Restomods: Neues E-Leben für altes Blech
Für Oldtimer-Fans bedeutet Nachhaltigkeit: Konservierung und Erhaltung. Eine weitere Option ist die Modernisierung zum Elektroauto. Die gibt es zunehmend sogar vom Original-Hersteller.
Oldtimer haben ihren Auftrag als reine Fortbewegungsmittel bereits erfüllt. Einerseits, weil neue Autos sicherer, besser, schneller und sparsamer fahren. Andererseits, weil vielen von ihnen das Alter im Blech sitzt wie Rheuma. Automobile Rentner leben zu einem anderen Zweck weiter: Weil sie eine Faszination ausstrahlen. Ihre Formen, Macken und Kompromisse sind eine romantische Erinnerung an eine andere, oft idealisierte Zeit.
Für Fans mit Blutgruppe 20W50 (eine Motoröl-Viskosität) sind die originalen Antriebe, ihr Klang und der Geruch von warmem Öl und unkatalysierten Abgasen fest mit Oldtimern verknüpft. Aber alte Mechanik ist keine Bedingung für den Betrieb eines alten Autos. Einige Firmen und sogar manche Autohersteller hauchen klassischen Karosserien mit moderner Technik neues Leben ein – auch elektrisches. Solche Autos heißen Restomods. Manche fühlen sich an wie Neuwagen des gleichen Stils. Andere geben ihren öligen Charakter und das H-Kennzeichen auf, um nachhaltig zu werden.
Der e-Käfer knattert nicht, er surrt
Die Umrüstfirma eClassics bietet solche Umbauten an. Sie gehört Dennis Murschel, einem Spezialisten für luftgekühlte VW-Modelle. Im Jahr 2013 begann er, unter dem Namen Murschel Electric Cars ein Umbaukit zum „Retrokäfer“ zu verkaufen. Sein selbst entwickelter Antrieb elektrisierte viele alte Käfer. Mittlerweile haben sich drei Dinge geändert: Der Firmenname, die Herkunft der Technik und die Beschränkung auf ein einziges Modell.
Murschel und seine Firma eClassics kooperieren nun mit der VW-Ersatzteile-Tochter Volkswagen Original Parts. Dorther beziehen sie die Technik, die üblicherweise einen VW e-Up antreibt: Elektromotor, Akkupaket, Ladegerät, Leistungselektronik und viele andere Teile stammen vom Kleinstwagen. Die Komponenten montiert Murschel in eine selbst entwickelte Bodenplatte eingebaut. Wie es sich für einen Käfer gehört, arbeitet der Motor im Heck.
Der schwere Akku verschafft dem Käfer neues Gewicht: Ein elektrisiertes Exemplar wiegt rund 300 Kilogramm mehr als ein Serienauto. Dennoch bewegt sich der e-Käfer flinker. Denn sein neuer Antrieb bringt mehr Kraft und Spontaneität mit als das lethargische Original. 82 PS und 210 Newtonmeter Drehmoment triezen den modernen Oldie lautlos in vier Sekunden auf Stadttempo. Optional ist mehr Kraft verfügbar.
Das wäre zu viel für das alte Käfer-Fahrwerk. Federn, Dämpfer und Bremsen des Umbaus legt der Umrüster deshalb auf die Kraft des neuen Motors und auf eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h aus. Und weil es sich anbietet, sind außerdem moderne Extras wie Klimaanlage, Tempomat oder Servolenkung verfügbar. Von außen kann man all das kaum sehen – einzig die tief heruntergezogenen Seitenschweller deuten an, dass der Käfer nicht mit originaler Technik, sondern elektrisch unterwegs ist. Sie verdecken das Akkupaket in der Bodengruppe.
Die Batterie im umgebauten Käfer speichert 36,8 kWh Energie (netto: 32,3 kWh) – genau so viel wie die des e-Up. Mit einer Akkuladung fährt der Restomod maximal 200 Kilometer weit. Optional lässt er sich mit bis zu 11 kW an Wechselstrom oder 50 kW an Gleichstrom laden. Neue Autos mit ähnlich großen Akkus laden genauso schnell.
T1, T2 und T3 als Elektroauto
Neben Umbauten für VWs beliebtesten Kleinwagen bietet eClassics die Modernisierung des VW Bulli an. Die ersten drei Generationen (T1, T2, T3) lassen sich auf die gleiche Art umrüsten. Sie bekommen ebenfalls die Mechanik des Up. Das wirkt im ersten Moment kurios, schließlich arbeitet dann der Antrieb eines leichten Kleinstwagens in den damals größten Modellen des Konzerns. Die ersten drei Bulli-Generationen waren aber nie besonders stark. Für die meisten Exemplare bedeutet der Wechsel sogar ein Leistungsplus.
Weil im Bus mehr Platz ist als in einem Käfer, passt eine größere Batterie hinein. Mit 48 kWh Kapazität schafft der elektrische Bulli eine Reichweite von rund 200 Kilometern. Gegen Aufpreis steigt die Reichweite auf 300 bis 350 Kilometer. Abgesehen davon unterscheidet sich sein Antrieb nicht von dem des e-Käfer.
Wie teuer so ein Umbau letztendlich ist, hängt von der Basis ab. Wenn die Substanz stimmt und nicht noch aufwendig restauriert werden muss, kostet der Umbau eines Käfer rund 75.000 Euro. Für einen e-Bulli sind je nach Baureihe 60.000 bis 80.000 Euro einzuplanen. Sympathisch: Obwohl der Umbau kleine Änderungen an der Karosserie erfordert, lässt er sich rückgängig machen.
Mini Recharged: Umrüstung vom Hersteller
Noch vor dem Serienstart des ersten Elektro-Mini bastelte der britische Kleinwagen-Hersteller an einem elektrifizierten Oldie: Im März 2018 zeigte Mini einen zum Elektroauto umgebauten Ur-Mini auf der Autoshow in New York. Es handele sich um ein Einzelstück, hieß es damals. Der Restomod sollte die Fans auf die kommende Elektrifizierung der Marke vorbereiten.
Pustekuchen, denn die Fans lieben das alte, winzige Ding. Nach vielen positiven Reaktionen machte sich ein Team aus dem Mini-Werk in Oxford an die Entwicklung einer Serienversion. Die ist jetzt fertig: Kunden können ihren klassischen Mini werksseitig zum Elektroauto umbauen lassen. Der Hersteller nennt das Projekt „Mini Recharged“.
Der kleine Verbrenner des Mini macht Platz für einen Elektromotor mit einer Dauerleistung von 90 kW. Damit sprintet der modernisierte Klassiker in neun Sekunden auf Tempo 100. Eine Batteriekapazität gibt Mini nicht an, nennt aber eine Reichweite von knapp 160 Kilometern. Für lange Reisen ist der E-Mini also nichts, zumal er nur an Wechselstrom und mit maximal 6,6 kW Leistung lädt. Ein weiterer Dämpfer: Dieses Angebot gibt es nur in Großbritannien.
Toll: Die originalen Motoren werden eingelagert. Die umgebauten Autos lassen sich später wieder zurückrüsten. Bis dahin sehen sie so original wie möglich aus: Eine dem Original nachempfundene Tankanzeige zeigt den Füllstand der Batterie an. Zum Preis äußert sich Mini nicht. Ein Anhaltspunkt könnte die Firma Swindon liefern: Sie bietet Umrüstkits für umgerechnet knapp 13.000 Euro an. Mini schlägt vermutlich noch den Hersteller-Bonus und hohe Einbaukosten auf. Dafür gibt es den Segen vom Werk. Denn dort sagt man, dass ein Elektroantrieb ganz im Sinne des Mini-Erfinders Alec Issigonis gewesen wäre.
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