Lenkassistent fürs Fahrrad: Das Fahrrad lenkt mit
Der Fahrradhersteller Gazelle und die TU Delft entwickeln ein mitlenkendes Fahrrad. Es soll vor allem ältere Radfahrende auf schweren E-Bikes vor Stürzen bewahren.
Lenkassistenten gehören bei modernen Autos zum Standard, selbst in den günstigeren Modellen. Auf dem Fahrrad lenken Fahrende hingegen immer noch ausschließlich selbst. Die Technische Universität Delft will das nun ändern. Die Hochschule arbeitet gemeinsam mit dem Fahrradhersteller Gazelle an einem System, das mitlenkt. Dabei geht es weniger um einen höheren Komfort als um die Sicherheit: DIe Technik soll dabei helfen, Stürze zu vermeiden. Die „Smart Steering Assistance“ soll vor allem bei schweren E-Bikes zum Einsatz kommen und dort die Sicherheit erhöhen.
Anders als im Auto geht es dem Lenkassistenten der TU Delft nicht darum, das Fahrzeug in der Spur zu halten. Das Ziel ist es, das Rad vor dem Umkippen zu bewahren – ein Risiko, das Autos im normalen Betrieb nur selten droht. Fahrräder sind dagegen per se instabil. Erst in Bewegung bleiben sie aufrecht. Jeder Lenkimpuls bringt das Fahrrad jedoch aus dem Gleichgewicht – und leitet so die Kurvenfahrt ein. Mit Risiken, vor allem für weniger geschickte Radfahrende.
Darum fällt das Fahrrad nicht um
Arend Schwab, einer der beteiligten Wissenschaftler, beschrieb das System bei der Vorstellung 2019 als „ziemlich einfach“: „Man braucht einen Sensor, der detektiert, wenn das Fahrrad umzufallen droht, einen Motor, der die Lenkung anpassen kann und einen Prozessor, um den Motor zu kontrollieren.“ Der Lenkassistent funktioniert bei Geschwindigkeiten ab 4 km/h und tut bereits seit 2019 seinen Dienst an einem Prototypen. Schon bald will die Uni jedoch mit einem neueren Prototyp auf Testfahrt gehen. Wie heise.de berichtet, soll der deutlich weniger klobig ausfallen als der aktuelle, der noch viel sichtbare Technik mit sich rumschleppt.
Grundlage für die Funktion des Smart Steering Assist ist die jahrelange Forschung der TU Delft zur Stabilität von Fahrrädern. Schwab veröffentlichte bereits im Jahr 2011 mit seinen Kolleg*innen einen Artikel zum Thema in der Fachzeitschrift Science, der mit einigen sicher geglaubten Erkenntnissen aufräumte. Die Forschenden wiesen nach, dass ein Fahrrad sich in Bewegung auch dann aufrichtet, wenn man gyroskopische Effekte und den sogenannten Nachlauf durch die spezielle Konstruktion eines Rades aufhebt. Bislang war man davon ausgegangen, dass genau diese beiden Kräfte das Rad im Gleichgewicht halten.
25 Parameter schützen vor dem Sturz
Die Wissenschaftler*innen entwickelten ein physikalisches Modell, das anhand von 25 unterschiedlichen Parametern vorhersagen kann, wie stabil eine bestimmte Fahrradkonstruktion bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist. Laut Schwab waren diese Erkenntnisse bei der Entwicklung des Lenkassistenten von enormer Bedeutung. „Das schwerste ist, die richtigen Algorithmen für den Prozessor zu ermitteln.” Diese sorgen nun dafür, dass das System den Lenker in die erwartete Kipprichtung lenkt und das Fahrrad dadurch wieder aufrichtet.
Schwabs Nachfolger Jason Moore und die Projektleiterin Leila Alizadehsaravi treiben das Projekt nun weiter voran, so heise.de. Insbesondere im Hinblick auf die schweren und schnellen E-Bikes, die vor allem älteren Menschen weiterhin Mobilität auf dem Rad ermöglichen, sehen die Forschenden einen zunehmenden Bedarf für sein solches System.
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