Jeder vierte Unfall geht auf Ablenkung zurück
Ablenkung im Straßenverkehr ist eine der häufigsten Unfallursachen. Eine Studie hat genau untersucht, wovon sich Autofahrer*innen am Steuer ablenken lassen. Es gibt große Unterschiede zu Radfahrenden.
Ablenkung im Straßenverkehr birgt hohes Gefahrenpotenzial. Zwar führt die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes „Ablenkung“ nicht als Unfallursache, deshalb gibt es dazu auch keine genauen Zahlen. Jedoch gibt es viele Untersuchungen, die das Gefahrenpotenzial durch Ablenkung am Steuer bestätigen.
Laut einer Studie von infas quo im Auftrag des Versicherungsunternehmens DA Direkt spielt sie sogar bei mehr als jedem vierten Verkehrsunfall (27 Prozent) eine Rolle. Acht Prozent der Befragten gaben an, dass Ablenkung in ihren Fällen die Hauptunfallursache darstellte. Laut der Untersuchung empfinden 60 Prozent der Autofahrenden ein hohes Risiko durch Ablenkung. Aber wovon lassen sich die Rad- und Autofahrenden in Deutschland ablenken? Vorweg: es ist nicht immer nur das Smartphone.
Ablenkung durch andere Verkehrsteilnehmer
Die meisten Autofahrer*Innen (55 Prozent) lassen sich von schlechten Wetter- und Sicherverhältnissen ablenken. Darauf folgen mit 42 Prozent Umleitungen und veränderte Straßenführungen, auf die sie unverhofft reagieren müssen. Dazu gibt jeder Zehnte an, sich durch das Navigationsgerät, das von selbst eine neue Route sucht, abgelenkt zu fühlen. Busse und Trams hingegen ziehen weniger die Aufmerksamkeit der Fahrenden auf sich. Hier gaben nur 7 Prozent an, sich ablenken zu lassen.
Insgesamt schätzt mehr als die Hälfte der Befragten die Gefahr der Ablenkung durch andere Verkehrsteilnehmer als (sehr) hoch ein. Während der ÖPNV weniger Ablenkungspotenzial bietet, fühlt sich mehr als jeder dritte Fahrende durch andere Autofahrer*Innen im Straßenverkehr abgelenkt. 34 Prozent der Autofahrer*innen nehmen Radfahrende als Ablenkung war, Fußgänger empfanden nur 17 Prozent als ablenkend.
Diskussionen im Auto lenken ab
Doch nicht nur Wetter, Verkehrsteilnehmer und Straßen-Infrastruktur ziehen unsere Aufmerksamkeit weg vom Verkehrsgeschehen. Auch im inneren des Fahrzeugs ermittelte die Studie eine Reihe von Gründen für Ablenkung. 62 Prozent erleben gelegentlich bis häufig Situationen der Ablenkung etwa durch Musik, Podcasts oder Hörbücher. Spitzenreiter bleiben jedoch intensive Diskussionen mit Mitfahrenden (66 Prozent). Dazu kommt: Etwa ein Drittel bedient während der Autofahrten sehr regelmäßig den Bordcomputer. 11 Prozent setzen sich zudem oft während der Fahrt mit ihrem Navigationssystem auseinander und fühlen sich in der Folge abgelenkt. Zurückgegangen sind im Vergleich zur Erhebung im vergangenen Jahr die Ablenkungen durch häufiges Essen und Trinken (9 Prozent) sowie das Flirten (7 Prozent) während der Autofahrt. 2020 haben Autofahrende noch zwei Prozent mehr geflirtet.
Junge Autofahrer nutzen seltener das Smartphone am Steuer
Gegen das Flirten, Essen und Trinken gibt es im Gesetzestext keinen Passus. Gegen die Verwendung des Smartphones hingegen schon. 100 Euro Strafe und ein Punkt in Flensburg stehen auf die Nutzung des Smartphones am Steuer. Dennoch nutzen knapp 20 Prozent der Autofahrenden bei jeder oder fast jeder Fahrt das Smartphone. Besonders jungen Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren fällt es schwer das Gerät liegen zu lassen – hier liegt der Anteil bei rund einem Drittel.
Allerdings zeichnet sich auch eine positive Entwicklung ab, denn die Smartphone-Nutzung nimmt in dieser Altersgruppe leicht ab. Während 2020 noch 37 Prozent bei (fast) jeder Fahrt und 25 Prozent das Gerät gelegentlich nutzten, waren es 2021 jeweils 33 und 18 Prozent.
Ankommende Nachrichten auf dem Smartphone lesen 60 Prozent in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre während der Fahrt. Beim Verfassen von Nachrichten hinter dem Steuer sank der Anteil von 59 Prozent im vergangenen auf 55 Prozent in diesem Jahr. Das Knipsen von Fotos zählt bei 36 Prozent der Befragten zu den häufigsten Aktivitäten am Lenkrad.
Wenig Vertrauen in Fahrassistenzsysteme
Fahrassistenten wie Tempomat und Spurhalteassistent sollen Fahrer*Innen entlasten. Doch 19 Prozent der Befragten geben an, durch Fahrassistenten abgelenkt zu werden. Das liegt auch am mangelndem Vertrauen in die Systeme, wie aus den Ergebnissen hervorgeht. Für ausgereift hält die Technik nur rund ein Viertel der Befragten (23 Prozent). Dementsprechend vertraut nur die Hälfte den Assistenzsystemen auch in Gefahrensituationen. 38 Prozent sind sogar davon überzeugt, dass intelligente Fahrassistenzsysteme zu mehr Ablenkung im Straßenverkehr führen. Diese Einschätzung entspricht auch dem Erleben der befragten Autofahrer*Innen: Fahrende mit Assistenzsystemen sind demnach häufiger abgelenkt und in gefährliche Situationen sowie Unfälle verwickelt (47 Prozent) als Fahrer ohne Assistenzsystemen (38 Prozent).
Die Autoren der Studie weisen jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse der Befragung keinen objektiven statistischen Beweis dafür liefern, dass heutige Fahrassistenzsysteme einen signifikanten Einfluss auf die Unfallhäufigkeit in Deutschland haben.
Ablenkung auf dem Fahrrad
Auf dem Zweirad ist die Gefahr durch Ablenkung nicht geringer als im Auto. Wie sich diese bei Fahrradfahrer*Innen auswirkt, haben der ADAC und ÖAMTC innerhalb einer gemeinsamen Studie bereits im vergangenen Jahr ermittelt. Dazu fuhren die Studienteilnehmer*Innen auf einem gesicherten Testgelände mit dem Rad einen Parcours ab. Eine bestimmte Zeit sollte dabei nicht überschritten werden. Egal, ob die Radfahrenden währenddessen abgelenkt wurden oder nicht.
Die Ablenkungen bestanden dabei etwa aus dem Trinken aus einer Wasserflasche, dem Einschalten des Lichts, oder dem Lesen einer Nachricht auf dem Smartphone. Insgesamt sechs Aufgaben gab es zu bewältigen. Als die Teilnehmenden etwa während der Fahrt das Licht einschalten sollten, überfuhren daraufhin 21 Prozent ein Stopp-Schild. Zu erwähnen ist allerdings, dass bereits in der Basis-Runde ohne Aufgaben 10 Prozent das Schild missachteten.
In einer weiteren Runde sollten die Fahrradfahrer*Innen einen an einer Schnur am Lenker hängenden Würfel abnehmen und in die Jackentasche stecken. Durchweg verringerten die Teilnehmenden deutlich ihre Geschwindigkeit. Mehr als 20 Prozent der Teilnehmenden waren nicht in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen. Drei Viertel gaben an, dass dies die schwierigste Aufgabe gewesen sei.
Ergebnis der Studie: Die erfasste Fehlerrate in den Testrunden unterschied sich nicht signifikant von der in der Basis-Runde ohne Ablenkung.
* mit Material der dpa
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