „New York Times“ erklärte Toyota zum stärksten Widersacher des Wandels zur Elektromobilität. Auch, weil Toyota die mit Abstand größten Spendensummen an republikanische Kongressabgeordnete ausgeschüttet hat, die das Ergebnis der vergangenen Präsidentschaftswahlen infrage stellten, wie die NYT berichtete. Die auf den Klimaeinfluss der Lobbyarbeit von Konzernen spezialisierte Plattform InfluenceMap stuft Toyota mit dem zweitschlechtesten Wert aller Autohersteller ein. Nur Suzuki schneidet noch schlechter ab. Und das, obwohl Toyota mit seinen Hybridfahrzeugen im vergangenen Jahrzehnt bei den Flottenemissionen den Musterknaben gab.

Dazu passt das zuletzt erarbeitete Image nicht. Denkt Toyota jetzt um? Unternehmens-Präsident Akio Toyoda sprach bei der Vorstellung der neuen Elektroautos über die Auswirkungen des Klimawandels: „Um diese Herausforderung zu meistern, müssen wir die CO2-Emissionen so weit wie möglich und so schnell wie möglich reduzieren“, sagte Toyoda. Batteriegetriebene Elektroautos sollen den Weg ebnen. Der japanische Autokonzern hat die geplanten Investitionen in die Batterieentwicklung von bislang umgerechnet 3,87 Milliarden Euro auf nun 15,6 Milliarden Euro erhöht.

 

E-Autos von Toyota spielen bislang keine Rolle

Noch sei Toyota bei batterieelektrischen Fahrzeugen weit hinterher, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Research (CAM) in Bergisch Gladbach. „Sie glaubten bisher nicht daran und setzten auf Hybrid und Brennstoffzelle. Sie sind jetzt aber gezwungen einen Wandel einzuleiten, um nicht in wichtigen Marktregionen Probleme zu bekommen“, so Bratzel zu mobility.talk. Beispiel: In den ersten elf Monaten des Jahres 2021 wurden im wichtigen Automarkt Deutschland mehr als 300.000 Elektroautos neu zugelassen. Toyotas Anteil daran belief sich gerade mal auf 45 Exemplare des Kleinbusses Proace. Und der ist eine Entwicklung der französischen Peugeot-Gruppe.

Erst im nächsten Jahr kommt mit dem Elektro-SUV Bz4X das erste für den Massenmarkt konzipierte E-Auto auf den Markt. Welche Modelle folgen, ist schon klar. Zum Produktportfolio der Zukunft gehören neben diversen SUV-Modellen der Marken Lexus und Toyota auch ein kleines Stadtauto, ein Pick-up, ein Geländewagen, Limousinen und Sportwagen sowie mehrere Personen- und Gütertransporter für die letzte Meile. Damit deckt Toyota die größtmögliche Bandbreite ab, die ein Autohersteller anbieten kann. Das Unternehmen steigt spät in den Transformationsprozess zur E-Mobilität ein. Dafür packt Toyota die Umrüstung so umfangreich an wie bislang kein anderer Autobauer. Und das ganz ohne Show.

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