Kommentar: Warum das CO2-Ergebnis abzusehen war

Geschafft: Autohersteller haben offenbar im vergangenen Jahr das CO2-Ziel für Neufahrzeuge erreicht. Bei genauem Hinsehen wird klar: Das ist nicht unbedingt ein Indiz für einen viel grüneren Fahrzeugmarkt.

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Constantin Bergander
Ein Elektro-Smart mit der Aufschrift "Wir fahren mit Strom"
Die Zulassungsstatistik für 2021 führt ein enormes Wachstum von elektrisch angetriebenen Autos auf. Denen kommt jedoch eine Krise zugute (Symbolbild) [Bildquelle: picture alliance / ZB | Volkmar Heinz]

Autohersteller schaffen endlich das, was sie schaffen müssen: Laut einer Schätzung der unabhängigen Organisation ICCT (International Council on Clean Transportation) haben europaweit alle großen Autobauer die von der EU vorgeschriebenen Klimaziele erreicht. Ein wichtiges Zeichen nach diversen Abgasskandalen: Was 2021 auf die Straße kam, ist im Durchschnitt umweltfreundlicher als die Autos der Vorjahre. Es geht doch!

Nur leider geht es eben doch nicht. Denn während ICCT-Chef Peter Mock auf Twitter die strengen EU-Regularien verweist, klammern er und der „Markt Monitor“ seiner Organisation einen wichtigen Faktor aus: Die Halbleiterkrise wird in Tweet und Text mit keinem Wort erwähnt. Natürlich hat der pure Mangel von Computerchips noch keine Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß. Aber er kann Herstellern als Werkzeug zur Steuerung dienen.

Halbleiterkrise als vorübergehende CO2-Chance

Im Jahr 2021 konnte kaum ein Autobauer seine Werke auslasten. Es fehlte an den nötigen Bauteilen. Bis heute bedeutet das: Die Hersteller müssen mit dem vorhandenen Material sehr genau haushalten. Betriebswirtschaftliche Interessen bestimmen, welches Auto die knappen Halbleiter bekommt. Vorrang haben jene mit einer hohen Marge: Im VW-Konzern vermeldete Luxus-Tochter Bentley Anfang 2022 ein Rekordergebnis für das abgelaufene Jahr.  Vorrang haben auch die Modelle, die eine Strafzahlung wegen verfehlter CO2-Ziele verhindern. Das sind vor allem Elektroautos und Plug-in-Hybride. VW versorgte deshalb das Elektroauto-Werk in Zwickau noch mit Chips, als Verbrenner-Bänder längst pausierten. Auch Opel-Chef Uwe Hochgeschurz bestätigt im Interview mit der „Autogazette“ eine Bevorzugung von Elektroautos – Corsa-e und Mokka-e sollen innerhalb von zwölf Wochen lieferbar sein.

Aus solchen Taktiken resultiert ein Rekordhoch für elektrisch angetriebene Autos. Zehn Prozent aller 2021 in der EU zugelassenen Neuwagen fahren rein elektrisch, neun Prozent sind Plug-in-Hybride. Im Vorjahr waren es noch sechs bzw. fünf Prozent. Für die hohen Zahlen bedarf es in der aktuellen Situation nicht einmal einer zusätzlichen Incentivierung: Laut Angaben des Center Automotive Research liegt das Rabattniveau für elektrisch betriebene Neufahrzeuge Ende 2021 verhältnismäßig niedrig.

Mit Tricks zum CO2-Flottenziel

Was die Studie des ICCT hingegen deutlich zeigt, sind andere Tricks. Dazu gehört zum Beispiel der Zusammenschluss verschiedener Hersteller in sogenannte Pools. Einer davon führt dazu, dass die Autos des Verbundes aus Honda, Jaguar, Land Rover und Tesla – normalerweise nicht verbandelt – im Durchschnitt 54 Prozent weniger CO2 ausstoßen als sie dürften. Ein Blick in die Portfolios der Hersteller zeigt recht deutlich, wer maßgeblich dafür verantwortlich ist.

Ein weiterer Hebel sind sogenannte Compliance Credits. Autohersteller können ihre CO2-Statistik aufpolieren, indem sie umweltfreundliche Innovationen einführen, oder lokal emissionsfreie Lkws und Busse auf die Straße bringen. Letztere zählen in der Statistik vielfach. Das ICCT kritisiert diese Regelung und führt sie in der Statistik auf: Ford und der Pool aus Mazda, Subaru, Suzuki und Toyota schaffen es nur auf diese Weise in den straffreien Bereich.

Die Statistiken für das Jahr 2021 sind also kein Abbild eines plötzlich viel grüneren Fahrzeugmarktes, sondern das Ergebnis kühler Berechnungen. Das Angebot bestimmt den Markt – und die Hersteller passen es an ihre Bedürfnisse an. Sie bauen, was zur Bilanz passt, und schummeln sich mit legalen Tricks auf eine schwarze CO2-Null. Das genügt für den Moment, löst aber langfristig keine CO2-Probleme.

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