Klimaschutz? Gerne, wenn es nichts kostet

Die meisten Deutschen befürworten Klimaschutz. Das Mobilitätsverhalten ändern will trotzdem nur eine Minderheit. Das zeigt die aktuelle „Mobility Studie“ des Tüv-Verbands.

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
Hondas erstes serienmäßige Elektroauto soll stylish sein und bietet mehr Monitorfläche als Dr. Seltsams Kommandozentrale. Mini SE und Fiat 500 e sind die natürlichen Gegner des Honda-e. Was der Kleinwagen mit kleinem Akku sonst so zu bieten hat, steht im Test.

Es ist im Zuge der Einführung des 9-Euro-Tickets eine viel diskutierte Frage: Braucht die Verkehrswende a) günstigeren Nahverkehr, b) mehr Nahverkehr oder c) ein hochwertigeres Fahrerlebnis im Nahverkehr? In der Mobility-Studie des Tüv-Verbands geben die Befragten eine klare Antwort: Alles davon, bitte. Sonst kann der Nahverkehr in der täglichen Mobilitätsentscheidung der Menschen auf absehbare Zeit nicht mit dem eigenen Auto mithalten. Das Auto bietet Flexibilität, kurze Fahrzeiten, ist immer verfügbar. Und: Die Menschen fühlen sich darin sicher.

Andere Verkehrsträger haben es in der Gesamtbetrachtung schwer, da mitzuhalten. Bei ihrer Mobilität legen 56 Prozent der Befragten Wert auf Flexibilität und Unabhängigkeit, 43 Prozent wollen möglichst schnell ans Ziel zu kommen. Im Ranking folgen die Faktoren Planbarkeit und Sicherheit. Weniger Wert legen die Befragten auf möglichst niedrige Kosten, Bewegung an der frischen Luft, Umweltfreundlichkeit oder Komfort.

Angesichts dieser Prioritäten ist es kein Wunder, dass das Auto mit großem Abstand das wichtigste Verkehrsmittel bleibt. 72 Prozent der Befragten nutzen an einem Werktag in der Regel das Auto, 32 Prozent das Fahrrad und 25 Prozent den Nahverkehr. Klare Verhältnisse also. Vor allem auf dem Land (Gemeinden bis 100.000 Einwohner*innen) nutzen vier von fünf Studienteilnehmenden das Auto, in Großstädten immerhin 39 Prozent den ÖPNV. Die Häufigkeit der Autonutzung hängt dabei auch mit der Lebenssituation zusammen: 29 Prozent der befragten Singles haben kein Auto. Aber nur sechs Prozent der Menschen, die in Zweipersonen-Haushalten leben und nur zwei Prozent derer, die in größeren Haushalten wie Familien leben, verfügen über keinen eigenen PKW.

ÖPNV keine Alternative, Skepsis gegenüber E-Auto

Der Konflikt scheint derzeit schwer aufzulösen: Die Menschen verstehen, dass sich etwas ändern muss im Verkehr. Nur, vorerst bitte nicht bei ihnen. Die Befragten erkennen die Probleme, die das Auto mit sich bringt: Überlastung der Innenstädte, Luftverschmutzung, Klimafolgen. 54 Prozent der Bevölkerung geben außerdem an, dass Klimaschutz für sie bei der Wahl ihrer Mobilität eine wichtige Rolle spielt. Aber sie sehen für sich keine Alternative zum eigenen Auto (mit Verbrennungsmotor). Die Hälfte der Befragten spricht dies dem ÖPNV ab, in ländlichen Regionen sind es sogar drei Viertel der Befragten.

Auch das Fahrrad schneidet nicht gut ab. Interessant: In den Städten ist der Anteil derer, die im Fahrrad keine Alternative sehen, sogar größer als auf dem Land. Im Vordergrund stehen dabei die Aspekte Sicherheit und Fahrstrecke. Gerade das Sicherheitsempfinden scheint viele vom Radfahren abzuhalten. Während sich die große Mehrheit der Befragten im Auto oder zu Fuß sicher fühlt, sind es in Bus und Bahn sowie auf dem Fahrrad nur jeweils rund die Hälfte.

Klimaschutz im Verkewhr: Zusätzliche Angebote werden begrüßt, Einschränkungen eher nicht [Bildquelle: Tüv-Verband]

Auch die Elektromobilität überzeugt bisher nicht: Etwas mehr als die Hälfte glaubt, dass sie in der Lage ist, die Klimabelastung zu reduzieren. Die Gruppe der Befragten, die das nicht glaubt, ist mit 42 Prozent bemerkenswert groß. Drei von vier Befragten halten es zudem für unwahrscheinlich, dass ihr nächstes Auto ein Elektroauto sein wird.

Mobilitätswende: Das erwarten die Menschen

Die Umfrage zeigt klar: Maßnahmen der Mobilitätswende treffen auf breite Zustimmung – solange sie das Angebot an Mobilität verbessern. Die überwältigende Mehrheit der Befragten plädiert für kostenlosen Nahverkehr, einen beschleunigten Ausbau von Bus und Bahn sowie für mehr und bessere Fahrradwege. Fragt man nach Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit im Auto einschränken oder direkt ans Geld gehen, ändert sich das Bild: Zwar kann sich noch gut die Hälfte (56 %) der Befragten ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen vorstellen. Für Tempo 30, Nullemissionszonen oder eine City-Maut in Städten gibt es dagegen nur wenig Unterstützung.

Nach Wünschen für die Mobilität der Zukunft gefragt, äußern die Menschen ebenfalls den Wunsch nach mehr Angebot im Nahverkehr: Der wichtigste Wunsch der Befragten ist, dass der ÖPNV den gesamten Mobilitätsbedarf abdeckt. Ein Ziel, dass sich beispielsweise die Stadt Hamburg mit dem Hamburg-Takt 2030 gesetzt hat. Zudem würden sich viele Menschen über kostenlose Ladestationen für Elektroautos freuen. Autonomes Fahren, ein Zulassungsverbot für Verbrenner oder Paketlieferungen per Drohne wünschen sich dagegen nur wenige. 

Sind wir „Nimbys“?

Not in my backyard also, auch bei der Mobilitätswende? Die Welt darf gern besser werden, solange es mich nichts kostet? Darüber wird zwar gern gespottet. Aber diese Realität hat an vielen Stellen das Potenzial, vieles zu verhindern. Und verlangt nicht nach Spott, sondern nach Antworten. Eine könnte sein: Ziele formulieren, die einen klaren Mehrwert versprechen. Angebote statt Verbote diskutieren. Und: Verbesserungen im Angebot schneller auf den Weg bringen als Einschränkungen für Autos. Das gilt im ÖPNV wie beim Fahrradwege-Angebot.

In beiden Bereichen bietet eine Steigerung der Sicherheit einen echten Hebel. Das gilt sowohl für den Nahverkehr wie für das Fahrrad in der Stadt. Mit der Verkehrssicherheit haben die Niederlande den Aufbau ihrer weltweit vorbildlichen Fahrrad-Infrastruktur ursprünglich begründet. Die heute dafür sorgt, dass in niederländischen Städten freiwillig so viel Rad gefahren wird wie kaum irgendwo sonst.

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