IAA Mobility: Am Ende geht es doch um schöne, schnelle Autos
Die IAA Mobility möchte keine reine Automesse mehr sein. Doch für einen glaubwürdigen Re-Start setzt die Branche das neue Konzept nicht konsequent genug um. Immerhin eine Idee findet offensichtlich viele Fans.
Die IAA hat sich verändert. Nicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte, denn Deutschlands größte Automesse, die jetzt keine Automesse mehr sein möchte, ist fast so alt wie das Automobil selbst. Nach der IAA 2019, die unter zahlreichen Absagen aus der Industrie und einem Rückgang der Besucherzahlen litt, gerät der veranstaltende Verband der Automobilindustrie (VDA) unter Druck. Die Mitglieder verlangen ein neues Konzept. Erstmals protestieren zudem tausende Klimaaktivisten gegen die Automesse, die sie als eine protzige Feier ewig gestriger Dinosaurier empfinden.
Der VDA schreibt die Messe neu aus. Den Zuschlag bekommt mit München ein Konzept, das einerseits einen ungestörten Branchentreff auf dem Messegelände 14 Kilometer außerhalb der Stadt verspricht. Andererseits aber auch Trubel und Volksfest in den „Open Spaces“, die mitten in München an zentralen Plätzen liegen. Kann das gutgehen?
Die ersten Tage zeigen, dass eine kritiklose Automesse im heutigen gesellschaftlichen Klima nicht mehr möglich ist. Das belegen nicht nur zahlreiche Proteste gegen die Münchner Show. Die Ausrichter merken es im Grunde schon auf dem Weg vom Hotel zur Messe. Denn es geht nur langsam vorwärts auf den schmalen Münchner Innenstadtstraßen, die kaum breit genug sind für die wuchtigen bayerischen und schwäbischen SUV des 21. Jahrhunderts.
Auf der Messe selbst herrscht am ersten Messetag vielerorts eine trübselige Leere. Es fehlen zahlreiche Autohersteller wie Opel, Peugeot, Fiat und auch alle Japaner. Die, die gekommen sind, zeigen auf stark verkleinerten Ständen ihr Elektroauto-Sortiment. Die protzigsten Stände stammen ausgerechnet von zwei chinesischen Marken. Dabei sollte das Protzen doch der Vergangenheit angehören.
Dazwischen präsentieren Zulieferer Alu-Druckgussverfahren, Steuergeräte-Software, Getriebeglocken, Schrauben, Ventile oder Akkugehäuselegierungen. Landesregierungen werben hier auch um Investitionen. Das ist für Nicht-Fachbesucher komplett uninteressant. Auch die Presse reagiert überwiegend ratlos auf eine IAA, auf der mancher Autohersteller nur 2-3 Autos zeigt, auf der aber mehr als 600 Fahrräder ausgestellt werden. Findet sie doch hier kaum Themen, die ins bekannte Schema „Die besten IAA-Neuheiten“ passen. Kaum Show, wenig Shine, und wegen der Corona-Beschränkungen fällt auch der Aspekt Branchentreff überschaubar aus.
Also, was soll das? Will sich die IAA selbst abschaffen, indem sie dem Publikum kaum Autos, dafür aber jede Menge Schrauben und Federbeine zeigt? Nein. Das Highlight des neuen IAA-Konzepts erschließt sich dem Nicht-Ingenieur in der Münchner Innenstadt. Hier treffen Messe und Menschen sich mitten in der Stadt. Der Eintritt ist frei, Hunderte warten geduldig auf Einlass – nach Vorzeigen ihrer 3G-Bescheinigung. Es gibt Autos, Bratwurst und stilles Wasser. Die Besucher drängen sich ums Blech – fast wie früher also.
Denn, Moment mal: Wollte die IAA nicht eigentlich weg vom Auto und hin zur fotschrittlichen, nachhaltigen Mobilität? Schon auf dem abgelegenen Messegelände lassen sich kaum Anbieter neuer Mobilitätskonzepte blicken. Ein paar Startups zeigen Auto-Abos oder autonome Taxibusse. Die Konzepte der großen Anbieter fehlen. Daimlers Moovel spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Lufthansa oder die Deutsche Bahn. Da, wo die Menschen sind, geht es dann am Ende doch um schnelle, schöne Autos – auch, wenn Porsche ein paar Fahrräder mitgebracht hat.
Hat dieser Ansatz eine Zukunft? Eine Autoshow mitten in der Stadt findet offensichtlich ihre Fans. Aber auch ihre Gegner, weshalb jede Menge Polizei sich unters Volk mischt. Die reine Fachmesse allerdings werden sich Medien wie Publikum wohl in Zukunft sparen – hier gibt es nichts zu sehen. Das scheint den Autoherstellern wohl auch klar zu sein, denn ihre wichtigsten Premieren nach dem Pressetag haben sie von der Messe abgezogen und in die „Open Spaces“ verfrachtet. Dahin, wo die Menschen sind.
Hat eine Messe, gegen die schon zum zweiten Mal massiv und intensiv protestiert wird, eine Zukunft? Hier dürfen die Zweifel schon größer sein. Für viele Klima-Aktivisten ist die IAA als Brennglas der Autoindustrie ein Feindbild – auch, wenn sie praktisch ausschließlich emissionsfreie Technik zeigt und auch, wenn dort auf jedes SUV ungefähr ein Lastenrad kommt. Da liegt der Gedanke nahe: Der Protest richtet sich gegen die Akteure und nicht gegen die Themen der Messe. In dieser Hinsicht hat der IAA ihre Kehrtwende also wenig gebracht.
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