Die sechs Stufen des autonomen Fahrens
Langfristig werden sich Autos ohne Fahrer im Straßenverkehr bewegen können. Das geschieht schrittweise: Roboterautos werden dabei nach sechs Stufen unterschieden.
Keine Frage: Das autonome Auto wird kommen. In absehbarer Zukunft bewegen sich Kraftfahrzeuge selbstständig, also ganz ohne einen Fahrer, der sie bedient. Viele Hersteller und Zulieferer arbeiten an dieser Technologie, denn sie bietet viele Vorteile. Autonome Autos können effizienter und sicherer fahren, als es Menschen jemals schaffen. Sie werden nicht müde oder ungeduldig, lassen sich nicht provozieren oder von Gefühlen ablenken. Sicherheit und Umweltschutz sind mächtige Argumente, Komfort ebenfalls.
Hinzu kommen wirtschaftliche Interessen. Autonome Autos ermöglichen neue, höchst lukrative Geschäftsmodelle. Etwa die Option einer automatischen Sharing-Flotte: Niemand müsste mehr ein Fahrzeug kaufen, jeder könnte es nach Bedarf mieten. Wer sich früh in diesem Markt etabliert, wird langfristig erfolgreich sein. Nur wenige Technologien sammeln deshalb in den letzten Jahren bei Investoren so viel Geld ein wie die des autonomen Fahrens. Es fehlt vielerorts noch die rechtliche Grundlage.
Neue Verordnung vom 23. Februar 2022
Diese Hürde soll bald fallen. In einer Verordnung vom 23. Februar 2022 legt die Bundesregierung nun die Zulassungsvoraussetzungen zum Betrieb autonomer Autos nach Automatisierungsstufe 4 (siehe unten) vor. Bereits seit Mai 2021 dürfen autonome Fahrzeuge in „festgelegten Betriebsbereichen“ ohne Sicherheitsfahrer, aber nicht gänzlich ohne Aufsicht fahren. Die technische Überwachung erfolgt von Fachpersonal aus der Ferne.
In der neuen Verordnung wird dieses „Fachpersonal“ nun spezifiziert. Denn zur technischen Überwachung ist künftig ein Techniker- oder Studienabschluss in den Fachrichtungen Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Elektrotechnik oder Luft- und Raumfahrttechnik erforderlich. Die Verordnung klärt allerdings nichts, wie viele Fahrzeuge von einer Person überwacht werden dürfen.
Prüfung alle 90 Tage
Innerhalb einer Gefährdungsanalyse müssen die künftigen Anbieter autonomer Fahrzeuge aufzeigen, wie ihre Technik im Falle eines Fehlers regiert. Zudem soll die Sicherheit der Fahrfunktionen alle 90 Tage von „geeigneten“ Personen überprüft werden. Geeignet dazu sind etwa Kfz-Meister*innen oder Ingenieur*innen. Zur Prüfung zählen unter anderem Fahrwerk, Bremsen, Lenkung, Lichtanlage und die elektronisch gesteuerten Fahrzeugsysteme.
Bei der für autonome Fahrzeuge wichtigen Sensorik gibt es laut der Verordnung keine Vorgaben. Sie gibt lediglich das zu erreichende Ziel aus: „alle für die sichere Erfüllung der Fahraufgabe erforderlichen Gegenstände, Daten oder Personen im Umfeld des Kraftfahrzeugs erfasst und hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung, des Bundesdatenschutzgesetzes und spezialgesetzlicher datenschutzrechtlicher Vorschriften beachtet.“ Einfacher: Die Sensoren müssen sicher und zuverlässig funktionieren und der Datenschutz eingehalten werden.
Das autonome Fahren ist nicht günstig
Worüber die Verordnung auch Aufschluss gibt, ist der Erfüllungsaufwand. Dieser umfasst die gesamten Kosten und Zeitaufwände, die durch die Befolgung einer Vorschrift des Bundes entstehen. Das sind beispielsweise Bürokratie- oder Personal-Kosten. Im Falle des autonomen Fahrens beziffert die Bundesregierung den Erfüllungsaufwand der Verordnung auf etwas mehr als 10 Millionen Euro pro Jahr. Davon entfallen 7,22 Millionen Euro auf das Personal. Weitere 3,26 Millionen Euro kommen als Sachkosten hinzu.
Um das Thema Autonomie planbar zu gestalten und die verschiedenen Schritte auf dem Weg zum selbst fahrenden Auto ordnen und differenzieren zu können, hat die „Society of Automotive Engineers“ (SAE) schon lange vor den ersten Genehmigungen autonome Fahrfunktionen in sechs Stufen gegliedert. Sie sind für Gesetzgebung wie für die Politik der Leitfaden auf dem Weg zu autonomen Fahrzeugen.
Autonomie-Level 0: Keine Autonomie
Auch diese Stufe gehört zur Entwicklung: Ein Auto, das über keinerlei autonome Funktionen verfügt, entspricht dem Autonomie-Level 0. Solche Fahrzeuge sind vereinzelt noch auf dem Markt. Dabei handelt es sich entweder um günstige Kleinstwagen oder um puristisch ausgelegte Sportwagen, die mit wenig Fahrhilfen ein direktes Gefühl ermöglichen wollen. Keine Autonomie bedeutet allerdings nicht, dass das Auto dem Fahrer nicht hilft. Level 0 umfasst warnende Assistenten und kurzzeitige Unterstützung. Die SAE führt Helfer wie den Toter-Winkel-Assistent, eine Spurwarnung oder den Notbremsassistenten auf. Letzterer leitet selbstständig eine starke Verzögerung ein, wenn er eine Gefahr erkennt. Obwohl diese Funktion das Fahren beeinflusst, stellt sie streng genommen keine autonome Funktion dar.
Autonomie-Level 1: Eingeschränkt assistierter Modus
Das erste Autonomie-Level beinhaltet Assistenzsysteme, die bereits in das Fahrgeschehen eingreifen, aber nur für sich arbeiten. Diese Unterstützung kann sich auf Lenkung, Bremse oder Beschleunigung auswirken, aber nicht mehrere Systeme kombinieren. Die SAE ordnet in diese Stufe zum Beispiel den adaptiven Tempomaten oder ein Spurführungssystem ein.Solche Funktionen sind schon viele Jahre auf dem Markt und heute bereits in Kleinwagen verfügbar. Für die Hersteller sind solche Extras vergleichsweise günstig umzusetzen, weil die Systeme nicht untereinander vernetzt sind: Die Informationen des Spurhalteassistenten beeinflussen nicht die Arbeitsweise des Tempomaten.
Autonomie-Level 2: Umfangreich assistierter Modus
Die Kombination mehrerer Assistenzsysteme ist das entscheidende Merkmal des Autonomie-Level 2. Viele Hersteller verknüpfen zum Beispiel die Spurführung und den Abstandstempomaten zu einem gesamtheitlichen Fahrassistenten: Das Auto lenkt, beschleunigt und bremst automatisch. Gut abgestimmt fühlt sich das so an, als würde der Computer bereits die Arbeit übernehmen.
Dieses Gefühl kann jedoch täuschen, denn Technologien nach Level 2 dürfen den Fahrer nur unterstützen. Er trägt weiterhin die Verantwortung. Der Fahrer muss darauf achten, dass die Software keinen Fehler macht und gegebenenfalls schnell reagieren. Ein Sicherheitsmechanismus erinnert ihn daran: Stellen die Sensoren Unaufmerksamkeit fest, mahnen Anzeigen oder mechanische sowie akustische Warnungen dazu, das Steuer zu übernehmen. Alle aktuell (2021) in Europa für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge ordnen sich höchstens im Autonomie-Level 2 ein – selbst dann, wenn manch ein Hersteller mehr Können suggeriert.
Autonomie-Level 3: Der Hersteller übernimmt die Verantwortung
Das wird sich bald ändern. Fahrzeuge, die Autonomie-Level 3 beherrschen, stehen längst in den Startlöchern. Prototypen mit Level-3-Autonomie sind seit Jahren auf europäischen Straßen unterwegs und zum Teil fertig entwickelt. Mercedes hat Ende 2021 eine erste Zulassung für diese Funktion bekommen, 2022 startet der Verkauf von Level-3-Autonomie in der S-Klasse. Weitere Anbieter werden schnell folgen. Das Knifflige: Fährt ein Auto im Level-3-Modus, haftet der Hersteller bei einem selbstverschuldeten Unfall. Der Fahrer trägt in diesem Szenario keine Verantwortung mehr.
Level 3 orientiert sich an folgendem Szenario: Das Auto fährt in klar definierten Situationen komplett selbstständig. Den ersten seriennahen Vorstoß wagte Audi mit Versuchsfahrzeugen des aktuellen A8. Er kann auf mehrspurigen Straßen mit Trennung der Fahrtrichtung (Autobahnen, Bundesstraßen) bis zu einem Tempo von 60 km/h selbständig fahren. Im Stau oder im zähfließenden Verkehr darf der Fahrer sich ablenken und Videos schauen oder Mails beantworten. Das Auto benachrichtigt ihn rechtzeitig, wenn er sich wieder auf die Straße konzentrieren muss.
Trotz eines klaren Bekenntnisses zur baldigen Serieneinführung ist dieser Stauassistent noch nicht verfügbar. Zunächst fehlte die Erlaubnis der EU. Später kippte Audi den Plan komplett und verschob die Einführung auf zukünftige Fahrzeuge.
Autonomie-Level 4: Der Fahrer darf schlafen
Level 4 stellt nach SAE eine bedeutsame Erweiterung von Level 3 dar. Das Auto kann nach dieser Definition zwar noch nicht immer und überall selbstständig fahren. Aber es tut dies bereits in einem umfangreichen Gebiet und in allen Situationen. Fahrerlose Taxis für bestimmte Stadtbereiche fallen in dieses Level. Ebenso Fahrzeuge, die lange Strecken selbstständig absolvieren.
Fahrzeuge können für genau diese Situationen entwickelt werden. Sie benötigen nicht zwingend Pedale oder ein Lenkrad. Ein Beispiel: Der NAF-Bus, der bedarfsgesteuert vollautonom über den GreenTEC Campus in Schleswig-Holstein fährt. Wenn Fahrzeuge doch über eine manuelle Steuerung verfügen, gilt trotzdem: Der Fahrer darf sich während der autonomen Fahrt ablenken, sogar schlafen. Nur außerhalb der festgelegten Grenzen fährt er selbst.
Bisher ist unklar, wann Level-4-Fahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können und dürfen. Tesla wirbt bereits offensiv damit, dass bald entsprechende Funktionen für Innenstädte zur Verfügung stehen werden. Dabei verlässt sich der Hersteller aber vor allem auf die Auswertung von Kamerabildern. Andere Hersteller nutzen bereits für Level 3 weitere Sensoren, darunter Laserscanner. Gut möglich, dass der Gesetzgeber künftig eine konkrete Sensorik vorschreibt.
Autonomie-Level 5: Das Auto ist der Fahrer
Erst Level 5 beschreibt das, was wir uns unter einem vollautonomen Auto vorstellen: Ein Fahrzeug, das unter allen Umständen selbstständig überall hinfahren kann. Dabei darf es sich nicht von unerwarteten Situationen überraschen lassen – es muss bei Schnee, Regen und Sonnenschein funktionieren, außerdem in Städten, auf Landstraßen und auf Autobahnen. Bis es so weit ist, wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Denn die nötige Sensorik ist teuer, ebenso die nötige Software. Auch die rechtlichen Fragen sind nicht trivial. Schließlich müssen Computer dann über Ethik-Fragen entscheiden können. So etwas lässt sich nicht innerhalb kurzer Zeitabstände abstimmen und entwickeln.
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