ADAC: Nachhaltigkeit im Verkehr stagniert

Der „Mobilitäts-Index“ des ADAC will die Nachhaltigkeit im Verkehr messbar machen und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Positive Entwicklungen in einigen Bereichen wurden von negativen in anderen kompensiert. Das Resultat: Stagnation.

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
Tram-Bus-Station
[Bildquelle: ADAC] Die ADAC Studie „Mobilitätsindex“ informiert über den Werdegang des nachhaltigen Verkehrs in Deutschland zwischen 2015 und 2019

Der Verkehr in Deutschland hat im Bereich Nachhaltigkeit zwischen 2015 und 2019 keine grundlegenden Verbesserungen erreicht. Das ist das Ergebnis eines neuen Nachhaltigkeitsindex, den der Automobilclub ADAC vorgestellt hat. Erarbeitet wurde der Index aus verschiedenen Parametern in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Prognos, der Universität Wien und der technischen Universität Dortmund. Die Daten stammen überwiegend aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa dem Statistischen Bundesamt.

Zu den bewerteten Parametern gehören die Verkehrssicherheit, die Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit, die Zuverlässigkeit sowie Klima und Umwelt. Das Ergebnis: Während Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit besser geworden seien, habe sich die Zuverlässigkeit im Verkehrswesen deutlich verschlechtert. In den Bereichen Verkehrssicherheit und Klima bzw. Umwelt stagniere die Situation im betrachteten Zeitraum.

ADAC-Mobilitatsindex Grafik
[Bildquelle: ADAC] Die Grafik veranschaulicht unter anderem die Verbesserung der Luftqualität durch die verminderte Freisetzung von Schadstoffen

Weniger Schadstoffe, CO2-Ausstoß konstant

„Die Ergebnisse sind insgesamt etwas ernüchternd“, sagt ADAC-Präsident Christian Reinicke. Spürbare Verbesserungen ergeben sich bei der Luftqualität: So hat sich die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxiden deutlich reduziert. Betrug sie im verkehrsnahen Stadtraum im Jahr 2011 noch 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, waren es 2020 noch 29 Mikrogramm. Auch die Feinstaubbelastung hat sich reduziert. Als Hauptgrund nennt der ADAC die verbesserte Kraftfahrzeugtechnik. So sei es gelungen, trotz steigender Verkehrsleistung die Freisetzung von Schadstoffen zu verringern.

Anders sieht es bei der Freisetzung von Klimagasen, insbesondere CO2, aus. Die CO2-Belastung aus dem Verkehr ist der Untersuchung zufolge im Jahr 2019 sogar wieder gestiegen, nachdem sie in den Vorjahren leicht zurückgegangen war. Die liegt laut ADAC vor allem an der gestiegenen Verkehrsleistung über alle Verkehrsträger hinweg und äußere sich auch in einem leicht angestiegenen Primärenergieverbrauch.

Gut 30 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland entfielen 2019 auf den Verkehr. Davon stammen rund 85 Prozent aus dem Straßenverkehr, und davon wiederum zwei Drittel aus dem Personenverkehr.

Leichte Fortschritte erkennt der ADAC bei der Lärmbelastung: Hier hätten Flüsterasphalt, Lärmschutzwände und neue Verordnungen zu Verbesserungen geführt. Die Belastung mit Lärm aus dem Luft- und Schienenverkehr habe sich jedoch kaum verbessert. Das gleiche gilt für den Flächenverbrauch von Mobilität, der laut ADAC seit 2015 stagniert.

Zuverlässigkeit: Infrastruktur ist überlastet

Noch ein Problem bringt die gestiegene Nachfrage nach Mobilität mit sich: Straße und Schiene in Deutschland sind überlastet, die Zuverlässigkeit des Verkehrs habe sich daher seit 2015 deutlich verschlechtert. Als Indikator führt der ADAC hier die Anzahl der Verspätungen im Schienennetz sowie der Staukilometer auf Fernstraßen an. Insbesondere im Bahn-Fernverkehr sei die Pünktlichkeitsquote zwischen 2015 und 2019 von 74 auf 66 Prozent abgesackt.

Eine Folge der Überlastung ist auch: Obwohl die Zahl schwerer Verkehrsunfälle gesunken ist, nahm die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt zu – und damit auch die Zahl leichter Personen- und Sachschäden. Daraus leitet der Mobilitätsindex eine Stagnation ab.

Mehr Tempo nötig

Der Club schlussfolgert: Mobilität muss sich verändern, und zwar schnell. „Die Ergebnisse des ersten ADAC Mobilitätsindex verdeutlichen einen enormen Handlungsdruck. Wir sind in den letzten Jahren in Richtung Nachhaltigkeit insgesamt nicht vorangekommen, weil positive Entwicklungen in einigen Bereichen von negativen in anderen kompensiert wurden“. Es reiche nicht, an der einen oder anderen Stelle aufzuholen. Es brauche Investitionen in die Infrastruktur, politische Anreize und neue, attraktive Produkte und Dienstleistungen. Nachhaltige Mobilität müsse die attraktivere Option sein, um Verbraucher*innen zu überzeugen. Diese müssten jedoch auch bereit sein, Veränderungen auszuprobieren und anzunehmen. Der Mobilitätswandel erfordere Verhaltensänderungen, die über alternative Antriebe im Pkw hinausgehen.

Der Staat hingegen müsse ermöglichen, dass der öffentliche Verkehr sowie Rad- und Fußverkehr sich dynamischer entwickeln können als der Individualverkehr. Absehbar sei, dass technische Verbesserungen hier allein nicht ausreichen. „Preisliche Anreize“ wie ein CO2-Preis seien daher ebenso wichtig wie neue Radwege und der Ausbau von Pooling-Diensten durch öffentliche Verkehrsträger. Während die Förderung von Elektroautos mit der Zeit sinken müsse, werde der Zuschussbedarf des öffentlichen Verkehrs deutlich steigen.

Der ADAC will den Mobilitätsindex künftig jährlich veröffentlichen und damit die Entwicklungen des Verkehrswesens insgesamt nachvollziehbar machen.

ADAC-Mobilitatsindex
[Bildquelle: ADAC] Die Ergebnisse des Mobilitätsindex zeigen, dass auf den deutschen Straßen nachhaltige Mobilität nicht zugenommen hat

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