Kommentar: Tesla und die Medien – Das wird nichts mehr

Von Teslas Umgang mit Medien bei der Werkseröffnung sind viele Medien überrascht. Mobilitäts-Journalisten nicht: Autos kommuniziert Tesla ähnlich wie Fabriken. Nämlich kaum.

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
Tesla-Fabrik Berlin Brandenburg: Bei der Eröffnung waren nur wenige Medien zugelassen [Bildquelle: picture alliance/dpa | Patrick Pleul]

Egal wo, egal mit wem: Tesla redet (fast) nicht mit Medien. Das stellten viele Journalist*innen überrascht fest, die über den Bau oder die Eröffnung der Tesla-Fabrik in Grünheide (Brandenburg) berichten wollten. Zum Beispiel der Brandenburg-Korrespondent des Deutschlandfunk, Christoph Richter: „Einen direkten Draht zum Unternehmen zu bekommen, ist schlicht unmöglich“, sagt er im Deutschlandfunk. Egal ob zur Entscheidung für den Standort bei Berlin, bei Anfragen nach Kommentaren zum Baufortschritt der wichtigen Industrieansiedlung, bei einem Bürgerfest 2021 oder nun zur Eröffnung: Mit Gesprächswünschen und Akkreditierungsanfragen geht Tesla äußerst restriktiv um.

Es gibt, sagt Richter, eine E-Mail-Adresse für Presseanfragen für ganz Europa. Dort antworte jedoch niemand, so Richter. Das erstaunt seine ihn im Deutschlandfunk interviewende Kollegin: Andere Unternehmen geben so viel Geld für professionelle PR (Public Relations) aus. Hat Tesla das denn gar nicht nötig? Antwort: nein. Tesla hat eine solche Pressearbeit nicht. Der US-Konzern braucht sie schlicht nicht.

Tesla braucht keine PR-Abteilung

Warum nicht? Dazu hatte ich einmal eine klare Meinung. Wenn es erst mal mehr Elektroautos gibt als Nachfrage, wird Tesla PR brauchen. Tesla konnte noch nie so viele Autos bauen, wie nachgefragt wurden. Wer Autos einfach verteilen kann, muss sie nicht bewerben. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob das stimmt. Was Tesla ohne PR geschafft hat: An der Börse die restliche Autobranche nicht überholt, sondern pulverisiert. Zum größten Elektroauto-Hersteller der Welt geworden. Produktion auf drei Kontinenten, schwarze Zahlen. Warum sollten sie es nicht ohne Öffentlichkeitsarbeit schaffen, ein großer Autohersteller zu bleiben?

Eine Liebesbeziehung wird das sowieso nicht mehr. Frische Irritation gab es bei der Eröffnung des neuen Werks in Grünheide. Die größte Industrieansiedlung der Region, das erste große, neue Autowerk in Deutschland seit vielen Jahren – klar, dass viele Medien teilnehmen wollten. Aber: Nur wenige durften. Taz-Redakteur Malte Kreutzfeld durfte nicht, er wird an die Angebote von dpa, RTL und RBB verwiesen. Bei der Zeremonie sprechen Musk, Bundeskanzler Olaf Scholz und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Wirtschaftsminister Robert Habeck muss zum Pressestatement ans Werkstor kommen. Dahinter konnten ihm keine Fragen mehr gestellt werden.

Spricht vor dem Werk zur Presse: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck [Bildquelle: picture alliance / EPA | CLEMENS BILAN]

Eine Fabrik ist kein Infotainment-Feature

Was Mitarbeiter*innen öffentlicher Rundfunkhäuser überrascht, kennen Medien aus dem Spektrum Auto und Mobilität schon lange. Tesla tut wenig, um in diesen Medien aufzutauchen. Vielleicht auch, weil es trotzdem passiert. Branchenübliche Fahrpräsentationen gibt es nicht. Testwagen gibt es zwar – aber nicht für jeden, und mitunter unabhängig von Reichweite und Relevanz. So strich Tesla für mehrere Jahre der Zeitschrift „auto, motor und sport“ den Zugang. Einem der größten Fachmagazine, wohlgemerkt. In den USA stellt Tesla Ende 2019 sogar die PR komplett ein. Da kein PR-Team mehr da ist, unterbleibt auch die Information an Medienvertreter*innen, dass ihre Anfragen nicht mehr bearbeitet werden können.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Wer über Tesla-Fahrzeuge schreibt, was unsere Redaktion seit vielen Jahren tut, der recherchiert in der Regel auf Grundlage des Unternehmensblogs oder des Twitter-Accounts von Elon Musk. Beides zusammen ersetzt sehr erfolgreich eine professionelle PR. Lutz Frühbrodt, Professor für Unternehmenskommunikation in Würzburg, vermutet: Geht auch gar nicht (mehr) anders. Ein Musk, der seine Kommunikation mit einer Kommunikationsabteilung abstimmen müsste, wäre kein Musk mehr.

Nur: Eine milliardenschwere Industrieansiedlung im Speckgürtel der Hauptstadt, mit mehr als zehntausend Arbeitsplätzen, ist etwas anderes als eine neue Akku-Zellchemie oder ein neues Assistenz-Feature. Es besteht erhebliches öffentliches Interesse. Tesla lebt auch vom Wohlwollen der Region: Bei der Infrastruktur für Werk und Belegschaft, bei Genehmigungen für Zulieferbetriebe, bei sehr vielen Dingen. Vieles davon geht mit Kommunikation leichter von der Hand. Und: Wer nichts sagt, muss damit leben, dass es andere tun. 

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