Super E10 und Biodiesel: Kein Getreide für Sprit

Ein Ende für Super E10 und Diesel B7: Bundesumweltministerin Lemke will bestimmte Biokraftstoffe abschaffen. Das steckt dahinter.
Constantin Bergander
Constantin Bergander
E10 und B7 abschaffen
Super E10 und Diesel B7 sind umweltschädlich, findet Umweltministerin Steffi Lemke. Sie will die Sorten in der aktuellen Form abschaffen [Bildquelle: Red Dot auf Unsplash]

Ausgerechnet die Bundesumweltministerin moniert nichtfossile Biokraftstoffe? Laut Informationen der „FAZ“ hat Steffi Lemke (Grüne) einen Gesetzesentwurf über die Abschaffung von sogenanntem Agrosprit in die Ressortabstimmung gegeben. Zu dieser Art Kraftstoff gehören zum Beispiel Bestandteile der Sorten Super E10 und Diesel B7. Sie soll es bis zum Jahr 2030 in der aktuellen Form nicht mehr geben. Das Verkehrsministerium widerspricht dem Vorschlag und sieht die Klimaziele der Bundesregierung in Gefahr. Lemke argumentiert mit der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln.

Das sind Bio-Kraftstoffe

Kraftstoffe wie Benzin und Diesel haben einen fossilen Ursprung. Sie bestehen vor allem aus Erdöl. Das Problem: Bei der Verbrennung werden diverse Schadstoffe und Gase wie CO2 freigesetzt. Deshalb mischen Mineralölfirmen den Kraftstoffen organische Substitute, sogenannte Biokraftstoffe, bei: Aus fossilem Super-Benzin und pflanzenbasiertem Ethanol werden Super E5 oder Super E10 (mit 5 oder 10 Prozent Ethanol), aus fossilem Diesel und Bio-Diesel wird Diesel B7 (mit 7 Prozent Biodiesel) – also das, was wir an den Tankstellen in unsere Autos füllen.

Ethanol und Bio-Diesel werden zum Teil aus eigens angebauten Pflanzen gewonnen. Man nennt diese Sorten deshalb Agro-Kraftstoffe. Beim Verbrennen wird nur das CO2 frei, das ihre pflanzlichen Bestandteile während ihres Wachstums eingesammelt haben. Es handelt sich um einen geschlossenen Kreislauf. Bildlich gesprochen: Betrachtet man nur diesen Vorgang, befindet sich nach dem Verbrennen der Agro-Kraftstoffe so viel CO2 in der Luft wie vor dem Wachstum der Pflanzen. Man spricht von einer bilanziell CO2-neutralen Verbrennung.

Dieser bilanziell CO2-neutrale Anteil muss die Kraftstoff-Statistik verbessern. Denn die Mineralölindustrie ist gesetzlich verpflichtet, den CO2-Ausstoß, der bei der Verbrennung ihrer Kraftstoffe entsteht, zu reduzieren. Und wenn 5, 7 oder 10 Prozent des Kraftstoffs bilanziell kein CO2 ausstoßen, sinkt die relevante Kenngröße um diesen Anteil. Damit erfüllen die Kraftstoffe die gesetzlichen Vorgaben.

Darum soll es künftig keinen Agrosprit mehr geben

Das Problem dabei: Wo Pflanzen für Biokraftstoffe wachsen, können Landwirt*Innen keine Nahrungsmittel für Menschen und Tiere anbauen. Dieser Konkurrenzkampf zwischen Teller und Tank trägt zu steigenden Lebensmittelpreisen bei – für Lemke, die auch Verbraucherschutzministerin ist, ein wichtiger Punkt. Sie verweist außerdem auf Artenaussterben, Klima- und Ernährungskrise. Aktuell müsse die Ernährung Vorrang haben, findet sie.

Ein weiteres Problem sei der Anbau der sogenannten Energiepflanzen. Geeignete Flächen sind nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine knapp. Um den aktuell benötigten Anteil von Agro-Sprit in Deutschland abzubilden, wären 20 Prozent der hierzulande verfügbaren Ackerflächen mit der Produktion der nötigen Pflanzen belegt. Das Geschäft mit den sogenannten Energiepflkanzen führe dazu, dass in Südamerika Wälder gerodet werden, um Platz für die Anbaugebiete zu machen. Letztendlich habe der Agrosprit deshalb eine negative Auswirkung auf die Umwelt. Das Umweltbundesamt stuft ihn schon seit 2008 als umweltschädlich ein.

Der Gesetzesentwurf sieht eine Änderung der Zusammensetzung von Kraftstoffen vor. Agrokraftstoffe aus Pflanzen wie Mais, Weizen, Raps oder Soja dürfen derzeit einen Anteil von maximal 4,4 Prozent an den fertigen Kraftstoffen haben. Schon im kommenden Jahr soll dieser Anteil auf 2,3 Prozent sinken, 2025 auf 2,1 Prozent, 2026 auf 1,9 Prozent und 2028 auf 1,2 Prozent. Bis zum Jahr 2030 dürfen sie im Kraftstoff nicht mehr vorkommen.

Keine Agrokraftstoffe in Benzin und Diesel: Für- und Gegenstimmen

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hält nichts von der Idee, künftig auf Biokraftstoffe aus Agrar-Quellen zu verzichten. Die „FAZ“ zitiert sein Ministerium wie folgt: „Eine Absenkung der Obergrenze für Biokraftstoffe würde zu einer signifikanten Erhöhung von Treibhausgasemissionen im Verkehr führen.“ Das Bundesumweltministerium habe bisher keine Möglichkeit angeboten, um diese Emissionen zu kompensieren. Kritik kommt außerdem vom Deutschen Bauernverband und aus der Biokraftstoffbranche.

Unterstützung erhält Lemke aus anderen Ministerien. Landwirtschaftsminister und Parteikollege Cem Özdemir kommentiert den Vorstoß: „Wenn es um Lebensmittel in Tank, Teller, Trog oder Tonne geht, heißt es für mich: Teller first.“ Der Gesetzesentwurf sei außerdem mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) abgestimmt.

Daraus bestehen Super E10 und Diesel B7 in Zukunft

Sollte aus dem Entwurf ein Gesetz werden, muss ein Ersatz für den Agrosprit her. Denn Super E5, Super E10 und Diesel B7 werden nicht einfach so von den Tankstellen verschwinden. Die Kraftstoffe müssen weiterhin einen biologischen, bilanziell CO2-neutralen Teil enthalten, um ihre Vorgaben zu erfüllen. Dieser Teil darf nur nicht mehr aus Agro-Sprit bestehen, sondern aus Alternativen.

Infrage kommen zum Beispiel Abfallstoffe. Gülle oder altes Öl aus Imbissbuden sind fähige Kandidaten, die Sprit aus Pflanzen ersetzen könnten. Die Branche spricht zudem von Algen oder Cellulose, die in speziellen Anlagen gezüchtet werden könnte. Eine weitere Option können synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, sein. Die verbrennen, eine klimaneutrale Herstellung vorausgesetzt, ebenfalls bilanziell CO2-neutral. Allerdings bedarf ihre Herstellung hoher Mengen Energie. Deshalb lassen sie sich nicht wirtschaftlich produzieren.

Bisher ist noch nicht bekannt, inwiefern sich der Gesetzesentwurf auf die Kraftstoffpreise auswirken würde. Biokraftstoffe sind üblicherweise ohnehin teurer als ihre fossilen Pendants. Eine Veränderung ihrer Bestandteile könnte den Preis beeinflussen. Günstiger wird das Tanken damit wohl nicht.

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