China-Käfer Ora Ballet Cat: Dreist oder cool?
Die Kopie als größtes Kompliment: In China startet Ora mit dem Ballet Cat eine Neuauflage des VW-Käfer – nur größer. VW wurde anscheinend nicht gefragt.
Es gibt in der Autobiografie der Rocklegende Keith Richards diese schöne Geschichte: Kurz vor der Veröffentlichung des Rolling-Stones-Albums „Bridges to Babylon“ (1997) spielt der Gitarrist seinen Kindern die Platte vor, die anfangen, einen anderen Text zu dem Song „Anybody Seen My Baby“ zu singen: „Constant Craving“ von k.d. lang. Richards zufolge hatte sein Kollege Mick Jagger das Lied in die Aufnahmen eingebracht, fest davon überzeugt, es selbst erfunden zu haben. Offenbar habe er die Melodie aber irgendwo aufgeschnappt, so Richards. In letzter Sekunde druckte die Band das Booklet neu und nahm die Folksängerin k.d. lang in die Autorenangaben des Songs auf. Sonst hätte die Platte nicht erscheinen dürfen.
Ob es beim Ora Ballet Cat des chinesischen Autokonzerns Great Wall Motors ähnlich lief? Hat ein Designteam des Herstellers den VW Käfer geträumt? Im Frühjahr 2021 hatte Great Wall die Modelle Ballet Cat und Punk Cat seiner neuen Elektroauto-Marke Ora erstmals auf chinesischen Messen gezeigt. Als die Chinesen die Marke Ora auch auf der IAA Mobility 2021 in München vorstellen, fehlt das Modell, nun kommt es in China bereits in den Verkauf. Das berichtet Car News China. Die Ähnlichkeit zum Käfer ist allzu offensichtlich: Große Kotflügel, Buckelheck, aufgesetzte Motorhaube, verchromte Türgriffe. Nur die Form der Schweinwerfer und das fehlende VW-Logo weisen in eine andere Richtung.
VW „prüft“ Verletzung seiner Rechte
In punkto Segment und Technik hat der Ora Ballet Cat mit dem Käfer allerdings nichts gemeinsam. Mit 4,40 Metern Länge rangiert er am oberen Rand der Kompaktklasse, mit 1,63 Metern Höhe überragt er manches SUV. Für den Antrieb sorgt ein Front-Elektromotor mit rund 170 PS und 250 NM Drehmoment, die Stromversorgung übernehmen Akkus zwischen 48 und 60 kWh Kapazität. Auf der Rückbank des Fünftürers finden Passagiere viel Platz vor, hinzu kommt ein großer Kofferraum – deutliche Unterschiede zum Ur-Käfer.
Volkswagen selbst hatte den Käfer ab 1997 als „New Beetle“ mit Golf-Technik in zwei Generationen neu aufgelegt, die Produktion aber 2019 beendet. Medienanfragen zum Ora Ballet Cat kommentierte Volkswagen gegenüber US-Medien so: „Wie immer prüfen wir jede Verletzung gegen Gebrauchsmuster und Designrechte der Volkswagen AG und behalten uns alle nötigen rechtlichen Schritte vor“. Ob daraus etwas gefolgt ist, ist nicht bekannt.
Das Zitat als Kompliment?
Die Geschichte chinesischer Zitate westlicher Autodesigns ist lang, und offenbar nicht zu Ende. Der Trend zur ungefragten Übernahme von Ideen, aber auch von kompletten Entwürfen ist zwar etwas abgeebbt. Chinesische Autohersteller bemühen sich heute zumeist um global verkäufliche Designs, um den Sprung aus dem Heimatmarkt heraus zu schaffen. Aber: Es gibt sie immer noch, die China-Klone. 2011 stellt der BAOC BC301Z eine exakte Kopie der ersten Mercedes B-Klasse dar. Der Lifan M7 ist 2016 dem Ford S-Max zum Verwechseln ähnlich. Der Kleinwagen Noble übernimmt 2020 einige Ideen von BMWs Mini.
Trotzdem: Nicht jedes chinesische Auto, das an bekannte Modelle japanischer, amerikanischer oder europäischer Marken erinnert, ist eine dreiste Kopie. Es existieren auch Lizenznachbauten, mit Genehmigung und zum Teil auf den originalen Produktionsanlagen hergestellt. Hinzu kommt: Da sich inzwischen viele westliche Automarken wie Rover, London Taxi, Volvo, Saab oder MG in chinesischem Besitz befinden, besteht dort ganz legaler Zugriff auf das geistige Eigentum dieser Marken.
Die Elektroauto-Marke Ora hat es bei ihren globalen Entwürfen zudem schlau angestellt: Die Autos auf der IAA 2021 erinnern zwar an europäische Modelle, zitieren aber nur vertraute Elemente. Und erinnern manche an den Fiat 500, andere an den Opel Adam. Oder würde es so aussehen, wenn Porsche einen Kleinwagen baut? So oder so: Die Marke Ora will zwar 2022 den Verkauf seiner Elektroautos in Deutschland starten. Den Ballet Cat werden wir hierzulande aber wohl leider nicht sehen.
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