Fahrradparkplätze: Neue Ideen für die Städte

Parkplatzprobleme haben nicht nur Autofahrer. Auch Fahrradfahrende fragen sich: Wo kann ich mein Fahrrad sicher abstellen? Städte setzen auf neue Ideen, etwa Fahrradboxen oder spezielle Parkhäuser. Diese sind aber nicht unumstritten.  

Stefan Weißenborn
Stefan Weißenborn
Garagen für E-Bikes
Kleine Garagen sollen demjenigen Abhilfe schaffen, der sein E-Bike draußen sicher unterbringen möchte [Bildquelle: Bernd Georg / Stadt Frankfurt am Main]

Schon wieder sind alle Laternenpfähle belegt! Gibt’s denn irgendwo noch ein Verkehrsschild, an dem man sein Fahrrad anketten könnte? Vor dem Kino oder dem Restaurant, am Bahnhof, am Arbeitsplatz oder vor der Haustür – oft müssen Fahrradfahrende suchen, bis sie ihr Rad einigermaßen diebstahlsicher abstellen können. Viele deutsche Städte reagieren mit neuen Parkkonzepten für Radler. 

Die örtlichen Bedingungen sind oft heikel: Der Bestand an Pkw in Deutschland ist mit knapp 50 Millionen so hoch wie nie, gleichzeitig fahren mehr Menschen Fahrrad. Damit steigt die Konkurrenz um die Verkehrsfläche in den Städten. Der Knackpunkt: Dort, wo Fahrradabstellanlagen errichtet werden, müssen Autofahrende oft verzichten. Auf Parkflächen oder auch auf Fahrspuren, die Städte wie Berlin, Frankfurt, Bremen, München, Dresden oder Leipzig in Fahrradstellplätze umgewandeln. Das spüren genervte Autofahrende vor allem im Parksuchverkehr nach Feierabend. 

Dieser macht laut der Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Spitzenzeiten bis zu einem Drittel des Verkehrs in den Innenstädten aus. Und wenn man als herumkurvender Autofahrender nach getaner Arbeit dann noch einen von einem Lastenrad blockierten Parkplatz sichtet, kann das den Puls beschleunigen. 

Dass Autofahrende wie selbstverständlich öffentlichen Raum nutzen, sei „ein Privileg, das man diskutieren muss“, sagt Wasilis von Rauch, Geschäftsführer beim Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZV). Angela Francke, Professorin für Radverkehr an der Hochschule Karlsruhe, meint: „Öffentliche Fläche gehört allen gleichermaßen. Wenn Parkplätze für Kfz angeboten werden, dann sollten auch Parkplätze für Fahrräder in ausreichendem Maße angeboten werden können.“ Sie plädiert jedoch dafür, die Diskussion zu versachlichen.

E-Bike am Fahrradständer
Mit dem E-Bike-Boom stieg ebenfalls die Anzahl der Diebstähle. Wegen ihres hohen Verkaufpreises sind E-Bikes für Täter besonders interessant [Bildquelle: WSM]

Im Grunde gehe es in Städten, in denen der Platz begrenzt sei, nicht um einen Verteilungskampf, sondern „um ein besseres Miteinander“. Es gehe „um die Stadt als Lebensraum“. Oft seien Autofahrende auch Fahrradfahrende, und umgekehrt nutzten Radelnde auch das Auto. Wichtig sei, „dass nicht etwas einer der Parteien weggenommen wird, sondern dass wir durch Umverteilung zu ganz neuer Lebensqualität für alle kommen“.

Großes Potenzial für Verkehrswende

Können Parkplätze für Fahrräder wirklich dazu beitragen, dass die Stadt ein besserer Ort wird? Sind sie ein wichtiger Bestandteil der oft beschworenen Mobilitätswende? Angela Francke meint: „Ja.“ Fahrräder seien wahre Platzsparer. Werden Kfz-Parkplätze umgewidmet, fänden pro Stellplatz bis zu acht Fahrräder Platz. Immerhin drei bis vier Lastenräder passen auf einen Standardstellplatz.

Wassilis von Rauch sieht vor allem im Lastenrad ein großes Potenzial für die Verkehrswende in Städten. Sie können in vielen Situationen ein Auto ersetzen. Aber es ist kaum praktikabel, die mehrere tausend Euro teuren Lastesel zum sicheren Parken auch nur über einen Treppenabsatz zum Beispiel in einen Innenhof oder Hausflur zu wuchten.

Sichere Parkplätze für Fahrräder müssen deshalb gut durchdacht sein, sagt Francke. Die Wissenschaftlerin geht davon aus, dass viele Menschen, die bislang mit dem Auto pendeln, erst dann aufs Fahrrad umsteigen würden, wenn sie neue Parkmöglichkeiten für Fahrräder als sicher und praktisch empfinden. Will heißen: Das teure E-Bike muss nicht nur unweit vom Büro oder anderen Zielorten bequem abgestellt werden können, sondern auch weitgehend sicher vor Dieben. 

Bereits 2019 erließ die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz eine deutschlandweit neuartige Regelung: Seitdem können die Bezirke Pkw-Parkflächen in je drei Lastenfahrradstellplätze umgestalten. Die Idee räumte 2019 den dritten Platz des Deutschen Fahrradpreises in der Kategorie Infrastruktur ab.

E-Bike in einer kleinen Garage
E-Bikes und Lastenräder werden immer beliebter. Für die Trendwende fehlen jedoch geeignete Parkplätze, die die kostspieligen Fahrräder mit elektrischem Antrieb vor Diebstählen schützen [Bildquelle: WSM]

Auch die Industrie spürt einen Effekt, seit Pedelecs und E-Lastenräder boomen. „Ja, es steigt die Nachfrage nach höherwertigen Fahrradparksystemen“, sagt Andreas Hombach von der Firma Walter Solbach Metallbau (WSM) in Waldbröl, einem der Marktführer in dem Bereich.

Zu den Anforderungen einer Fahrradparkanlage zählt er neben dem Diebstahlaspekt auch den Schutz vor Vandalismus, und möglichst auch Witterungseinflüssen. „Idealerweise steht diese in öffentlich gut frequentierten Bereichen.“ Erdgeschossteile von günstig gelegenen Parkhäusern zu Fahrradgaragen umzubauen und diese per Video überwachen, hält Francke für eine gute Idee. Lademöglichkeiten für E-Bikes könnten zusätzliche Attraktivität schaffen. 

Vorbild Hamburger Fahrradhäuschen

Aber auch am Wohnort vieler Menschen gibt es Optimierungsbedarf. Geht es ums Fahrradparken zu Hause, hat die Politik einen verbrieften Gestaltungsspielraum. „Die Bundesländer können in ihren Landesbauordnungen Vorgaben zur Bereitstellung von Fahrradabstellanlagen machen“, heißt es in einer Broschüre des Umweltbundesamtes. Doch diese Möglichkeit nehmen sie bislang nur in wenigen Fällen wahr. Abstellanlagen seien in unmittelbarer Wohnortnähe notwendig, um das Fahrrad als Alternative zum Pkw zu fördern, schreibt das Amt. Es empfiehlt angesichts des E-Bike-Booms, dort auch an entsprechende Lademöglichkeiten für die Akkus zu denken.

Köln beispielsweise habe Fahrradabstellanlagen für Mehrfamilienhäuser schon vorbildlich umgesetzt, sagt BVZV-Geschäftsführer von Rauch. Dort, wo nicht neu gebaut werden könne, zum Beispiel in Altbaugebieten, fänden Städte ebenfalls Lösungen. Wassilis von Rauch nennt als Blaupause für neue Projekte die Hamburger Fahrradhäuschen. 1993 entstand das erste, heute sind es rund 400.

E-Bike in einer kleinen Garage
In den kleinen Garagen stehen alltagsübliche Fahrradständer, an die das E-Bike angelehnt werden kann. Anschließend wird das Tor geschlossen und das Fahrrad ist sicher verwahrt [Bildquelle: Torsten Willner]

„Das ist eine nachbarschaftliche Lösung“, sagt er. Privatpersonen könnten sich zusammenschließen und bei der örtlichen Behörde einen Antrag auf Förderung stellen. Wird dieser bewilligt, darf das Fahrradhäuschen, meist ausgelegt für zwölf Fahrräder, aufgestellt werden. Je nach örtlichen Gegebenheiten auch auf öffentlichem Grund. 

In Frankfurt am Main entstanden 2019 im Rahmen des Pilotprojekts „Wohnungsnahe FahrRadGaragen“ im Stadtteil Höchst Fahrradgaragen am Straßenrand, die Anwohner*innen zur Verfügung stehen. „Aktuell liegen weitere Wünsche zu Fahrradgaragen vor, die sich derzeit in der Prüfung befinden“, heiß es bei der Stadtverwaltung. Ähnliche Mietboxen stehen seit Mai 2021 auch im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Neun Euro kostet ein Dauerstellplatz im Monat. 

Es gibt weitere Lösungen, der Bike-Flut in den Städten Herr zu werden. Pionier in Deutschland war das Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo man sich schon früh Gedanken machte. Die Idee: Fahrradparkhäuser nach dem Vorbild der niederländischem Fietshangars. 1997 eröffnete die erste von 100 geplanten „Fahrradstationen“ in Mühlheim an der Ruhr. Die witterungsgeschützten Stationen an Bahnhöfen sollen nicht nur den Radverkehr fördern, um so das Mobilitätsverhalten zu verändern. Ziel ist auch, Bahnhöfe zu reaktivieren und Arbeitsplätze zu schaffen.

Wer Infrastruktur sät, erntet Verkehr

Nach Auffassung von BVZF-Geschäftsführer von Rauch gibt es in vielen Städten angesichts des teils stark angestiegenen Radverkehrs zwar immer noch Nachholbedarf. Doch er sieht in großen Fahrradparkhäusern eine positive Signalfunktion. „Sie haben Strahlkraft, sie sind ein kommunikatives Signal an die Radler: Ihr seid erwünscht, Ihr werdet mitgedacht.“

Garage für E-Bikes
Viel Platz für die kleinen Garagen bietet die Infrastruktur bisher nicht. In den nächsten Jahren wird eine gerechte Verteilung zwischenAutoparkplätzen und Fahrradparkplätzen angepeilt [Bildquelle: Torsten Willner]

Tatsächlich bestätigte sich in der westfälischen Studentenstadt Münster eine Verkehrsplaner-Weisheit: Wer Infrastruktur sät, erntet Verkehr. Nach anfänglicher Skepsis von Anwohner*innen ist Deutschlands größtes Fahrradparkhaus am dortigen Hauptbahnhof seit seiner Eröffnung 1999 praktisch durchgehend ausgebucht. Zur Verfügung stehen über 3.000 Stellplätze, weitere Standorte wurden geplant und errichtet. Und das Begleitangebot wuchs im Laufe der Jahre. Zur Verfügung steht eine Fahrradwaschanlage, Fahrräder können gemietet werden, es gibt einen Reparaturservice.

Weitere Städten haben mittlerweile Fahrradparkhäuser errichtet, darunter Kiel, Freiburg oder Oranienburg. In Bamberg können E-Biker in Schließfächern ihre Akkus laden, in München eröffnete im März 2021 das umgebaute Parkhaus an der Hildegardstraße, die neue „Hofbräuhaus Parkgarage“. Dort entstanden Stellplätze für 520 Autos, doch ein Zwischengeschoss dient als „Mobilitätshotspot“ – Fahrradboxen inklusive, auch lassen sicht dort E-Bikes per App leihen.  Ausgerechnet in der Hauptstadt Berlin gibt es noch kein einziges Fahrradparkhaus – doch zwei Machbarkeitsstudien laufen derzeit.

„Am Ende geht es nicht darum, jeden Verkehr auf den Radverkehr zu verlagern“, sagt Radprofessorin Francke, „sondern den motorisierten Individualverkehr auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu verlagern.“ Wichtig sei, dass dafür auch intermodale Schnittstellen entstehen. Dazu zähle auch die Fahrradmitnahme in Bussen. Und eben attraktive Fahrradparkplätze.

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