Sicherheitrisiko Gewicht: Elektroautos sind zu schwer

Elektromobilität setzt sich im falschen Segment durch: Große, schwere Elektro-SUVs sind eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Das sind die Zahlen.
Constantin Bergander
Constantin Bergander
Mercedes EQS: Bis zu 3,5 Tonnen schwer
Elektroautos sind schwerer als Verbrenner, weil ihr Akku viel Gewicht ins Auto bringt. Ein Mercedes EQS SUV kann bis zu 3,5 Tonnen wiegen. Bei einem Unfall kann dieses Gewicht für andere Verkehrsteilnehmer tödlich sein [Bildquelle: Mercedes]

Auf Deutschlands Straßen fahren mehr als eine Million Elektroautos. Das ist besser für die Umwelt, aber problematisch für die Sicherheit. Denn Elektroautos wiegen mehr als Verbrenner. Außerdem steckt ihre elektrische Antriebstechnik meist in größeren Karosserien. Bei einem Crash erhöht sich damit für den Unfallgegner das Risiko, an den Unfallfolgen zu sterben.

Die Onlineausgabe des „Stern“ kritisiert den Trend zum schwereren Auto – und damit zur Gefahr, bei einem Unfall mehr Schaden anzurichten. Das Magazin bezieht sich auf einen Beitrag des Fachblattes „Nature“, der auf die Umweltkonsequenzen von schweren Fahrzeugen hinweist, und auf eine Studie des US-Amerikanischen National Bureau of Economic Research. Letztere benennt konkret die Gefahren eines Verkehrsunfalles mit hoher Gewichtsdifferenz. Die Autoren Michael Anderson und Maximilian Auffhammer veranschaulichen sie mit folgendem Beispiel.

Stößt ein Pkw mit einem 1.000 Pfund (454 Kilogramm) schwereren Auto zusammen, erhöht sich die Lebensgefahr der Insassen im leichteren Fahrzeug um 47 Prozent im Vergleich zu einem Unfall von zwei gleich schweren Autos. Das Risiko steige zusätzlich, wenn es sich bei dem schweren Auto um einen sogenannten Light Truck, also ein SUV, Pick-up-Truck oder Minivan handelt. Neben dem Gewicht der betroffenen Fahrzeuge zählt demnach also die Größe der Autos. Je größer und schwerer ein Pkw, desto härter trifft es das andere Auto bei einem Zusammenstoß.

Dass Elektroautos so groß und schwer sind, liegt an konzeptionellen Besonderheiten: Weil der (schwere) Akku in der Bodenplatte Platz nach unten kostet, gleichen Hersteller gern nach oben aus. Oft sind Elektroautos deshalb SUVs. Zum anderen rüsten Autobauer ihre prestigeträchtigen Spitzenmodelle mit großen Karosserien und Reichweiten aus. Das führt zu Fahrzeugen, die sich noch gerade so mit einem Pkw-Führerschein bewegen lassen.

Mercedes EQE
Mercedes EQE: Das Elektroauto wiegt in der Basisversion 2.385 kg, voll beladen sind es knapp 2,9 Tonnen [Bildquelle: TeamOn]

So groß und schwer sind Elektroautos

Jedes Elektroauto auf dem Markt ist schwerer als ein vergleichbarer Verbrenner. Das gilt sogar für Kleinwagen mit überschaubarer Reichweite: Ein elektrischer Opel Corsa-e mit 50 kWh Akkukapazität und 353 Kilometern Reichweite wiegt 1.530 Kilogramm – 300 Kilogramm mehr als ein Benzin-Corsa mit ähnlicher Motorleistung (Corsa-e: 100 kW (136 PS), Corsa 1.2 Turbo: 96 kW (130 PS). Beide Derivate nutzen die gleiche Karosserie, es gibt also keinen Unterschied in der Fahrzeughöhe. Dennoch ist das Elektroauto der gefährlichere Unfallgegner. 

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Business-Limousinen: Ein Mercedes EQE 300 mit 180 kW (245 PS) Spitzenleistung und 626 Kilometern Reichweite wiegt mindestens 2.385 Kilogramm. Sein Verbrenner-Pendant, ein E 300 d 4Matic mit gleicher Motorleistung, gibt Mercedes mit 1.925 Kilogramm an – macht 460 Kilogramm Differenz. Der EQE überragt die E-Klasse außerdem um fünf Zentimeter.

Opel Corsa-e
Elektro-Schwergewicht: Ein Opel Corsa-e wiegt 300 Kilogramm mehr als ein klassisch angetriebener Corsa mit gleicher Motorleistung [Bildquelle: TeamOn]

Ein Elektro-SUV mit vier Tonnen Gewicht

Elektroautos schleppen in allen Klassen ein deutliches Mehrgewicht mit. Dramatisch wird es bei den Prestigeprojekten der Hersteller. Mercedes‘ Vorzeige-Blechburg, der EQS SUV, wiegt als EQS 580 4Matic 2.810 Kilogramm. Mit Vollausstattung und voller Beladung erreicht der EQS die Grenzen dessen, was Inhaber*innen eines Führerscheins der Klasse B fahren dürfen, also 3,5 Tonnen.

Es klingt nach Klischee, aber manch ein Amerikaner ist noch dicker: Ford plant, die Elektro-Version des Bestseller-Pick-ups nach Europa zu bringen. Der F-150 Lightning wiegt in seiner „Extended Range“ Version 2.948 Kilogramm. Beladen mit den zulässigen 885 Kilogramm ist er zu schwer für Pkw-Führerscheine. Einer seiner Konkurrenten schafft das sogar aus eigener Kraft. Der GMC Hummer EV wiegt leer bereits vier Tonnen. Allein sein Akku wiegt so viel wie ein VW Golf. Auf offiziellem Wege kommt dieses Auto aber nicht nach Deutschland.

Die wirklich schweren Autos bleiben eine Ausnahmeerscheinung. Dennoch zeigt die Statistik bereits einen Effekt auf das Gewicht der Fahrzeugflotte. 2015 liegt das Durchschnittsgewicht von neu zugelassenen Pkws laut Angaben des Portals Statista.com bei 1.486 Kilogramm. Seitdem steigt es jährlich. 2021 wiegt der durchschnittliche Neuwagen 1.654 Kilogramm. Ein Effekt der Trends Elektroauto und SUV.

GMC Hummer EV
Amerikanischer Traum vom Elektro-Ungetüm: Der GMC Hummer EV wiegt vier Tonnen. Nach Europa passt er damit nicht [Bildquelle: GMC]

So werden Elektroautos leichter

Bisher schaffen es nur wenige Elektroautos, ungefähr das Gewicht von vergleichbaren Verbrennern zu halten. Der BMW i3 wiegt mit großem Akku (42,2 kWh) 1.345 Kilogramm. Damit bewegt er sich an der oberen Grenze dessen, was für einen Kleinwagen noch vertretbar ist. Unter den Elektroautos ist er derweil ein Leichtgewicht. Schade: BMW hat den i3 nicht mehr im Programm, ein Nachfolger ist nicht geplant.

Das Geheimnis des i3: Er besteht zu großen Teilen aus Karbon und Aluminium, nutzt schmale Räder und beschränkt sich auf eine Reichweite von rund 300 Kilometern, um mit einem kleinen Akku auszukommen. Ein kluger und innovativer Ansatz. Aber einer, der sich sich kaum auf größere Modelle projizieren lässt. Denn dort geht Wohlfühlen vor Spritsparen. 

Wie also werden Elektroautos leichter? Im Karosseriebau wird die Automobilbranche wohl keine großen Innovationen mehr liefern. Die Hersteller drehen an zwei anderen Stellschrauben. Eine höhere Energiedichte in der Traktionsbatterie sorgt für ein geringeres Gewicht bei gleichbleibender Reichweite. Mit einer besseren Effizienz des Antriebs können Akkus ebenfalls deutlich kleiner (und damit leichter) werden.

„Nature“ rät derweil, hohe Fahrzeuggewichte zu besteuern. In einigen US-Bundesstaaten ist das bereits üblich. Die Begründung: Die Autos würden nicht über die Kraftstoffsteuer zur Erhaltung der Infrastruktur beitragen, aber zum Verschleiß. In Frankreich müssen Kunden schwerer Fahrzeuge eine einmalige Steuer von zehn Euro für jedes Kilogramm jenseits der 1,8 Tonnen Fahrzeuggewicht zahlen. Andererseits: Elektroautos verlassen sich in Deutschland aktuell noch auf Subventionen und Vergünstigungen. Eine Strafsteuer wäre in diesem Punkt hinderlich.

Interessent*innen sollten deshalb genau überlegen, wie viel Reichweite sie tatsächlich benötigen. Denn Akkus mit geringerer Kapazität ist der schnellste Weg zu leichteren Elektroautos. Eine erhöhte Nachfrage nach kleinen, leichten Elektroautos dürfte sich positiv auf die Marktentwicklung auswirken. Dieser Trend lässt sich zumindest erahnen: 2022 führen verhältnismäßig leichte Elektroautos die Zulassungsstatistik an. Am besten verkaufen sich das kompakte SUV Tesla Model Y (ab 1,9 Tonnen), die Mittelklasse-Limousine Tesla Model 3 (ab 1,8 Tonnen) und der Kleinstwagen Fiat 500e (ab 1,25 Tonnen). 

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