Das 9-Euro-Ticket hat gewirkt: Und ein Nachfolger?
Mitte Oktober soll über die Nachfolge des 9-Euro-Tickets entschieden werden. Eine Untersuchung zeigt: Sie wird es schwer haben, das Mobilitätsverhalten zu beeinflussen.
Schön war es, das 9-Euro-Ticket. Nach seinem Auslaufen Ende August mochte kaum jemand Schlechtes darüber sagen. Trotzdem lässt eine Nachfolgelösung auf sich warten. Berlin ist mit dem 29-Euro-Ticket schon mal vorausgefahren. Doch über einen bundesweiten Nachfolger des 9-Euro-Tickets wird weiter diskutiert. Bis zum 12. Oktober wollen sich Bund und Länder einigen. Falls es ihnen gelingt, soll es ab 1. Januar 2023 einen Ersatz geben. Es wird noch um die Finanzierung diskutiert, und um den Preis. Klar ist bereits: So billig wie im Sommer 2022 wird es nie wieder. Aktuell scheint es auf ein 49-Euro-Ticket hinauszulaufen.
Doch bringt das überhaupt was? Wer nur sporadisch die Öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, tut sich mit einem 49-Euro-Ticket (oder einem 29-Euro-Ticket) sicher schwerer als mit einem 9-Euro-Ticket. Das legt auch eine Untersuchung des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt nah (DLR). Rund 2.500 Personen wurden dafür zwischen Ende Juni und Anfang Juli befragt. Die Studie bestätigt zunächst, was man schon ahnte: Das 9-Euro-Ticket hat funktioniert. „Das 9-Euro-Ticket hat einen ähnlich starken Effekt auf das Mobilitätsverhalten gehabt wie der Ausbruch der Corona-Pandemie, nur in die umgekehrte Richtung“, sagte die DLR-Projektleiterin Dr. Claudia Nobis.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie im Einzelnen:
- Bekanntheit: 98 Prozent der Befragten war das 9-Euro-Ticket wegen der hohen Medienpräsenz ein Begriff.
- Akzeptanz: 50 Prozent nutzten während des Aktionszeitraums das 9-Euro-Ticket, die Zahl der Zeitkarten hat sich ungefähr verdoppelt.
- Durchdringung: Anders als klassische Zeitkarten, die überproportional von jungen, höher gebildeten und in Vollzeit tätigen Personen sowie Studierenden und Schüler*innen genutzt werden, sei das 9-Euro-Ticket quer durch alle Bevölkerungsschichten angenommen worden.
- Nutzung: Bereits Ende Juni/Anfang Juli hatten 35 Prozent das 9-Euro-Ticket für mehr als 10 Fahrten genutzt.
- Freizeitnutzen: 60 Prozent nutzten das 9-Euro-Ticket für Freizeitfahrten am Wochenende, 34 Prozent unter der Woche und 21 Prozent für Urlaubsfahrten. Für den Arbeitsweg jedoch nutzten nur 18 Prozent das 9-Euro-Ticket.
- Entfernungen: Der Großteil der 9-Euro-Nutzer blieb im Nahbereich. Rund drei Viertel fuhren mit dem Ticket nicht weiter als 50 Kilometer. Ein Viertel nutzte es ausschließlich für größere Entfernungen.
Umsteigen muss sich lohnen – vor allem finanziell
Trotz des Erfolges des 9-Euro-Tickets: Dass ein Nachfolgemodell das Mobilitätsverhalten ebenfalls stark verändern kann, ist nicht sehr wahrscheinlich. Schon beim 9-Euro-Ticket zeigt sich nämlich laut der DLR-Erhebung, dass Wunsch und Wirklichkeit teils deutlich auseinanderlagen. So hielten zwar 70 Prozent der Befragten das 9-Euro-Ticket (9ET) für ein attraktives Angebot, und 60 Prozent fanden, es sei ein guter Grund, das Auto stehen zu lassen. Den ÖV tatsächlich häufiger genutzt haben jedoch nur 39 Prozent der Ticket-Inhaber.
Wieviel sich daran mit einem 9-Euro-Nachfolger ändern wird, hängt vor allem am Preis. Aber auch an Transparenz und Einfachheit. So lobten 64 Prozent, dass es „klar und einfach verständlich“ war. Fast drei Viertel bezeichneten das 9-Euro-Ticket als „preislich sehr attraktives Angebot“.
Entsprechend sagten von denen, die das 9-Euro-Ticket nutzten, 67 Prozent, dass sie ein Monatsticket zum normalen Preis nicht kaufen würden. 61 Prozent waren gleich gar nicht bereit, den regulären Preis zu zahlen. Logisch: Wer sein Investment mit drei Fahrten im Nahbereich oder einer Reise mit der Regionalbahn wieder raushat, tut sich leicht. Wer sein Verhalten grundlegend ändern müsste, damit das Ticket sich lohnt, tut sich schwer. Mehr als die Hälfte macht die Nutzung des ÖV entsprechend davon abhängig, wie teuer eine Monatskarte ist.
Sprich: Der Nachfolger des 9-Euro-Tickets muss vor allem eines sein: billig. Aber auch einfach zu erwerben und zu nutzen: Für das Berliner 29-Euro-Ticket muss extra ein sperriges Jahresabo abgeschlossen und auf Wunsch wieder gekündigt werden, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist. Das ist sicher nicht die beste Lösung. Wer sich von günstigen Nahverkehrstickets eine dauerhafte Verkehrsverlagerung vom Auto auf den Nahverkehr wünscht, muss zudem berücksichtigen: Niemand schafft sein Auto ab, weil das Bahnfahren für einige Monate günstiger wird. So wie ein Auto ein langlebiges Wirtschaftsgut ist, dessen Anschaffung sich über mehrere Jahre rentieren soll, muss auch ein Günstig-Ticket langfristige Planung erlauben. Also einige Jahre auf dem Markt bleiben.
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