Klima: Die Streichliste schädlicher Subventionen
Paradoxe Unterstützungspolitik: Deutschland subventioniert zum Teil klimaschädlich. Allein im Verkehr geht es um 30 Milliarden Euro, sagt das Umwelt-Bundesamt in einer Studie.
Wer soll die Verkehrs- und Energiewende bezahlen? Und was genau sollte bezahlt werden? Diese Fragen stehen im Zentrum der politischen Diskussion. Denn Fakt ist: Nicht alles, was der Staat unterstützt, hilft dem Klima. Das Umwelt-Bundesamt (UBA) hat nun in einer Studie erhoben, dass der Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen allein im Verkehrsbereich rund 30 Milliarden Euro umfassen könnte.
„Aktuell werden ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen gesetzt – mal für, mal gegen den Umwelt- und Klimaschutz“, sagt UBA-Präsident Dirk Messner. Er verweist dabei beispielhaft auf die hohen Förderungen für Elektroautos auf der einen Seite und auf die reduzierte Steuer für Dieselkraftstoff andererseits. Wer vergünstigt Diesel tankt, der verzichtet vielleicht lieber auf ein Elektroauto.
Aber kann man Förderungen einfach streichen, wenn sie schädlich oder bedenklich für das Klima sind? Das UBA macht Vorschläge, wie schnell und wie stark solche Förderungen wegfallen könnten. Und weist gleichzeitig darauf hin: Das freigemachte Geld könnte nicht in voller Höhe den Spielraum des Staats erweitern. Denn wenn Subventionen wegfallen, entstehen an anderen Stellen höhere Ausgaben oder niedrigere Einnahmen.
Nur einen Teil könnte Deutschland allein streichen
Beispiel Diesel: Ein Anstieg der Energiesteuer könnte Menschen veranlassen, sparsamer zu fahren. Das senkt das Steueraufkommen. Oder Autofahrer*innen entscheiden sich, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen. Dann würden dort wieder höhere Subventionen fällig. Hinzu kommt: Der Subventionsabbau erfordert vielerorts „flankierende Maßnahmen zur Abfederung sozialer und ökonomischer Folgen“. Diese könnten große Teile der freiwerdenden Gelder direkt wieder auffressen.
Deutschland kann außerdem nur einen Teil der Subventionen in eigener Regie umwidmen. Das UBA nennt Steuervergünstigungen für Pkw- und Agrardiesel, sowie die Entfernungspauschale. Insbesondere aber die Förderung privat genutzter Dienstwagen, die jedes Jahr mindestens drei Milliarden Euro koste. „Davon profitieren überwiegend Haushalte mit hohen Einkommen. Diese Subvention ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch sozial ungerecht“, findet Dirk Messner.
An anderer Stelle ist Deutschland auf internationale Regelungen angewiesen, etwa bei der Besteuerung von Kerosin oder bei der Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge.
Verkehr: Diese Subventionen kritisiert das UBA
Den Anteil des Verkehrssektors an allen klimaschädlichen Subventionen beziffert die Bundesbehörde mit fast der Hälfte. Könnte dies ein Grund dafür sein, dass es im Verkehrssektor gegenüber dem Stand von 2009 praktisch keine signifikante CO2-Reduktion gab? Und das trotz strenger CO2-Regeln für Pkw? Mit Subventionen reduzierte der Staat schließlich die Betriebskosten von Verkehrssystemen mit schlechten Umwelteigenschaften. Das erhöht den Anteil dieser Systeme an der Gesamtverkehrsleistung, denn es macht sie attraktiver. Und es reduziert den Anreiz, in neue, effizientere Systeme oder Technologien zu investieren. Konkret nennt das UBA folgende klimaschädliche Subventionen im Verkehrssektor:
Subvention |
Kostenvorteil |
Gesamtvolumen 2018 ca. |
Ermäßigte Energiesteuer auf Dieselkraftstoff |
18,41 Cent/Liter gegenüber Benzin |
8,2 Mrd. EUR |
Entfernungspauschale |
30 Cent/Kilometer; 35 ct ab dem 21. km; bis 2026 Anstieg auf 38 ct. |
6,0 Mrd. EUR |
Pauschalbesteuerung privat genutzter Dienstwagen |
1 % des Listenpreises als geldwerter Vorteil (erm. Sätze für E-Autos) |
3,1 Mrd. EUR |
Treibhausgasminderungsquote |
Förderung von Biokraftstoffen; Quote: jährlich 6 % seit 2020 |
960 Mio. EUR |
Binnenschifffahrt: Keine Energiesteuer |
47,04 Cent/Liter gegenüber Straßenverkehr |
141 Mio. EUR |
KfW-Kredite für Kreuzfahrtschiffe |
Vergünstige Kredite zur Stärkung deutscher Werften |
keine Angaben |
Vergünstige Energiesteuer auf Maschinen in Seehäfen |
Vorteil beim Diesel gegenüber Straßenverkehr: ca. 41 Cent/Liter |
25 Mio. EUR |
Energiesteuerbefreiung Kerosin |
65,45 Cent/Liter |
8,3 Mrd. EUR |
Keine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge |
19 % MwSt. fallen im innerdeutschen Flugverkehr an, 7 % im Bahnverkehr |
4,0 Mrd. EUR |
Zuschüsse für Flugsicherheitsgebühren |
Übernahme von ca. 111 Mio. EUR jährlich |
keine Angaben |
Förderung für Regionalflughäfen |
Förderung für bessere Verkehrsanbindung von Regionen |
40 Mio. EUR |
UBA: Förderpraxis „paradox“
Die Auflistung zeigt: Es existieren viele Anreize, die mit Blick auf klimapolitische Ziele zweifelhaft wirken. Zum Beispiel Steuerbefreiungen für Flüge, nicht aber für Bahnfahrten. Oder für Kerosin, nicht aber für den Fahrstrom der Deutschen Bahn. Oder ein niedrigerer Steuersatz auf Diesel als auf Benzin. Als besonders problematisch bewertet das Umwelt-Bundesamt jedoch, dass diese Subventionen den Strukturwandel verlangsamen. Damit schmälern sie die Wirksamkeit der parallel laufenden hohen Investitionen in den Klimaschutz: „Es ist paradox, wenn der Staat mit vielen Milliarden den Klimaschutz fördert und gleichzeitig klimaschädliche Produktions- und Verhaltensweisen subventioniert“, fasst Messner zusammen.
Die Position des Umwelt-Bundesamtes wird in großen Teilen inzwischen sogar von der Wirtschaft vertreten. So hatte Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess im September mehrfach moniert, dass bestehende politische Steuerungen falsche Anreize setzen. Damit reduzieren sie die Effektivität der hohen Investitionen der Autoindustrie in Elektroautos und nachhaltigere Produktion. Denn sie senken die Absatzchancen der neuen Produkte. So forderte Diess einen höheren CO2-Preis, ein Ende der Subventionen fossiler Kraftstoffe, eine Förderung nur noch für elektrisch angetriebene Dienstwagen und höhere Investitionen in neue Mobilitätskonzepte und Ladeinfrastruktur.
Klar ist: Ein Abbau schädlicher Subventionen wird nicht der Staatskasse zugutekommen. Die Mittel würden komplett benötigt, um klimaneutrales Wirtschaften zu fördern – und um die Sozialverträglichkeit des staatlichen Umsteuerns sicherzustellen. Beispielsweise, so das UBA, bräuchte es bei einem Wegfall der Pendlerpauschale eine Härtefallregelung für Fernpendler sowie massive Investitionen in den ÖPNV in ländlichen Regionen. Denn: Mit jeder Subventionskürzung wird jemandem etwas weggenommen. Dafür muss er nicht in jedem Fall entschädigt werden. Aber die Politik sollte tragfähige Alternativen aufzeigen und Härten abfedern.
Fazit:
Deutschland pumpt viel Geld in Verkehrssysteme, auf die wir zwar nicht verzichten können – die sich aber ändern müssen. Subventionen bremsen das an vielen Stellen aus. Das fällt nun sogar der Industrie vor der Politik auf: Wer Klimaschutz fordert, muss Klimaschutz statt Ressourcenverbrauch fördern. Klingt einfach, ist aber schwierig. Wir werden sehen, wie viel die kommende Regierung sich hier zutraut.
Björn | @MobilityTalk
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