Ein E-Auto aus Korea lädt am schnellsten
Wie schnell laden Elektroautos? Der Charging-Index der P3 Group fasst viele Variablen in einer Zahl zusammen. Den Bestwert halten nicht Tesla oder VW.
Wie gut ein Elektroauto im Alltag funktioniert, lässt sich manchmal schwer abschätzen. Viele Angaben der Hersteller zu ihren Fahrzeugen gelten nicht pauschal. Sie sind an Bedingungen oder Szenarien geknüpft. Zum Beispiel die Reichweite: Sie bezieht sich auf den ermittelten Verbrauch im Normzyklus, nicht auf den Autobahnverbrauch. Wer mit seinem E-Auto viel Langstrecke fährt, hat ein anderes Reichweitenerlebnis als diejenigen, die viel in der Stadt pendeln. Denn der Langstreckenverbrauch ist in der Regel höher als der in der Stadt. So muss ein Elektro-Auto mit 550 Kilometern angegebener Reichweite nach 300 Kilometern auf der Langstrecke meist an die Ladesäule.
Um den Kunden und Fahrern mehr Klarheit über die Reichweiten-Fähigkeit ihres Autos zu vermitteln, hat die P3 Group, eine Strategie-Agentur für Ingenieursdienstleistungen aus Stuttgart, den Charging Index entwickelt. Der gibt an, wie viel Reichweite für ein Elektro-Auto in 20 Minuten nachgeladen werden kann. Ein Auto sei aus Kundensicht dann alltagstauglich, wenn es innerhalb von 20 Minuten 300 Kilometer Realreichweite nachladen kann, so P3. Dieser Ladevorgang findet im Test im komfortablen Ladebereich von 10 bis 80 Prozent Ladestand statt – dort laden Elektroautos besonders effizient.
Charging Index: Standardisierter Ladetest
Der Charging Index macht das Thema Reichweite von Elektroautos transparenter. Als Basiswert gilt der Wert 1,0. Er gibt an, dass ein Stromer das genannte Ziel erfüllt, also 300 reale Kilometer in 20 Minuten nachlädt. Für 150 Kilometer nach 20 Minuten gibt es eine 0,5, für 75 Kilometer eine 0,25. Das Unternehmen errechnet den Index, indem es die tatsächlich nach 20 Minuten geladene Reichweite durch 300 Kilometer teilt. Je niedriger der Wert, desto weniger Reichweite kommt also im Akku an. Die Daten für die Realreichweite stammen aus den Messungen des ADAC Ecotest. Dessen Werte decken sich ungefähr mit unseren Erfahrungen bei mobility.talk, fallen eher etwas strenger aus.
Der Vorteil des Charging Index: Interessenten müssen sich vor dem Kauf nicht mit den Themen Ladeleistung, Ladekurve, Ladeverluste sowie Norm- und Realreichweite beschäftigen. Sie sehen direkt, wie lange sie in der Praxis auf der Langstrecke pausieren müssen – oder wie weit sie nach dem Stopp fahren können. Einzige Schwäche: Der Index beschränkt sich auf ideale Bedingungen. Im Winter verbrauchen Elektroautos mehr Strom und laden zum Teil langsamer. Den Charging Index gibt es bereits seit drei Jahren. Als erstes Auto in der „kurzen“ Geschichte des Index erreicht der Kia EV6 die Note 1,0.
Diese Elektroautos laden schnell
Diesen ersten Platz erreicht der Kia EV6 mit einer Kombination aus niedrigem Verbrauch (18,6 kWh/100 km) und starkem Ladestrom (durchschnittlich 203 kW im Bereich von 10 bis 80 Prozent). Innerhalb der ersten zehn Minuten an der Gleichstrom-Schnellladesäule lädt er bereits genug Strom für weitere 197 Kilometer Reichweite nach. Nach zehn weiteren Minuten beträgt die nachgeladene Reichweite 309 Kilometer. Das ist derzeit der branchenweite Bestwert.
Der technisch eng verwandte Hyundai Ioniq 5 hängt etwas hinterher: Er lädt in der gleichen Zeit nur 272 Kilometer Reichweite nach. Das liegt zum einen an der etwas schwächeren Ladeperformance (durchschnittlich 192 kW Ladeleistung) und am höheren gemessenen Verbrauch (20,9 kWh/100 km). Dennoch handelt es sich um einen ausgezeichneten Wert. Das ergibt einen Index von 0,91.
Wie gut Kia und Hyundai laden, zeigt ein Blick auf die im Index vergleichbare Konkurrenz. Denn die ist deutlich teurer: Nur Mercedes EQS 450+ (Charging Index: 0,92; 275 km nach 20 Minuten, ab 118.000 Euro), BMW iX xDrive 50 (Charging Index: 0,91, 273 km nach 20 Minuten, ab 116.000 Euro) und Porsche Taycan GTS Sport Turismo (Charging Index: 0,90, 271 km nach 20 Minuten, ab 135.000 Euro) kommen in ihre Nähe. Die Koreaner kosten mit den getesteten Antrieben jeweils rund 50.000 Euro.
Tesla schafft es nur ins Mittelfeld. In der aktuellen Auflage des Vergleichs erreicht das Model 3 in der Ausführung Long Range einen Charging Index von 0,74 (221 Kilometer). Das Model Y, ebenfalls in der Variante mit großer Reichweite, schafft es nur auf einen Wert von 0,58 (175 Kilometer). Im Jahr 2020 hatte die P3 Group auch die Fahrzeuge Model X und Model S mit dem Index 0,53 (161 Kilometer) bewertet. Seitdem gibt es allerdings schon neue Softwarestände bei Tesla.
Gute Ladewerte in der Mittelklasse
In der aktuellen Auflage teilt die P3 Group den Ladevergleich erstmals nach Fahrzeugklassen ein, die sich wiederum an den Neupreisen der Modelle orientieren. In der Kompaktklasse (bis 35.000 Euro) führt der VW ID.3 mit mittlerem Akku (58 kWh) und einem Charging Index von 0,51 vor dem Hyundai Kona (64 kWh, 0,48) und dem Peugeot e-208 GT (0,43). Die Oberklasse (mehr als 65.000 Euro) entscheiden Mercedes, BMW und Porsche für sich.
In der Mittelklasse (35.000 bis 65.000 Euro) führen Kia EV6 und Hyundai Ioniq 5 vor dem BMW i4 (0,78), Tesla Model 3 Long Range (0,74), Polestar 2 LR Single Motor (0,73) und BMW iX3 (0,67). Enttäuschend: Mit VW ID.4 (0,57) und Mercedes EQA 250 (0,54) schneiden zwei begehrte Kompakt-SUVs schlecht ab.
Top 10: Elektroautos mit dem besten Charging Index
Pos. | Modell | Reichweite nach 10 Minuten | Reichweite nach 20 Minuten | Charging Index |
1 | Kia EV6 (77,4 kWh, RWD) | 197 km | 309 km | 1,03 |
2 | Mercedes EQS 450+ | 154 km | 275 km | 0,92 |
3 | BMW iX xDrive 50 | 157 km | 273 km | 0,91 |
4 | Hyundai Ioniq 5 2WD | 164 km | 272 km | 0,91 |
5 | Porsche Taycan GTS Sport Turismo | 183 km | 271 km | 0,90 |
6 | Audi E-Tron GT Quattro | 158 km | 237 km | 0,79 |
7 | BMW i4 eDrive 40 | 148 km | 235 km | 0,78 |
8 | Tesla Model 3 Long Range | 149 km | 221 km | 0,74 |
9 | Polestar 2 Long Range Single Motor | 128 km | 218 km | 0,73 |
10 | BMW iX3 | 113 km | 201 km | 0,67 |
Fazit:
Bei Elektroautos zählen andere Werte als bei Verbrennern, darunter die Ladeleistung. Ins Datenblatt schreiben Hersteller dabei die Maximallwistung, aber keine Ladekurve. Das macht es schwer, die reale Performance aus dem Datenblatt abzulesen. Der Charging Index hilft, die Langstreckentauglichkeit eines Elektroautos auf einen Blick abzuschätzen. Leider ist der Charging Index keine offizielle Größe. Wer sich für ein Elektroauto interessiert, muss ihn selbst recherchieren – oder ausrechnen.
Constantin | @MobilityTalk
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