Mobil-Flat in Augsburg: Einmal zahlen, alles fahren

Intermodale Mobilität soll Innenstädte und Klima entlasten. Wie das im Alltag aussehen kann, zeigt Augsburg mit der Mobil-Flat. Zwei Entwicklungen bremsen das Projekt allerdings aus.

Die verschiedenen Mobilitätsarten der Mobil-Flat sind zu sehen
Ein Anmelde- und Abrechnungsvorgang für sämtliche Verkehrsmittel? In Augsburg wird das mit der Mobil-Flat schon heute umgesetzt [Bildquelle: Stadtwerke Augsburg]

Intermodales Reisen verbessert die Lebensqualität in den Innenstädten und entlastet das Klima“, da ist sich Verkehrsforscher Professor Andreas Knie vom Wissenschafts-Zentrum Berlin sicher. Intermodal zu Reisen bedeutet zum Erreichen des Reiseziels verschiedene Verkehrsträger zu kombinieren. Wer beispielsweise mit dem Rad zum Bahnhof fährt, dort den Zug in die nächste Stadt nimmt und für die letzte Meile zum Arbeitsplatz den E-Scooter nutzt, reist intermodal. Der Nachteil: wer unterschiedliche Mobilitäts-Angebote nutzen will, muss sich durch die unterschiedlichen Tarife der jeweiligen Anbieter kämpfen. Das schreckt viele Kunden ab. In Augsburg ist nun Schluss damit.

Mobil-Flat: Augsburg macht es vor

Einmal zahlen, alles fahren: Für die 295.000-Einwohner-Stadt und ihre Region wurde die sogenannte „Mobil-Flat“ eingeführt. Für einen monatlichen Fixpreis dürfen die Kund*innen Busse, Straßenbahn sowie Leihräder und Carsharing-Fahrzeuge der Stadtwerke Augsburg (swa) nutzen. Es gibt drei Basis- und drei Premium-Angebote.

Die drei Basis-Angebote:

swa Mobil-Flat S

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20)
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 60h oder 600 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden 
  • 67 Euro pro Monat

swa Mobil-Flat M

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20)
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 180h oder 1.800 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden
  • 86 Euro pro Monat

swa Mobil-Flat L

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20)
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 360h oder 3.600 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden 
  • 120 Euro pro Monat

Die drei Premium-Angebote

swa Mobil-Flat S Premium

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20) + Mitnahmemöglichkeit bei Bus & Tram: bis zu 3 Erwachsene und 4 Kinder
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 60h oder 600 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden 
  • 76 Euro pro Monat

swa Mobil-Flat M Premium

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20) + Mitnahmemöglichkeit bei Bus & Tram: bis zu 3 Erwachsene und 4 Kinder
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 180h oder  1.800 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden 
  • 95 Euro pro Monat

swa Mobil-Flat L Premium

  • Bus & Tram: (Zone 10 & 20) + Mitnahmemöglichkeit bei Bus & Tram: bis zu 3 Erwachsene und 4 Kinder
  • Fahrrad: 30 Minuten kostenlos bei jeder Fahrt (mehrfach am Tag)
  • Carsharing: Jahreskontingent von 360h oder  3.600 km. Stunden oder Kilometer können über das ganze Jahr hinweg flexibel eingeteilt werden 
  • 129 Euro pro Monat
  •  

Bei Überschreitung des Stunden- bzw. Kilometer-Kontingents gilt dann der allgemeine Tarif für das gebuchte Fahrzeug. Die Premium-Karten sind zudem übertragbar. Die Mitnahmemöglichkeit ist unter der Woche eingeschränkt. So dürfen von montags bis freitags ab 9 Uhr 4 Kinder und ab 18 Uhr zusätzlich bis zu 3 Erwachsene mitfahren. Am Wochenende und an Feiertagen dürfen ganztags 4 Kinder und 3 Erwachsene mitgenommen werden.

Warum gibt es die Mobilitäts-Flatrate nur in Augsburg?

Je größer die Stadt, desto zahlreicher die Anbieter von Leihrädern, Carsharing, E-Scooter und Co. Wer hier ein durchgängiges Angebot aus Information, Buchung, Bezahlung und Abrechnung in einer App etablieren will, muss die Interessen all dieser Anbieter zusammenbringen. „Die Entwicklung von Mobilitätsdiensten und -produkten wird von einer großen Zahl von Stakeholdern vorangetrieben, die jeweils unterschiedliche Prioritäten verfolgen. Es gibt deshalb bislang keinen gemeinsamen Ansatz, intermodale Mobilität in Form eines integrierten Angebots in einer Anwendung zu schaffen“, schreibt die Plattform Zukunft Mobilität in ihrem „Bericht zur intermodalen Mobilität in Deutschland 2021“. Auch auf technischer Seite gibt es Hürden. So muss die technische Kommunikation zwischen den verschiedenen Mobilitätsplattformen und den IT-Systemen der Mobilitätsanbieter gewährleistet werden.

In Augsburg verhält es sich etwas anders. Hier kommt tatsächlich alles aus einer Hand. Die Straßenbahnen und Busse, die Leihräder und das Carsharing-Angebot gehören den Stadtwerken Augsburg. Aufwendige Abstimmungsprozesse und das Zusammenbringen verschiedener ökonomischer Interessen bleiben daher aus.

Schwierige Bilanz für die Augsburger Mobil-Flat

Begonnen hat das Projekt im Oktober 2019. Ein Testlauf mit 50 Personen ein Jahr zuvor war erfolgreich verlaufen. Wenige Monate nach dem offiziellem Start hatte man die ersten 500 Abonnenten gewonnen. Das Konzept, Autofahrende zum Umstieg zu bewegen, ging auf. Rund ein Viertel der angemeldeten Kund*innen besaßen zuvor weder ein ÖPNV-Abo noch einen Carsharing-Zugang. In einer der ersten Städte Deutschlands nahm die Mobilitätswende hier konkrete Gestalt an.

Dann kam jedoch die Corona-Pandemie und veränderte Mobilitätsströme überall auf der Welt. Auch in Augsburg. Einige Kund*innen traten von ihrer Mobil-Flat-Bestellung zurück. Anfangs habe sich das Modell „sehr schön“ entwickelt. „Normalerweise entsteht eine Dynamik, weil sich das rumspricht“, sagt Jürgen Fergg, Sprecher der Stadtwerke Augsburg gegenüber mobility-talk. Lockdown und Homeoffice verhinderten diese Dynamik bei der Mobil-Flat jedoch. 

Der nächste Rückschlag droht im Jahr 2022. Ausgerechnet eine Maßnahme der Bundesregierung, die Bürger*innen dazu bringen soll, weniger mit dem Auto zu fahren, wird zur Herausforderung für die Augsburger Mobil-Flat. Teil des Pakets, das die Ampel-Koalition als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine beschloss, ist das sogenannte 9-Euro-Ticket. Für einen Zeitraum von 90 Tagen werden die Preise von Monatskarten im ÖPNV auf einen Preis von 9 Euro reduziert. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs. Und ein Bärendienst an Augsburgs Mobil-Flat.

Wer nutzt noch Car-Sharing und Fahrräder, wenn der Bus quasi umsonst ist? Die düstere Prognose von Stadtwerke-Sprecher Fergg für den Zeitraum des 9-Euro-Tickets: „Da wird hier niemand ein Abo abschließen.“ Es ist paradox: Mit der Mobil-Flat stand Augsburg an der Spitze der Bewegung zu einem zukunftsfähigen Mobilitätskonzept. Eine bundesweite Maßnahme zur Stärkung des ÖPNV wird nun zur ultimativen Belastungsprobe.

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